Zugegeben, wer Tron: Legacy nicht mag, bekommt von der Produktion geradezu luxuriöse Steilvorlagen geboten: Wenn Sam Flynn, Sohn des Programmieres aus Teil 1, der hier, wie man anfangs erfährt, seit rund 20 Jahren nicht mehr gesehen ward, in das "Raster" der Tronwelt gezogen und seinen Anzug verpasst bekommt, dann murmelt er: "This can't be good." Wenn Kevin Flynn, der seit 20 Jahren als Deus in Machina in der Tronwelt haust, seine Computerspielfigur "Tron" als verböst korrumpiert wiedersieht, murmelt er: "Tron, what has become of you?" Und die Tagline des Films lautet schließlich: "The Game has changed." Wie sich der Film, teils wirklich nervig, da vollkommen stillos, in Onelinern suhlt, so darf der Durchschnittsnerd den Film in Onelinern verreißen.



Natürlich ist Tron: Legacy über weite Strecken Mumpitz. Zeichnete sich Tron seinerzeit nicht nur durch eine radikal neue Ästhetik und eine vergleichweise singuläre Position im Sciencefiction-Film aus, ist Tron:Legacy vor allem ein Parkoursritt durch die SF-Geschichte: Da liegen Bücher von Jules Verne im Regal, 2001: A Space Odyssey wird schmerzhaft lange sehr direkt und sehr nutzlos zitiert, es hagelt Zen-Buddhismus-Westentaschenphilosophie wie seinerzeit in den Matrix-Sequels, dazu gesellen sich Anleihen bei Star Wars und Herr der Ringe. Auch die Vater-Sohn-Geschichte ist herzhaft uninteressant und wird teils quälend plump in langen Dialogpassagen aufs Brot geschmiert. Die Message selbst - weg von der Technik, mal wieder im Wald spazieren gehen - wird dabei von Ästhetik und Look des Films von vornherein auf eine Weise desavouiert, die eigentlich unbeschreiblich ist.

Und dennoch: Tron: Legacy bedarf der Intervention, muss in Schutz genommen werden vor einer Kritik, die lediglich über solche Punkte zu ihrem Urteil kommt. Denn so schlecht Tron: Legacy als Plotfilm sein mag, so hervorragend ist der auf zweiter Ebene ins Geschehen eingewebte, ich will fast sagen: eigentliche Film. Immer wenn Tron: Legacy die öden Pfade des Fabulierens verlässt und minutenlang nichts anderes will, als durchdesignte Objekte in klar definierten Bewegungsabläufen zu zelebrieren, wird der Film auf wunderbare Weise hypnotisch schön.

Es ist ein selbsgefälliges L'art pour l'art, vom Zwang über Mikroebene hinaus zu erzählen gänzlich befreit, das Tron: Legacy zumal unter technologischen Bedingungen eines Multiplexkinos mit glasklarem Sound, glasklarer Optik und Formvollendung suchenden 3D-Bildern auszeichnet. Eine wichtige Komponente ist dabei der Soundtrack von Daft Punk, der den Retro-Synthsound der frühen 80er aufs heutige technische Niveau bringt und darüber hinaus noch weiter blickt, in die 70er, sehr häufig: zu Tangerine Dream.

Rein ästhetisch ergibt sich dadurch höchst Merkwürdiges. Die Technophobie des Plots verehelicht sich mit einer ungebremsten Technikbegeisterung bei Bild und Ton, Trauzeuge ist der Retro-Technoutopismus des ästhetischen Projekts von Daft Punk. Es ist ein Klingen und Wabern, ein Gedicht aus Licht und Form, die Suche nach der unbedingten Makellosigkeit, die Tron: Legacy - aber eben nur phasenweise - zum Erlebnis machen. Das perfekte (ästhetische) System, das den eigenen Todestrieb über die Plotebene schon mitbringt.



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