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In der lediglich Akkreditierten und Branchenbesuchern zugänglichen Sektion "German Cinema" wurde auch Dominik Grafs neuer Film Das Gelübde, wenn ich das richtig überblicke eine Fernsehproduktion mit bislang nicht festgelegten Erstausstrahlungstermin, gezeigt. Ein eigenartiger, flirrender, aber schöner Film.

Basierend auf dem Kurzroman des Fantasy-Schriftstellers Kay Meyer (hier sein Weblog), den ich allerdings nicht gelesen habe, erzählt er von der historischen, um fiktionale Elemente erweiterten Begegnung des romantischen Schriftstellers Clemens Brentano mit der 2004 seliggesprochenen Nonne Anna Katharina Emmerick im Jahr 1819 im Westfälischen vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen zwischen frommem Katholizismus und Anti-Aufklärung auf der einen Seite, preußische Disziplin und Fortschrittsglaube auf der anderen. Die Stigmata der Emmerick und ihre Visionen treiben den frisch zur Frömmigkeit gefundenen Romantiker und Ex-Lebemann dazu, sich hinter alle Kunst zu stellen und als braver Protokollant die Trance-Reden der Nonnen aufzuschreiben. Das Buch Das bittere Leiden unsers Herrn Jesu Christi ist Zeugnis dieser jahrelangen Schreibarbeit und zudem wohl, wenn man diversen Websites und der Wikipedia zum Thema Glauben schenken darf, Inspiration für die Grausamkeiten in Mel Gibsons blödsinnigen Jesus-Gewaltporno The Passion of the Christ.

Die Begegnung ist schicksalsschwer: Brentano, als Seitenwechsler vom Preußentum zu religiös informierter Mittelalterromantik, erscheint als Figur seiner Zeit, in denen sich die seinerzeitigen historischen Frontstellungen aufreibend manifestieren. Brentano, so wird es wenigstens impliziert, geht eine eigenartige Liebesgeschichte zu der Nonne ein, über der er seine eigene Liebe aufs Spiel setzt und verliert, erkrankt schwer und ergeht sich in allerlei Wahnsinn, wie er Romantiker - Hölderlin im Turm - gern ereilt. Graf setzt dies nicht brav nach Lehrbuch um, sondern verleiht auch seinem Film eine Tendenz zum Irrealen, Enthobenen und Gleitenden.



Nonnen, Wahnsinn, Teufelei, das Vexierspiel aus Zucht und Unzucht vor Kulisse des 19. Jahrhunderts: Das gab's schon einmal in der Filmgeschichte, im später so genannten Nunsploitation-Film vornehmlich italienischer Herkunft. Nun wäre es wohl vermessen, Grafs Film wegwischend in eben diese Tradition zu stellen, doch scheint er, unter Deutschlands namhaften Regisseuren dem kernigen Genre-Handwerk noch am ehesten verpflichtet, von diesem zumindest informiert zu sein, wenn er Das Gelübde als stark assoziativ geschnittenen Film inszeniert und dabei auffallend oft das Stilmittel des Zooms - eigentlich verpönt, im italienischen Genrekino aber gang und gäbe, beim Spanier Jess Franco, der selbst einige Nonnenfilme gedreht hat, zur deliranten Kunst gereift - einsetzt: Immer folgt das Bild den Aufmerksamkeiten und Gedanken der Protagonisten, wenn die Montage Aspekte der Handlung krass betont und schnelle Zooms Affekte umsetzen; das leicht grobe Korn des Filmmaterials, die Ausstattung und der immer leicht irrealisierende Gestus der Inszenierung erinnern zudem auf sehr sympathische Weise an das Genrekino der 70er Jahre.

Das Gelübde ist auf gewisse Weise ein Gegenton im deutschen Fernsehfilmschaffen. Orientiert ist er an der etwas rabiateren Genretradition, dennoch ist er auf das nicht zu reduzieren, denn es ist ihm durchaus auch um Kunst zu tun, wenngleich er vom spröde protestantisch anmutenden Kunstfilm mit Aussagecharakter deutscher Provenienz nicht das geringste wissen will.

Graf erweist sich einmal mehr als verlässlicher Maverick der hiesigen Filmproduktion. Zu hoffen bleibt, dass dieser schöne Film nicht dazu verdammt wird, bloß auf Fernsehbildschirmen zu verhungern, sondern auch, denn hier entwickelt er Qualität, im Kino zu sehen sein wird.


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