Thema: Berlinale 2005
Der Film läuft in der Reihe "Carte Blanche" des Internationalen Forums des jungen Films.
Carte Blanche für Erika Gregor. Und die hat uns etwas mitgebracht. Aus Fernost, wo sie im letzten Jahr mit ihrem Gatten Ulrich, ebenfalls kein Unbekannter, auf dem Tokioter "FilmEx"-Filmfestival (ein offenbar erfrischend unabhängiges, das mit keinerlei öffentlichen Mitteln gestemmt wird und zum nunmehr 5. Male stattfand) gewesen ist und dort auf der Retrospektive Uchida Tomu für den Westen entdeckt hat. In der aktuellen Ausgabe von epdFilm lässt sich nachlesen, wie dort, seitens ihres Gatten, nur in höchsten Tönen von diesem japanischen Regisseur gesprochen wird. Und Erika Gregor war von Uchidas The Mad Fox so begeistert, dass sie sich gleich um eine Kopie für das Arsenal bemühte und das Forum den Film als Wunschfilm aufführen lässt (weitere langjährige Mitarbeiter des Forums haben ebenfalls einen Programmplatz zur freien Auswahl erhalten).
The Mad Fox ist sicherlich eine der großen filmhistorischen Entdeckungen, die man dieses Jahr auf dem Festival machen konnte. Formal zunächst sehr streng, dann aber zunehmend experimentell erzählt er die verwinkelte Wege beschreitende Geschichte von Yasuna, dem Lehrling des Astronoms Tomonori. Angesiedelt ist sie vor etwa 1000 Jahren. Nach einer Mondfinsternis, die als böses Omen gedeutet wird, herrscht Unruhe im Land. Tomonori soll im Auftrag des Kaisers eine chinesische Schriftrolle deuten, um darüber Erkenntnisse über das Omen zu gewinnen. Doch die Verhältnisse im Hause Tomonori liegen quer: Doman, der zweite Schüler des Gelehrten, intrigiert mit der Geliebten des Meister gegen diesen und bringt ihn um. Yasuna und Sakaki, Tomonoris Adoptivtochter, die mit Yasuna angebändelt hat, werden ebenfalls Opfer der Intrige: Sakaki stirbt unter Folter, Yasuna verfällt dem Wahnsinn, stiehlt dann aber die Rolle und tötet Tomonoris Geliebte.
Yasuna macht sich nun im Wahn auf der Suche nach Sakaki zu deren Geburtsort auf. Doch stößt er nur auf Kuzunoha, deren Zwillingsschwester, zu der er sich aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit Sasaki umgehend hingezogen fühlt. Auf der Jagd nach einer weißen Füchsin kommt Aku no Uemnon, der Doman unterstützt hatte, in die Gegend. Er entführt Kazunoha, nachdem Yasuna der weißen Füchsin (in Menschengestalt) das Leben gerettet hat. Zum Dank verwandelt sich die Füchsin in ein Ebenbild von Kazunoha, lebt fortan mit Yasuna zusammen und zeugt mit ihm einen Jungen. Eines Tages steht Kazunoha samt Familie vor der Tür ...
The Mad Fox ist eine Studie in Erzählformen. In Japan, wo man traditionell wenig Scheu davor hatte, Erzähl- und Kunstformen miteinander zu kreuzen, zu kombinieren oder sich gegenseitig zu bereichern, ist das, wie man auch auf dieser Berlinale nachvollziehen konnte (Retrospektive: Yukinojos Rache; Forum: Into the Picture Scroll – The Tale of Yamanaka Tokiwa), nichts ungewöhnliches. Der Film beginnt sogar ähnlich wie Into the Picture Scroll, mit einer Aufnahme einer Bildrolle, die langsam entrollt wird. Die Kamera folgt dem sich entfaltenden Bild (das jedoch ein "mehrzeitiges" und kein zeitlich in sich einheitliches) in einer langen Kamerafahrt. Verdeutlicht wird die Vorgeschichte - wie Sasaki an Tomonoris Haus kam - und das Initialmoment des Films: Als der Fuji-San ins Bild rückt, verfärbt es sich dunkelrot, so dass der ehrwürdige japanische Berg für einen Moment lang einem Vulkan gleicht. Die Kamera zieht weiter und zeigt den blutroten Mond und ohne wirklichen Bruch springen wir von der Bildrolle in die diegetische Wirklichkeit des Films.
Diese nun ist eine Sphäre, die lange nicht verlassen wird und aufgrund der immer neuen Wege, die die Handlung einschlägt, zum Teil auch etwas Geduld für sich beansprucht. Eine Übung im karg inszenierten Historiendrama; lange, leicht distanzierte Einstellungen. Doch dann, als Yasuna dem Wahnsinn verfällt (der hier nun eben nicht reißerisch vermittelt wird, sondern einfach einen anderen, etwas entrückten Zustand meint, der sich an die Membrane der eigentlichen Wirklichkeit nurmehr von außen anschmiegt), wechselt der Tonfall und ähnlich wie seine Handlung klappt nun auch die inszenatorische Gestaltung des Films von einem Modus zum nächsten über. Wir bewegen uns durch ein örtlich nicht gebundenes Blumenmeer - ein inneres Bild. Die weißen Füchse - shapeshifter - werden oft durch Zeichentrickanimationen dargestellt, die schnell durch das Bild huschen. Oder sie sind kleine Flämmchen, die sich durch die Physik des Bildes schmeicheln. Und irgendwann wird ein Vorhang zurückgezogen und wir schauen auf eine Bühne, reine Holzkulisse ringsum.
Das Schöne daran ist, dass auch hier nicht geheischt, sondern einer beinahe schon wieder asketischen Ökonomie des Wechsels gefolgt wird. Bemerkenswerterweise schnippt die Instanz des Films immer passgenau in jenem Moment mit dem Zauberfinger, wenn man sich in der "neuen" Welt eingerichtet hat (oder sich vielleicht auch ob des gemächlichen Tempos zu langweilen beginnt - am Tag 9 eines Festivalmarathons sei dies verziehen). Und da jede Idee die vorangegangene um Nuancen toppt, ist man dann wieder plötzlich hellauf begeistert und ganz mittendrin. Die Konsequenz dieses Umklappens bringt das Theaterbild schließlich zum Höhepunkt, wenn das ganze Set in sich ein- und umstürzt, kontrolliert natürlich und an den richtigen Fäden gezogen, so dass ein Neues entsteht.
Dann hat der Film sein Ende gefunden und man ist froh, die von Erika Gregor im Begleittext angeratene Geduld mitgebracht zu haben. Ein schöner, entdeckenswerter Film; dass er nun auch in der "Magical History Tour" des Arsenals regelmäßig zu sehen sein wird, ist für die ambitionierte filmhistorische Reihe des Hauskinos der Deutschen Kinemathek ein großer Gewinn.
imdb | infos vom forum
Carte Blanche für Erika Gregor. Und die hat uns etwas mitgebracht. Aus Fernost, wo sie im letzten Jahr mit ihrem Gatten Ulrich, ebenfalls kein Unbekannter, auf dem Tokioter "FilmEx"-Filmfestival (ein offenbar erfrischend unabhängiges, das mit keinerlei öffentlichen Mitteln gestemmt wird und zum nunmehr 5. Male stattfand) gewesen ist und dort auf der Retrospektive Uchida Tomu für den Westen entdeckt hat. In der aktuellen Ausgabe von epdFilm lässt sich nachlesen, wie dort, seitens ihres Gatten, nur in höchsten Tönen von diesem japanischen Regisseur gesprochen wird. Und Erika Gregor war von Uchidas The Mad Fox so begeistert, dass sie sich gleich um eine Kopie für das Arsenal bemühte und das Forum den Film als Wunschfilm aufführen lässt (weitere langjährige Mitarbeiter des Forums haben ebenfalls einen Programmplatz zur freien Auswahl erhalten).
The Mad Fox ist sicherlich eine der großen filmhistorischen Entdeckungen, die man dieses Jahr auf dem Festival machen konnte. Formal zunächst sehr streng, dann aber zunehmend experimentell erzählt er die verwinkelte Wege beschreitende Geschichte von Yasuna, dem Lehrling des Astronoms Tomonori. Angesiedelt ist sie vor etwa 1000 Jahren. Nach einer Mondfinsternis, die als böses Omen gedeutet wird, herrscht Unruhe im Land. Tomonori soll im Auftrag des Kaisers eine chinesische Schriftrolle deuten, um darüber Erkenntnisse über das Omen zu gewinnen. Doch die Verhältnisse im Hause Tomonori liegen quer: Doman, der zweite Schüler des Gelehrten, intrigiert mit der Geliebten des Meister gegen diesen und bringt ihn um. Yasuna und Sakaki, Tomonoris Adoptivtochter, die mit Yasuna angebändelt hat, werden ebenfalls Opfer der Intrige: Sakaki stirbt unter Folter, Yasuna verfällt dem Wahnsinn, stiehlt dann aber die Rolle und tötet Tomonoris Geliebte.
Yasuna macht sich nun im Wahn auf der Suche nach Sakaki zu deren Geburtsort auf. Doch stößt er nur auf Kuzunoha, deren Zwillingsschwester, zu der er sich aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit Sasaki umgehend hingezogen fühlt. Auf der Jagd nach einer weißen Füchsin kommt Aku no Uemnon, der Doman unterstützt hatte, in die Gegend. Er entführt Kazunoha, nachdem Yasuna der weißen Füchsin (in Menschengestalt) das Leben gerettet hat. Zum Dank verwandelt sich die Füchsin in ein Ebenbild von Kazunoha, lebt fortan mit Yasuna zusammen und zeugt mit ihm einen Jungen. Eines Tages steht Kazunoha samt Familie vor der Tür ...
The Mad Fox ist eine Studie in Erzählformen. In Japan, wo man traditionell wenig Scheu davor hatte, Erzähl- und Kunstformen miteinander zu kreuzen, zu kombinieren oder sich gegenseitig zu bereichern, ist das, wie man auch auf dieser Berlinale nachvollziehen konnte (Retrospektive: Yukinojos Rache; Forum: Into the Picture Scroll – The Tale of Yamanaka Tokiwa), nichts ungewöhnliches. Der Film beginnt sogar ähnlich wie Into the Picture Scroll, mit einer Aufnahme einer Bildrolle, die langsam entrollt wird. Die Kamera folgt dem sich entfaltenden Bild (das jedoch ein "mehrzeitiges" und kein zeitlich in sich einheitliches) in einer langen Kamerafahrt. Verdeutlicht wird die Vorgeschichte - wie Sasaki an Tomonoris Haus kam - und das Initialmoment des Films: Als der Fuji-San ins Bild rückt, verfärbt es sich dunkelrot, so dass der ehrwürdige japanische Berg für einen Moment lang einem Vulkan gleicht. Die Kamera zieht weiter und zeigt den blutroten Mond und ohne wirklichen Bruch springen wir von der Bildrolle in die diegetische Wirklichkeit des Films.
Diese nun ist eine Sphäre, die lange nicht verlassen wird und aufgrund der immer neuen Wege, die die Handlung einschlägt, zum Teil auch etwas Geduld für sich beansprucht. Eine Übung im karg inszenierten Historiendrama; lange, leicht distanzierte Einstellungen. Doch dann, als Yasuna dem Wahnsinn verfällt (der hier nun eben nicht reißerisch vermittelt wird, sondern einfach einen anderen, etwas entrückten Zustand meint, der sich an die Membrane der eigentlichen Wirklichkeit nurmehr von außen anschmiegt), wechselt der Tonfall und ähnlich wie seine Handlung klappt nun auch die inszenatorische Gestaltung des Films von einem Modus zum nächsten über. Wir bewegen uns durch ein örtlich nicht gebundenes Blumenmeer - ein inneres Bild. Die weißen Füchse - shapeshifter - werden oft durch Zeichentrickanimationen dargestellt, die schnell durch das Bild huschen. Oder sie sind kleine Flämmchen, die sich durch die Physik des Bildes schmeicheln. Und irgendwann wird ein Vorhang zurückgezogen und wir schauen auf eine Bühne, reine Holzkulisse ringsum.
Das Schöne daran ist, dass auch hier nicht geheischt, sondern einer beinahe schon wieder asketischen Ökonomie des Wechsels gefolgt wird. Bemerkenswerterweise schnippt die Instanz des Films immer passgenau in jenem Moment mit dem Zauberfinger, wenn man sich in der "neuen" Welt eingerichtet hat (oder sich vielleicht auch ob des gemächlichen Tempos zu langweilen beginnt - am Tag 9 eines Festivalmarathons sei dies verziehen). Und da jede Idee die vorangegangene um Nuancen toppt, ist man dann wieder plötzlich hellauf begeistert und ganz mittendrin. Die Konsequenz dieses Umklappens bringt das Theaterbild schließlich zum Höhepunkt, wenn das ganze Set in sich ein- und umstürzt, kontrolliert natürlich und an den richtigen Fäden gezogen, so dass ein Neues entsteht.
Dann hat der Film sein Ende gefunden und man ist froh, die von Erika Gregor im Begleittext angeratene Geduld mitgebracht zu haben. Ein schöner, entdeckenswerter Film; dass er nun auch in der "Magical History Tour" des Arsenals regelmäßig zu sehen sein wird, ist für die ambitionierte filmhistorische Reihe des Hauskinos der Deutschen Kinemathek ein großer Gewinn.
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° ° °
kommentare dazu:
mabo,
Sonntag, 20. Februar 2005, 17:45
magical ...
verzaubert wurde man wirklich von dieser perle, schön zu wissen das er demnächst wieder läuft - unbedingt weiterempfehlen !
mehr davon !
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