Thema: Kinokultur
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In der heutigen Ausgabe der Berliner Zeitung moniert Ralf Schenk das Verschwinden der Filmgeschichte aus dem allgemeinen Bewusstsein. Ist ja eigentlich irgendwie löblich und gewiss ist die Forderung nach mehr Klassikern, mehr Filmgeschichte sowohl im Kino-, als auch im DVD-Angebot nie verkehrt. Nur ist es schon etwas bräsig, wenn zum Anlass für eine solche Klageschrift zum einen eine Umfrage des Werbeprospekts der Zeitschrift Cinema, zum anderen eine Aussage einer offensichtlich unbedarften Verkäuferin genommen werden. Man kann es sich eben auch sehr einfach machen, mein Nachbar kennt Godard nicht, der Untergang des Abendlandes steht unmittelbar bevor usw. usf.

Was mich aber wirklich stört: Mal wieder der elementare Mangel eines Hinweises darauf, dass all das, was Schenk hierzulande in Greifnähe vermisst, zumindest in Clicknähe liegt und, mit etwas Geduld und zu einem meist recht günstigen Preis, zwei bis drei Wochen später auch im Briefkasten. Nicht auch nur die Spur eines Hinweises darauf, dass sich in Blogs, in Internetforen usw. usf. eine neue Generation von Cinephilen vernetzt, solchen, die sich international austauschen, Kritiken und ausgewachsene Essays online stellen, Web-Magazine machen, die sich vor den Klassikern der Filmkritik nicht verstecken müssen, und ihre DVDs wie selbstverständlich aus den entlegensten Ländern dieser Welt bestellen. Schon vor zwei Jahren hat das Filmkritik-Urgestein Jonathan Rosenbaum in einem Interview eben darauf euphorisch hingewiesen (das griffigste Zitat hier, das ich damals schon ins Blog gerettet hatte). Statt dessen eben nur einmal mehr diese gemütliche "Ich lass mich bedienen"-Mentalität, die unter öffentlich-rechtlich regulierter Filmkunst-Rezeption eben gedeiht und der nichts weiter einfällt als: "Wenn ich die DVDs nicht im Laden kriege, dann mag ich nicht mehr!" Was macht da beispielsweise ein Jonathan Rosenbaum? Er besorgt lieber eine Kolumne "Global Discoveries on DVD" in einem Filmmagazin, jetzt gerade, siehe Link, mit aktueller Folge.

Letzten Endes verquer ist denn auch die Wahrnehmung der Filmkunst-Klassik in hiesigen Gefilden, die sich im letzten Absatz vermittelt: Als wäre beispielsweise ein Yasujiro Ozu in Deutschland außerhalb einer Cinephilen-Kaste jemals auch nur nennenswert ein Begriff gewesen oder seine Filme, im Kino oder auf VHS, jemals auch nur einigermaßen griffbereit gelegen; nein, es waren auch schon damals die Cinephilen, die sich nicht schrecken ließen, über Grenzen zu blicken. Legendär sind die Darlegungen von Frieda Grafe, wie sie und ihre Freunde von München nach Paris gefahren sind, nur um dort einen Ozu-Film ohne Untertitel zu sehen.

Kritik an der hiesigen Editionslage ist schön und gut und wichtig. Ich freue mich über jeden, aus welchen Gründen auch immer, marginalisierten Film, der es hierher schafft. Nur kann ich diese Larmoyanz einfach nicht mehr ab, die immer nur über den Mangel mault, aber selbst nicht in der Lage ist, auf einfache, bequeme Alternativen hinzuweisen. Gerade ein Artikel in einer großen Zeitung, der endlich mal erklärt, wie und wo man sich welche seltenen, fast nie gesehenen Filme bequem, günstig und nahezu risikofrei in den Briefkasten liefern lassen kann, würde der hiesigen Filmkultur soviel mehr gut tun als solch uninspiriertes Mümmeln und Mucken.


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