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Seven Swords ist dringend als Abgrenzungsversuch zu verstehen, das formuliert sich im Bildverständnis. Der Film beginnt mit der Großaufnahme eines Schafs, vollendete rustikale Banalität. Im international jüngst kassen- und kunstverdachtsträchtig gewordenen Genre des wuxia pian verbietet sich ein solcher Beginn; gesucht wird dort derzeit die große Geste, das überbordende Bild, in Zeitlupe geronnene Melancholie und flattertuchumschmeichelter Farbenrausch. Seven Swords zeigt sich hingegen erdig und braun, sucht zwar zuweilen auch das Panorama zerklüfteter Berglandschaften, schiebt aber immer wieder das Detail dazwischen, wo der Dreck an Händen und in Gesichtern vom ländlich-chinesischen Leben im 17. Jahrhundert herrührt. Regisseur Tsui Hark ist als Meister des Bewegungsfilms bekannt, der seine Kamera mit ungeheurer Artistik in das dynamische Geschehen eindringen lässt und in der Montage schließlich wahre Wunder geschehen lässt; dies ist zu scheiden vom rein seines Inhalts wegen zu bestaunenden Gesamtbild, das im wuxia pian zuletzt fetischisiert wurde.

Am augenfälligsten ist Tsui Harks unbedingter Distinktionsversuch in den wenigen Momenten, in denen er Zeitlupe verwendet: Während hier andere Beiträge zum Genre die frames per seconds in Höhen treiben, wo sich noch jedes Detail im Bewegungsablauf, jede Tuchwallung und jede Geste zum Ausdruck des erhaben Entrückten aufschwingt, scheint Tsui Hark bewusst eine niedrigere Anzahl verwendet zu haben: Das Zeitlupenbild weist Bewegungsschlieren auf, Verschwommenheiten. Bezeichnend für einen Film, der, wie zuletzt kaum ein anderer im Actionkino, wieder (wenn auch nicht vollends konsequent) auf Indexikalität setzt, auf die Verbindlichkeit der profilmischen Gegebenheit. Dies übersetzt sich zugleich in Tsui Harks Verständnis von Gewalt im Film: Hier fliegen abgeschlagene Arme und Beine, das Blut aus gewaltsam geöffneten Kehlen ist dunkel und gritty. Bei Hark schmerzt es wieder (oder, anders ausgedrückt, in einem Werk, das wie kaum ein anderes auf allen Ebenen von der konkreten Physis von Körperlichkeit fasziniert ist, schmerzt es noch immer), wo andere, kunstbeflissenere Beiträge einem was von der vermeintlichen Schönheit gewalttätigen Sterbens für Ideologien erzählen wollen. Zwar ist auch Seven Swords nicht völlig frei von Spiritualität; schon die Verortung im chinesischen Epos gebietet dies. Doch spirituell aufgeladene, letzten Endes nur staatstragende Ideologie ist Tsui Harks Sache nicht. Es tut gut zu sehen, dass einer der einstigen jungen Wilden des Hongkong-Kinos, der für Kompromislosigkeit und Obsession bekannt und berühmt ist, sich auch unter groß-budgetierten Bedingungen treu zu bleiben weiß.

Freilich, nicht alles ist gelungen, schon aus Autorenperspektive nicht. Man kann bemängeln, dass bei Tsui Hark die Action früher markanter, faszinierender, von einer megalomanen Obsession gezeichnet war (in Time and Tide beispielsweise, der an Grenzen des Filmemachens rührte, die selbst noch der rabauzigste US-Blockbusterfilm nicht mal ins Gesichtsfeld kriegt ), die sich in Seven Swords nur schwerlich ausmachen lässt. Sicher, Blade, Tsui Harks düsteres, höchst schwules bis schwüles Remake vom One-Armed Swordsman, war dunkler, rauher, drastischer, von der auf Mägen schlagenden Härte seines frühsten Werkes mal ganz zu schweigen. Auch vom schier deliranten, darin aber zuckercharmanten und schlichtweg großartigen Peking Opera Blues, den man gesehen haben muss, um ihn als Filmwunder glauben zu können, bleibt Tsui Hark im Jahr 2005 weit entfernt. Warum das in Seven Swords erzählte Epos so zerhäckselt vermittelt werden muss, ist nicht recht einzusehen (aber vielleicht auch hier: Die Dissidenz im Herzen der Bestie); doch als Statement, als Selbstverortung, als Politik im chinesischen Film, vor der Kulisse des Genres, in dem Seven Swords situiert ist, als eine solche Geste also ist Tsui Harks Beitrag ein wichtiger.

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Zum Inhalt:
China im 17. Jahrhundert: Die Mandschu erobern das Großreich und begründen die Ching-Dynastie. Überall kommt es zu Aufständen, deshalb verbieten die neuen Machthaber Studium und Ausübung der traditionellen Kampfkünste. Mit grausamer Härte setzt ein sadistischer General die neuen Gesetze um. Seine Söldner - unter ihnen eine besonders blutrüstige Kriegerin - töten jeden, der auch nur im Entferntesten etwas mit den Kampfkünsten zu tun haben könnte. Für jeden Toten - ja selbst für Kinder und Greise - kassieren sie ein Kopfgeld. Als die Blutspur schließlich auch den letzten Zufluchtsort der Kampfkunsttradition, ein abgelegenes Dorf, zu erreichen droht, rüstet sich ein ehemaliger Offizier zum Widerstand. Am Himmelsberg versammelt er sechs virtuose Schwertkämpfer - darunter die schöne Wu Yuanyin - um sich, um den Unterdrückern die Stirn zu bieten. Von nun an sind sie "Die sieben Schwerter". Mutig stemmen sie sich gegen den Feind, der immer näher rückt. Dabei ahnen sich nicht, dass ein Spion in ihrer Mitte Sabotage betreibt, und dass ein Liebesdreieck Chaos stiften wird, wenn der Kampf um Leben und Tod in seine entscheidende Phase tritt... (Quelle: Universum Film)

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kommentare dazu:



soralis, Mittwoch, 27. September 2006, 15:02
Nur schade, dass das hier in der Provinz nicht zu sehen sein wird. Dafür läuft an sage und schreibe fünf Kinos das Parfüm.
Ich vermisse die Vielfalt der Großstadt, gerne auch mit Idomeneo, auch wenn es schon eine dermaßen idiotischer Plot von Mozart ist, für seine eigene Errettung aus wütender See, meinen zu müssen, seinem Gott ein anderes Menschenleben opfern zu müssen. Das da am Ende stattdessen die Götter und Religionsführer geopfert wurden , die Häupter ostentativ drappiert auf Stühlen, war schon ein unserer Zeit angemessener Kunstgriff des Regisseurs. Diese Volte ist nichtsdestotrotz in der Welt,- als ein Pyrrhussieg aufgeklärter Kultur.


thgroh, Mittwoch, 27. September 2006, 15:10
Das Drama von Seven Swords zumindest hierzulande ist nun freilich, dass er zwar seit langem und zunächst für den Januar 2006 als Kinofilm angekündigt war, dann immer wieder verschoben wurde - schließlich auf: Termin unbekannt - und nun doch in Deutschland ausgewertet wird; allerdings nur auf DVD, vermutlich um wenigstens die Lizenzkosten für einen Film wieder reinzukriegen, an dessen Kinoerfolg offenbar keiner glauben wollte. Die Befürchtung mag vielleicht sogar richtig sein, da Seven Swords in der Tat auf ganz eigene Weise sperrig ist und krumm steht. Hark will dazu sechs Fortsetzung drehen; mal schauen, ob er das durchdrücken kann - zu wünschen wäre es.

Als Surrealist und Freund des Burlesken und Grotesken, zumal des Grand Guignol, sind mir Beiträge wie Idomeneo natürlich erst einmal genehm, auch wenn ich im Traum nicht darauf gekommen wäre, mir die Aufführung anzusehen. Dafür ist mir Mozart schon herzlich wurscht und abgeschlagene Köpfe könnte man sich auch zur Not per filesharing runterladen (nur was für eine Not wäre das!). Der ganze Ärger drumrum ist natürlich mal wieder - von allen beteiligten Seiten aus - viel Luft um nichts; allerdings halte ich es für ein falsches Signal (an Trittbrettfahrer und Maulhelden, die gerne anoynme Zettelchen schreiben) den Schwanz einzuziehen. Kunst ist frei - und jeder zurückgewichener Millimeter vor wem auch immer ist ein historischer Rückschritt.

(wobei das alles natürlich, wenn man sich mal den heutigen Perlentaucher anschaut, an Dämlichkeit und Idiotie kaum mehr steigerbar ist; die ganze Sache ist ein Bärendienst)


soralis, Mittwoch, 27. September 2006, 15:42
Na ja, und ich muss zugestehen, dass Mozarts Plot aus der griechischen Mythologie entnommen ist, wie eine Recherche im eigenen Archiv ergab.
Wäre also geblieben eine großartige Musik und eine herausragende Neuinterpretation des Librettos durch Hans Neuenfels.
Stattdessen mal wieder eine Blamage, die bis über den Atlantik schwabbt. Ach Deutschland...



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