06.05.2004, Heimkino
[ Inhaltsangabe | Trailer ]

"Deadock ist fantastisch. Ein bizarrer, glühender Film.", meint Alexandro Jodorowsky, der - Zufall? - im gleichen Jahr seinen mindestens ebenso fantastischen El Topo (Mexiko 1970) gedreht hat.

Deadlock zehrt deutlich von den Vorgaben des Italowesterns, doch gibt er sich in einer Zeit, in der dieser seinen Höhepunkt eigentlich schon überschritten hatte, nicht damit zufrieden, einfach nur noch eine weitere Geschichte aus dem 19. Jahrundert im Staub der mexikanischen Sierra zu erzählen. Im Gegenteil: Er verfrachtet eine düstere, von Camus wie von Beckett inspirierte Gangstergeschichte mit aktuellem Zeitbezug in jene Kulisse, wie man sie aus den italienischen Western kennt: Staub, Zerfall, Dreck, Schweiß, grobes Textil, karge Landschaft - geografisch wie physiognomisch.

Eine tödliche Figurenkonstellation mitten im Niemandsland, weit weg von sozialen Verbindlichkeiten. Die bizarre Leere der Landschaft entspricht der Leere der Figuren, ihres Handelns, ihrer Ziele. Ein Batzen Geld (dessen Geschichte wir nicht kennen, nur natürlich: ehrlich verdient wurde es nicht), ein Wagen, ein, zwei Gewehre bestimmen die Figuren, um diese Gegenstände kreist sich alles. Ein unbedachter Schritt zuviel bedeutet den Tod. Der trottelige, irgendwie zwar gutmütige, dennoch denkbar unsympathische Pechvogel Charles Dump (Mario Adorf) bekommt dies bald zu spüren. Die anderen beiden: Undurchdringliche Fassaden, wortkarg, was mag in ihren vorgehen, wo kommen sie her? Auf was beziehen sie sich, wenn sie kaum dechiffrierbar von "früher" erzählen? Ein tödliches Spiel liegt in der Luft, in Gesten und Worten. Zwei Frauen am Rande noch, beide bizarr, die eine grotesk, die andere geheimnisvoll. Der Western hat immer auch mit Landschaft zu tun, natürlich auch mit Frauen - beide wollen erobert werden. Die eine wurde vor langer Zeit erobert und ist es nun nicht mehr, die andere wird erobert werden, aber zu welchem Preis? Diese Frage wird beiden gestellt werden dürfen: Eroberter und Eroberer.

Sonne. Harte, unnachgiebige, alles verbrennende Sonne. So beginnt der Film. Er beginnt wie andere enden und gibt damit das Programm vor: In Deadlock ist alles schon zum Ende gekommen: Die Personen, die Stadt draußen in der Sierra, die Dinge, die Gesichter - selbst das Geld scheint alt und dreckig, vor allem aber: Jenseits des ökonomischen Kreislaufs. Was soll damit gekauft werden? Wenn der Überlebende am Ende Richtung Horizont geht, das Geld im Koffer, dann bewegt er sich auf Ruinen zu und nicht in einen romantischen Sonnenuntergang - hier gibt es nichts, was Geld kaufen könnte, es ist eigentlich nur buntes Papier im Angesicht einer Apokalypse, die der stete kosmische Bezug zur Sonne anzudeuten scheint. Wenn der Bösewicht die Stadt erreicht, ist sein Name "Sunshine" - er trägt schwarz, einen Rollkragenpullover - Existenzialist, Nihilist. In Deadlock ist alles schon vorher geschehen, alles nur noch Echo. Und er riecht nach von der Sonne ausgedörrtem Fleisch, nach altem Schweiß und jahrhundertaltem Staub, der sich auf Zungen legt, dort jeden Nerv abtötet.

Was Roland Klick hier geschaffen hat, ist mit Worten eigentlich kaum zu beschreiben. Man möchte "Meisterwerk" sagen und hätte damit vermutlich Recht. Wäre diese Floskel nur nicht so unendlich schal. Vielleicht hätte ich es mit den Worten Jodorowskys, einem der letzten großen Kinomystiker, auf sich beruhen lassen sollen. Das permanente, absurde Scheitern, das Deadlock in Bilder fasst, setzt sich jenseits der Leinwand, des Bildschirms fort. In Permanenz.

imdb | Roland Klick:Portrait | rolandklick.de


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