25.04.2005, Kino Intimes; Inhalt.

Eastwood ist ein Regisseur der Schwärze. Mit ungemeiner Sanftheit schält er immer wieder aus der schwarzen Fläche Konturen, Gesichter, Personen heraus, um sie darin wieder verschwinden zu lassen. Ein Gespür, das sich in Unforgiven ankündigte, in Mystic River wiederkehrte und nun Vollendung gefunden hat. Überhaupt ist das Licht in Million Dollar Baby von entscheidender Bedeutung für die an sich recht strikt den Formalien der Genres des Boxerfilms und (später) des Dramas folgende Geschichte. Die biografische Tiefe, die die Figuren zwar bewusst nicht aufweisen, aber dennoch immer im Raum steht, findet im Wiederstreit zwischen Überbeleuchtung und vollkommener De-Illumination einen Ausgleich. Alle haben sie schwer an Vergangenheit zu tragen, doch keine Biografie erhält sonderliche Repräsentation im dramatischen Gefüge; von einzelnen Spitzen - kurzen Ausbrüchen, und auch die nur in Form von knappen Dialogen - abgesehen, könnte man glatt sagen, dass die Vergangenheit zwar über allem liegt, aber an sich vollkommen ausgeblendet bleibt. Die Vergangenheit benötigt keinen direkten Ausdruck, sie ist in der Schwärze, aus denen die Figuren immer wieder herausragen, in die sie immer wieder zurückgedrängt werden, ästhetisch voll nachempfindbar geworden. Auch die Gesichter - Eastwood hier, wie mir scheint, erstmals nicht als alter Mann, der es nochmal allen beweist, sondern eben wirklich im Alter angekommen, mit allen Furchen, Falten, Verhärmungen, die das mit sich bringt - sprechen viel, ohne dass es deutlicherer Artikulation bedarf. Die Vergangenheit von Eastwoods Figur selbst bleibt sogar völlig ungeklärt, aber dass er schwer daran zu tragen hat, wird überdeutlich.



Der Boxerfilm erzählt nun davon, dass man nur an sich glauben muss, um alles hinter sich zu lassen, um zu erreichen was man will, um über das Dispositiv der eigenen, nachteiligen Herkunft und Biografie hinauszuwachsen. Anfangs bestätigt Million Dollar Baby dies auch scheinbar, doch liegt hier schon Trug unter der Erfolgsgeschichte: Die Siege gehen zu glatt, dutzende K.O.s in der ersten Minute der ersten Runde - eine komplette Ausblendung üblicher Boxdramatik. Gebremst wird diese Aufstiegsstory schließlich durch eine Lappalie, durch eine Laune des Schicksals, durch etwas, was durch Begriffe wie Schuld und Kausalität nicht hinreichend beschrieben wäre. Um Schuld wird es deshalb im weiteren Verlauf auch niemals gehen - eine Stärke und nicht zuletzt Kommentar zur Selbstverwirklichungsideologie, die einem an allen Ecken und Enden um die Ohren gehauen wird.

Million Dollar Baby ist dabei nicht das, was nach dem Oscarregen zu erwarten gewesen wäre. Genialisches, Übertrumpfendes, Tränenrühriges, Mitreißendes, Visionäres, was immer man auch von einem Oscar-Liebling erwarten würde, findet hier nicht statt (und eben deshalb verwundert der Academytriumph auch etwas). Den Film zeichnet vielmehr das aus, was ich an Eastwood generell schätze: Er ist ein Klassiker des Kinos und übt sich weniger darin, neue Wege zu beschreiten, neue Ausdrucksformen zu erschließen; vielmehr setzt er das Erschlossene feinkalibriert um. Bei Eastwood im Kino sitzen heißt Kino-wie-es-ist zu beobachten und keine künstlerische wie kommerzielle Übertrumpfungsshow (wie manch andere Filme anmuten). Es ist die leichte Unzeitgemäßheit, ein vielleicht nicht altersweises, zumindest aber -kluges Sich-Verlassen auf Routiniertheit und Bewährtheit, die aber eben doch nichts mit dem Handwerk des Routiniers zu tun haben, vor dem man gemeinhin scheut, was ich an Eastwood im Allgemeinen, an diesem Film im Besonderen schätze. Dabei kommt nie das Großartige schlechthin heraus (und schon gar nicht das Meisterhafte, das Million Dollar Baby gerne nachgesagt wird), sondern eher eine gewisse Verlässlichkeit, eine Üblichkeit, die jedoch nicht in Langeweile umschlägt.



Gut gefallen hat mir auch der Balanceakt des Films, der einem zwar oft genug Härten vorführt, in denen man einschreiten möchte oder in denen man Tränen vergießen könnte, dabei aber nie ins Rührselige oder plump Empörte umschlägt. Die vielleicht dann doch große Kunst des Films besteht darin, die Augen zwar feucht werden, die entscheidende Träne aber nie vergießen zu lassen. Dass er bisweilen in der Tat auch zur Überdeutlichkeit neigt, sei dabei nicht verschwiegen - andererseits, so scheint mir, gehorcht Eastwood hier auch streng den Vorgaben des Dramas mit seinen ineinandergreifenden Zahnrädern, wo jedes Detail schließlich im Gesamtgefüge seinen Platz einnimmt.

imdb ~ filmz.de ~ angelaufen.de


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