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Nach dem eher verhalten aufgenommenen Eröffnungsfilm La Mala educación (Spanien 2004) von Pedro Almodóvar, wurde der Wettbewerb mit Nobody Knows (Japan 2004) fortgesetzt. Regisseur Hirokazu Kore-Eda zeichnete bereits für die Filme After Life (J 1998, hier meine Kritik für F.LM) und Maborosi (J 1995) verantwortlich und erhob bereits hier die formale Reduktion zu seinem Erkennungsmerkmal. In Nobody Knows treibt er diese, dem Vernehmen nach, auf die Spitze und erzählt in knapp zweieinhalb Stunden die tragische Geschichte von vier von der Außenwelt abgetrennt aufgezogenen Halbgeschwistern, deren gemeinsame Mutter die Kinder in der Tokioter Wohnung zurücklässt, um einen anderen Mann zu heiraten.

Hier die offizielle Vorstellung des Films auf der Website des Festivals.

Die deutsche Presse reagiert auch hier eher verhalten: Daniel Kothenschulte (FR) empfand die Szenen oft als "quälend langsam" und erwartet in diesen nicht selten "nur das Schlimmste", doch "widersteht Kore-eda lange der Versuchung, diese Schreckenserwartung zu erfüllen." Die "Langlebigkeit der Hoffnung", um die es Kore-Eda ginge, hätte man "in dieser Form noch nie erfahren." Ein namenlos bleibender Autor (Schulz-Ojala?) des Tagesspiegels stellt fest, dass der Film zwar " groß und konzis" beginne, seine Geschichte aber irgendwann "nur noch pflichtgemäß zum düsteren Ende zu führen" scheint. Es gäbe so "wenig Überraschendes [...] in den Bildern zu entdecken", dass man den Film sich auch gut "erzählen lassen könnte". Erfreut ist er aber über den "überzeugend ernsthaften Ton", den beide ersten Wettbewerbsfilme angeschlagen hätten. Rüdiger Suchsland (artechock) hat in dem Film bereits einen Festivalfavoriten ausgemacht und schwärmt von einer "magische[n] Odyssee der Weltentdeckung". In der FAZ erzählt Kilb den Film eigentlich schon ein Stück zuviel nach und bemängelt als "Problem des Films" seine "Erwachsenensicht": "Statt sich ganz auf die Perspektive der Kinder einzulassen, greift Hirokazu zwischendrin immer wieder zu Einstellungen, die einen topographischen oder soziologischen Überblick geben sollen, aber letztlich nur die Reinheit seiner Erzählung zerstören." Der Film nähme seinen eigenen Titel nicht ernst: "er weiß immer ein bißchen zuviel", wodurch er "manchmal nur altklug" wirke.

A.O.Scott (New York Times) schätzt an Kore-Edas Arbeit, dass er "directs his dry-eyed young actors with an extraordinary mixture of tenderness and detachment, hovering between the children's point of view and that of a stricken, sympathetic adult". Zwar sei der Film lang und langsam, "but somehow your attention never slackens" (und Almodóvars Film sei im übrigen "gorgeous, erotic and quietly pessimistic"). Ray Bennett (Hollywood Reporter) zeigt sich vor allem von den Leistungen der jungen Darsteller begeistert, empfand das Erzähltempo zuweilen aber als "maddening" und meint, der Film sei, trotz aller Stärken, eine halbe Stunde zu lang geraten. "Kore-Eda's film starts promisingly", schreibt Peter Brunette für indieWire, doch stehe der Film sich selbst im Weg: "a happy-faced banjo-like theme on the soundtrack that clashes annoyingly with the tough neo-realist approach" und Kore-Edas Hang zur offensichtlichen Symbolik ("over-obvious and tiresome") werden als Argument angeführt - "the audience's interest collapses". Roger Ebert sieht sich als vom jet lag noch mitgenommener, aber tapferer Zuschauer belohnt: "What's best about it is the one thing you'd never find in a more commercial version of this story: its avoidance of contrived melodrama and its patience in showing how the children slowly realize they are entirely on their own." Auch Peter Bradshow vom Guardian war von den jungen Darstellern tief bewegt.

Derzeit läuft im Grand Théâtre Lumière der Wettbewerbsfilm Consequences of Love (Italien 2004) von Paolo Sorrentino - hier die Vorstellung, morgen wissen wir mehr (Kothenschulte verrät schon mal: " ein herrlich erfundener, wenn auch letztlich nichtsnutziger Gangsterfilm und ein herrliches Spiel mit reduzierter Körpersprache").

mrqe


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