Thema: Filmtagebuch
12. Oktober 11 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
Im folgenden die kurze Einführung, die ich am 10.Oktober 2011 vor der Vorführung von Jess Francos Venus in Furs bei den "Freunden des schrägen Films" gehalten habe.
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Wenn Meeresschaum junge Frauen ans Land spült, sind die Verlockungen der Liebe nicht weit. In Hesiods Theogonie, den Göttermythen der alten Griechen, tritt Aphrodite, die Göttin der Liebe, später Venus genannte, als Schaumgeborene aus dem Meer an den Strand Zyperns. Und Hesiod zögert nicht, sogleich ihren Liebreiz und ihr Lächeln zu preisen, wohl aber auch ihre betörende List, der ausnahmslos alle erlegen, wie jeder weiß, der den Rausch der Liebe kennt.
Auch am Anfang des gleich gezeigten Films spült das Meer eine Frau an Land – zwar ungleich lebloser, übt sie auf den Jazztrompeter Jimmy dennoch eine nicht mindere Faszination aus. Wie man kurz zuvor erfährt, ist der Mann zerrüttet und mit der Realität nicht mehr recht verhaftet. Von der Realität will auch der Film im folgenden nicht mehr viel wissen – die Zeitebenen wirbeln in der Montage oft durcheinander, der Zeitfluss wird lückenhaft. Es geht von Istanbul nach Rio de Janeiro, wo die tote Frau, Wanda, rätselhafter Weise wieder auftaucht, diesmal äußerlich lebendig, aber mit kalt glänzenden Augen.
Eine berechnende Liebesgöttin. Oder doch eher Rachegöttin, die mit den Mitteln einer Liebesgöttin arbeitet: Wie sich bald herausstellt, war sie in Istanbul im Laufe einer erotisch-dekadenten Seance ermordet worden und zählt nun reihum ab, wer an der Sache beteiligt war.
Wer sich auskennt in der Literaturgeschichte, weiß spätestens jetzt, dass uns heute abend keine Verfilmung von Leopold von Sacher-Masochs Roman Venus im Pelz erwartet. Die Geschichte vom nervösen Severin, der in den Karpaten auf die schöne Wanda trifft und in ihr sein Ideal einer strafenden Herrin im Pelz sieht, die ihren Liebhaber unter die Knute zu nehmen versteht, gab zum einen dem Masochismus seinen Namen und würde zum anderen gut ins von sexuellen Perversionen und Obsessionen geprägte Werk Jess Francos passen. In diesem Fall aber ist der amerikanische Verleiher zu beschuldigen, der sich von dem Titel einen schnöden Finanzvorteil versprach. Franco selbst zieht den Filmtitel Black Angel vor, Elemente aus von Sacher-Masochs Roman sind sowieso nur in Spuren zu finden.
Eine schöne Frau, die Männer wie Frauen mit den Liebreizen ihres Körpers umgarnt,um Rache zu üben – eines der vielen Standardmotive in Jess Francos Werk, zu denen etwa auch die typische und hier ebenfalls vertretene Nachtclubszene zählt. In einem Interview sagte Franco einmal, dass er von seinen Filmen eine nicht allzu hohe Meinung habe. Und ich denke jeder, der sich wahllos auf Gutglück ein paar seiner immerhin rund 260 Filme herausgepickt und zu Gemüte geführt hat, wird bestätigen können, dass sich in diesem gigantischen Werk, vorsichtig ausgedrückt, die eine oder andere Kröte versteckt hält. Im selben Interview sagte er aber auch, dass er sich, müsste er drei Filme aus seinem Werk für die Nachwelt erhalten, für Succubus, den im vergangenen Jahr in dieser Reihe gezeigten The Diabolical Dr. Z (a.ka. Miss Muerte) und den heute abend gezeigten Venus in Furs entscheiden würde.
Die Gründe für diesen Segen lassen sich am Film bestens nachvollziehen: Eine flirrend traumhafte Atmosphäre umgibt ihn, die Handlung verliert sich in einer fieberhaften Assoziationskette und ist dabei fast permanent von smoothen und entspannten, zuweilen ins irrlichternde abdriftenden Soundtrack umspült. Francos Kamera ist konzentriert wie selten, stellenweise gelingen grandiose ikonische Momente. Und das Spiel von Klaus Kinski, der hier in einer Nebenrolle ausgerechnet als Türke auftritt, ist auf jene Weise an- und überspannt, die viel Freude bereitet. Vom Standpunkt eines Attraktionskinos aus betrachtet, mag das alles sehr langweilig sein – große Sensationen, vom schwer psychedelischen Abschluss vielleicht abgesehen, finden sich hier nicht. Vielleicht sind Jess Francos ständige Cameoauftritte als Mitglied einer Bar-Jazzband ein Hinweis darauf, dass man sich diesem Film sowieso eher musikalisch nähern sollte, vielleicht so, wie wenn man eine Musikplatte spätnachts auflegt, um sich darin entspannt und interesselos zu verlieren.
Für eine solche Rezeptionshaltung sind die Stühle des Kino Babylon zugebenermaßen vielleicht nicht die beste Voraussetzung. Was mich aber nicht hindern soll, uns eine gute Projektion zu wünschen.
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Wenn Meeresschaum junge Frauen ans Land spült, sind die Verlockungen der Liebe nicht weit. In Hesiods Theogonie, den Göttermythen der alten Griechen, tritt Aphrodite, die Göttin der Liebe, später Venus genannte, als Schaumgeborene aus dem Meer an den Strand Zyperns. Und Hesiod zögert nicht, sogleich ihren Liebreiz und ihr Lächeln zu preisen, wohl aber auch ihre betörende List, der ausnahmslos alle erlegen, wie jeder weiß, der den Rausch der Liebe kennt.
Auch am Anfang des gleich gezeigten Films spült das Meer eine Frau an Land – zwar ungleich lebloser, übt sie auf den Jazztrompeter Jimmy dennoch eine nicht mindere Faszination aus. Wie man kurz zuvor erfährt, ist der Mann zerrüttet und mit der Realität nicht mehr recht verhaftet. Von der Realität will auch der Film im folgenden nicht mehr viel wissen – die Zeitebenen wirbeln in der Montage oft durcheinander, der Zeitfluss wird lückenhaft. Es geht von Istanbul nach Rio de Janeiro, wo die tote Frau, Wanda, rätselhafter Weise wieder auftaucht, diesmal äußerlich lebendig, aber mit kalt glänzenden Augen.
Eine berechnende Liebesgöttin. Oder doch eher Rachegöttin, die mit den Mitteln einer Liebesgöttin arbeitet: Wie sich bald herausstellt, war sie in Istanbul im Laufe einer erotisch-dekadenten Seance ermordet worden und zählt nun reihum ab, wer an der Sache beteiligt war.
Wer sich auskennt in der Literaturgeschichte, weiß spätestens jetzt, dass uns heute abend keine Verfilmung von Leopold von Sacher-Masochs Roman Venus im Pelz erwartet. Die Geschichte vom nervösen Severin, der in den Karpaten auf die schöne Wanda trifft und in ihr sein Ideal einer strafenden Herrin im Pelz sieht, die ihren Liebhaber unter die Knute zu nehmen versteht, gab zum einen dem Masochismus seinen Namen und würde zum anderen gut ins von sexuellen Perversionen und Obsessionen geprägte Werk Jess Francos passen. In diesem Fall aber ist der amerikanische Verleiher zu beschuldigen, der sich von dem Titel einen schnöden Finanzvorteil versprach. Franco selbst zieht den Filmtitel Black Angel vor, Elemente aus von Sacher-Masochs Roman sind sowieso nur in Spuren zu finden.
Eine schöne Frau, die Männer wie Frauen mit den Liebreizen ihres Körpers umgarnt,um Rache zu üben – eines der vielen Standardmotive in Jess Francos Werk, zu denen etwa auch die typische und hier ebenfalls vertretene Nachtclubszene zählt. In einem Interview sagte Franco einmal, dass er von seinen Filmen eine nicht allzu hohe Meinung habe. Und ich denke jeder, der sich wahllos auf Gutglück ein paar seiner immerhin rund 260 Filme herausgepickt und zu Gemüte geführt hat, wird bestätigen können, dass sich in diesem gigantischen Werk, vorsichtig ausgedrückt, die eine oder andere Kröte versteckt hält. Im selben Interview sagte er aber auch, dass er sich, müsste er drei Filme aus seinem Werk für die Nachwelt erhalten, für Succubus, den im vergangenen Jahr in dieser Reihe gezeigten The Diabolical Dr. Z (a.ka. Miss Muerte) und den heute abend gezeigten Venus in Furs entscheiden würde.
Die Gründe für diesen Segen lassen sich am Film bestens nachvollziehen: Eine flirrend traumhafte Atmosphäre umgibt ihn, die Handlung verliert sich in einer fieberhaften Assoziationskette und ist dabei fast permanent von smoothen und entspannten, zuweilen ins irrlichternde abdriftenden Soundtrack umspült. Francos Kamera ist konzentriert wie selten, stellenweise gelingen grandiose ikonische Momente. Und das Spiel von Klaus Kinski, der hier in einer Nebenrolle ausgerechnet als Türke auftritt, ist auf jene Weise an- und überspannt, die viel Freude bereitet. Vom Standpunkt eines Attraktionskinos aus betrachtet, mag das alles sehr langweilig sein – große Sensationen, vom schwer psychedelischen Abschluss vielleicht abgesehen, finden sich hier nicht. Vielleicht sind Jess Francos ständige Cameoauftritte als Mitglied einer Bar-Jazzband ein Hinweis darauf, dass man sich diesem Film sowieso eher musikalisch nähern sollte, vielleicht so, wie wenn man eine Musikplatte spätnachts auflegt, um sich darin entspannt und interesselos zu verlieren.
Für eine solche Rezeptionshaltung sind die Stühle des Kino Babylon zugebenermaßen vielleicht nicht die beste Voraussetzung. Was mich aber nicht hindern soll, uns eine gute Projektion zu wünschen.
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