Anfang Januar, UFA Kosmos; Inhalt.

Heist Movies haben ein grundsätzliches Problem, aus dessen Lösung sie primär ihren Reiz beziehen: Sie müssen schlauer als der Zuschauer sein. So wie die Gangster und Halunken in ihnen schlauer sein müssen als Alarmanlagen, gegnerische Teams, die Wächter der bürgerlichen Ordnung. Der Film und seine Stars sind Komplizen: Beide müssen sie tricksen. Die einen, um ans Geld zu kommen. Der andere, um an den Zuschauer zu kommen. Wer in ein Heist Movie geht, der will betrogen werden. Aber er will auch auf seine Kosten kommen. Der hingenommene Betrug ist nur solange von Genuss, wie er auch teuer erworben war. Heist Movies, die sich darum drücken, haben keine Chance, trotz allen guten Willens.

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Mit Ocean's Eleven hat Steven Soderbergh vielleicht den heist movie to end all heist movies gedreht. Noch durchgeknallter, hinterlistiger, spektakulärer, glamouröser, cooler ging nicht. Zumindest nicht, solange der Rahmen des Bildes außer Acht gelassen, nur als Gegebenheit, nicht aber als Möglichkeit betrachtet wird. "Jeder geschlossene Raum ist ein Sarg."

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Also ist in Ocean's Twelve: Alles anders. Europa. Das alte Europa. Eine sich in diesem verirrende, irrlichternde Kamera, der jedwede Gelassenheit abhanden gekommen ist. Die Helden von einst sind satt geworden. Eher Depression, denn der leichte Zungenschlag des Anything Goes bestimmt diese Bilder. Nur wenig gelingt wirklich, die Müdigkeit spricht aus diesen Gesichtern. Und auch Julia Roberts sieht nicht mehr so aus wie sie selbst.

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Full Frontal war der letzte Film von Steven Soderbergh, der in den hiesigen Kinos lief. Es war ein Film um Rahmen und Rahmungen, um Schachteln und Materialästhetiken. Ein Film, in dem die Position der Kamera einen Ort als Inneres eines Flugzeugs oder als Inneres eines Studios (mit einem Modell des Innern eines Flugzeugs darin) charakterisierte. Ein Film, der seine Ebenen ständig überlappen ließ und so seinen Inhalt offen ließ. Vielleicht hat er nie geendet, dies wäre eine Möglichkeit. In Ocean's Twelve findet er seinen Niederschlag, ist ungemein präsent. Als wären beide Filme miteinander verwoben (und sie sind es auch, letzten Endes, im Kopf ihres Regisseurs).

(ich muss an dieser Stelle zugeben, dass mir Full Frontal nicht gefallen hat.)

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In Ocean's Twelve gibt es ein Vor- und ein Hinter-dem-Bild. Der Film erzählt sich maßgeblich auf zweiter Ebene. Und das Vordere ist eine Welt, in der der Film nicht diegetischer Raum, sondern ganz sabotierbares Material, eben Film, ist. In The Limey konnte man diesem ungemein am Physischen des Films und dessen Organisation interessierten Ansatz Soderberghs bei der Arbeit zusehen. Über Full Frontal kehrt er zurück, auch wenn das erst vom Ende her betrachtet erkenntlich wird.

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Und andererseits ist Ocean's Twelve aber auch gar nicht Film im quasi-zweidimensionalen Sinne des Filmstreifens. Er erzählt von einer Welt, in der von der Postmoderne selbst schon wieder in Filmen erzählt werden kann, als wäre sie eine in jeder Hinsicht kontingente Pille, die man einwerfen und schlucken kann. "Erinnerst Du Dich an die Szene in Miller's Crossing...?", heißt es an einer Stelle. Ocean's Twelve spielt in einer Welt, die extra-diegetisch ist, und die die Möglichkeit besitzt, darin Ocean's Twelve zu inszenieren. Eine Welt, in der man sich selbst begegnen kann, eine Welt der konsequent doppelt gebrochenen Ironie.

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Ein Bild ist von besonderer Bedeutung: Es zeigt ein herannahendes Flugzeug im Landeanflug, aus Richtung der Landebahn geschossen. An sich ist das ein denkbar gewöhnlicher Bildinhalt. Das Besondere jedoch an diesem Bild: Die Kamera steht parallel zum Erdboden, das Bild steht im 90° Winkel zu seiner üblichen Ausrichtung. Doch das Flugzeug naht heran, die Kamera dreht sich mit und als das Flugzeug über die Kameraposition hinwegfliegt, blicken wir direkt nach oben, hin zu seinem Bauch. Das verschobene Bild hat sich durch eine simple Bewegung in eine normale Ansicht verwandelt, die man kennen kann. Doch das Flugzeug fliegt weiter, die Kamera rollt weiter und das Bild verschiebt sich wieder zurück in eine Verfremdung, die vom konzipierten Charakter des Bildes spricht. Was zunächst wie ein bloßes Kunststück eines formgewitzten Regisseurs anmutet, aber nicht wirklich etwas meinen muss, wird, allein über diese Bewegung, zum Schlüsselmoment, in dem sich die Methode des Films ablesen lässt: Nimm das übliche, verändere den Blickwinkel, ohne es selbst zu verändern, gebe dem Publikum das Vertraute zurück, wiege sie in Sicherheit, und lasse schließlich doch die Verschiebung Oberhand gewinnen.

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Ocean's Twelve ist eine Kakophonie des Scheiterns. Das ist neu für ein Heist Movie. Und doch ist alles alles andere als Scheitern. Der Film ist nicht in der Kadrage, wo wir ihn vermuten. Er steht woanders, jenseits dessen, von wo aus er uns lachend ansieht. Weil wir betrogen werden wollten, nicht betrogen zu werden glaubten und darüber erst der Betrug stattfand. Weil er den Rahmen beachtete, schlauer war als wir und eine paradoxe Logik seiner Selbst entwarf, in der hier wie dort zugleich sein kann.

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Ocean's Twelve ist ein ganz und gar unmöglicher Film. Süß ist es, dass er in den größten Sälen mit maximalem Erfolg hier lief. Dies ist nur ein weiterer Betrug.

imdb | angelaufen.de | filmz.de
filmtagebuch: steven soderbergh


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