The California Reich ist eine Dokumentation aus den 70er Jahren, die bewusst ohne weitere Kommentierung einige Protagonisten der seinerzeit rund 2000 Mitglieder zählenden nationalsozialistischen Partei Kaliforniens portraitiert. (Einem Widerhall dieses Phänomens kann man bekanntlich in John Landis' wundervollem Blues Brothers begegnen.) Im Jahr seines Erscheinens wurde der Film für einen Oscar in der Kategorie "Beste Dokumentation" nominiert.

Eines steht dabei ganz wesentlich im Vordergrund, dem Film, wie den vorgestellten Nazis gleichermaßen: Die swastika, bzw. das Hakenkreuz in nationalsozialistischer Drehrichtung. Jenes sei das Symbol, meint einer der Anführer des Haufens, durch das die Kraft der Bewegung spreche; es versetze Feinde und potenzielle Opfer gleichermaßen in Angst und Schrecken und bedinge so deren panische bis hysterische Reaktionen. Ihm eigne eine mythische, wenn nicht, so scheint es, archaische Qualität. Für den so Redenden (der sich, kurios genug, im Rückblick auf seine lange Heim- und Knastkarriere als "genetisch kriminell veranlagt" einschätzt) erweist sich das offensive Zurschaustellen der swastika deshalb als Zeichen der eigenen Stärke, und zwar nicht so sehr symbolisch, sondern durchaus indexikalisch.

Entsprechend wird das Zeichen fetischisiert. Es taucht in diesen Zusammenhängen - das Filmteam darf erstaunlich tief in privateste Gewebe vordringen - an allen möglichen Orten auf: Als Christbaumkugel, am Arm von Santa Clause bei einer nationalsozialistischen Weihnachtsfeier, auf LKW-Türen, als Kuchendekoration und wo nicht noch. Mit fast schon entrückter Betulichkeit näht eine Gattin eines weiteren vorgeblichen alpha male ein ums andere die Scherpen und Binden, auf dass sie von Söhnen und Vätern stolz zur Schau getragen werden. Mit Liebe und Demut bügelt sie das Hakenkreuz, wie andere Hausfrauen sonst nur Pausenbrote für den Nachwuchs zubereiten. Putzige Häuslichkeit also auch bei den Nazis von nebenan. Die politischen Zusammenhänge rekrutieren sich, dieser Schluss liegt nahe, vornehmlich aus dem Sediment des poor white trash. Fast ist das schon camp, was man da sieht, wäre da nicht die Widerständigkeit des Realen, die aus dem "nicht glauben können" ein "unglaublich" macht.

Was dabei dem Film gelingt - und dies muss man ihm als Leistung anerkennen - ist die Offenlegung der ungeheuren Infantilität hinter solchem Gebaren. Hinter dem markigen Auftreten selbsternannter Führer steckt allemal ein mit der Über-Komplexität der Welt nicht zurande kommendes Knäblein, das sich hinter liebgewonnener Symbolik verstecken muss und in Anschauung derselben schon Stärke für sich abgeleitet sieht. Das Stumpfsinnige, das Brutale, das Grobe offenbart sich schließlich in trauten Familiensituationen, in denen der jüngste Sproß der braven Nazi-Familie, unter deren Jubel und dabei doch eigentlich nur ungelenk, die in TV-Sendungen gelernten kicks und Schläge vorführt, mit denen er es später mal "Niggern" zu zeigen gedenkt; nicht zuletzt spiegelt es sich in der Unartikuliertheit der portraitierten Protagonisten wider, deren Weltsicht sich offenbar nur anhand verklärter Gesichtsausdrücke, nicht aber wenigstens ansatzweise in sich schlüssig vermitteln lässt.

Indem The California Reich gerade kein empörtes Vermittelndes einbaut, keine ideologisch "richtige" Instanz zwischen Bild und Zuschauer schiebt, hinter der sich der verschreckte Bürger verstecken könnte, weil er sich darauf einigen kann, indem er also da hinschaut, wo andere vorkäuen würden, indem er dort Evidenzen aufdeckt, wo andere Selbstversicherung für gratis mitbeilegen würden, gelingt ihm gerade, was Guido Knopp'sche Dämonenlehre niemals erreichen wird: Die Sichtbarmachung der armen Wurstigkeit hinter markigen Sprüchen und Dämonensymbolen, das Reale hinter dem Symbolischen - und nicht zuletzt: Die banale Normalität hinter den Wortführern von Rassismus und Nationalsozialismus. Ohne es selbst mitzubekommen, entblößen die Portraitierten den Budenzauber hinter ihren heißgeliebten Hakenkreuz-Wimpeln. Diese Entpathologisierung, die gerade nicht Geschichstvergessenheit und Neue Sorglosigkeit meint, scheint mir der erste Schritt hin zu einer nüchternen Analyse, die Basis jeder Kritik und jedes politischen Kampfes sein muss.

imdb


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