Thema: Filmtagebuch
Heimkino
Steve Martin gibt hier Rigby Reardon, einen noch bis in den Scheitelzug hinein perfekt imitierten Noir-Privatermittler, dessen Welt von vorneherein schon inszenierungshalber noch nicht mal referent mit der unseren verbunden ist. Getreu seinen filmischen Vorbildern aus den 40er Jahren stolpert auch Reardon durch ein mehr oder weniger haarsträubend konstruiertes Krimi-Gebälk mit üblichen Zutaten. Es geht um Intrigen, persönliche Geflechte, etwas Liebe, Vorteildenken und so weiter. Für den Film selbst ist das nicht wichtig.
Denn Dead Men Don't Wear Plaid ist vor allem Konzept: Sein Clou besteht darin, dass er Szenen aus den Vertretern jenes erst Jahre später als solcher postulierten und Film Noir bezeichneten Zusammenhangs an B-Movies seziert und in sich einkopiert - in neuem, teils windschiefem Zusammenhang, den ein über alles gekleisterter Plot erstellt. Den Kitt zwischen diesen Szenen bilden formal und ästhetisch erstaunlich treffsicher gestaltete Sequenzen, die ihrerseits den Vorbilder nahe zu kommen trachten. Humphrey Bogart, Bette Davis, Vincent Price und viele andere (indirekt auch immer Hitchcock, aus dessen schwarzweißen Filmen jener Tage sich sehr großzügig bedient wird) verkommen nun also zu Sidekicks und Nebendarstellern in einer überdimensionierten Steve-Martin-Show.
Natürlich hätte man im Vorfeld gewarnt sein können. Steve Martin ist nun gewiss keiner, dessen Filme sonderlich durch Feinfühligkeit oder nennenswerte Gewitztheit brillieren. Eher steht sein Werk für mehr oder weniger effizienten Hauruck-Humor. Freilich führt der Film einen anfangs auf eine falsche Fährte: Der Vorspann ist liebevoll authentisch inszeniert, dazu passend gibt es das klassisch 'antike' Universal-Logo vorneweg und die Handlung selbst beginnt dann auch stilistisch sicher. Doch wer nun einen liebevoll gestalteten, postmodernen Nostalgiefilm erwartet, erfährt - wie eben auch der Gegenstand der steten Bezugnahme - sehr schnell einen gepflegten Tritt in den Unterleib (weswegen er auch meilenweit entfernt ist von jener "greatest hommage to the Film Noir", die ein imdb-Kommentator in diesem Film ausgemacht haben will; das exakte Gegenteil ist der Fall: Selten wurde ein filmhistorischer Zusammenhang im vollen Bewusstsein mit derart fettigen Schmierfingern verunstaltet, was im Eindruck durch die inszenatorische Sorgfalt, die man dem Film angedeihen ließ, nur verstärkt wird.). Steve Martin (im Verein mit Autoren und dem Regisseur) lässt es sich nicht nehmen, noch jede naheliegende Möglichkeit zum dummen Witz dankbar aufzugreifen, um sich auf diese öde Weise von einem Hirnriss zum nächsten zu spaßen. Der Humor ist dabei nicht mal weit von jenem entfernt, den später Zucker/Abrahams/Zucker zur Perfektion heranreifen lassen würden, doch bleibt er weit hinter der surrealen Qualität der elaboriertesten Werke dieses Teams. Hier ist das schlichte Alberei, ermüdendes Einerlei, dem es an jedem Sinn für Qualität auch im Absurden vollkommen mangelt.
Ich bezweifle, dass es sich bei Dead Men Don't Wear Plaid um einen Film handelt. Im wesentlichen ist das eine ausbuchstabierte Idee, die sich dem Ergebnis wieder entnehmen lässt. Mit etwas gönnerhafter Haltung könnte man gewiss Kommentar-Status anerkennen (zumindest aber den als illustratives Phänomen), was Film- und, an diese gekoppelt, Mediengeschichte betrifft. Denn freilich ist es kein Zufall, dass Dead Men Don't Wear Plaid an einem Zeitpunkt in Erscheinung tritt, an dem man sich des Ausmaßes der Homevideo-Revolution und der damit verbundenen, dramatisch gesteigerten Verfügbarkeit von Filmgeschichte und ihrer einzelnen Werke bereits bewusst sein konnte. Gleichzeitig könnte man im 'Zappen' durch die Noir-Klassiker, wie Dead Men Don't Wear Plaid es gewissermaßen praktiziert, schon einen frühen Hinweis auf die neue Kulturtechnik wähnen, die der Videorekorder mit seinen Funktionen 'Play', 'Fast Forward' und 'Rewind' (und nicht zuletzt - durch Schaltung zweier Rekorder miteinander - das Kompilieren einzelner, ihrem Kontext entrissener Sequenzen und Momente) ermöglicht. Mit der finalen Konstituierung von Video in den Wohnzimmern, die sich im Umfeld des Jahres 1982 vollzieht, gewinnt der vormals passive Akt der Filmsichtung eine performative Komponente: Der Film selbst wird im Einzelnen anwählbar, im Verbund mit anderen auch für den "Endverbraucher" im Alltag schaltbar. Das Augenmerk richtet sich infolge wieder auf den Moment und dessen Besonderheit (dass Tom Gunning in etwa zur gleichen Zeit wieder eine Rückkehr von Aspekten des frühesten Kinos ausmacht mag damit vielleicht sogar in Verbindung stehen), gleichzeitig wird Filmgeschichte nah an sich selbst, das heißt: am einzelnen Film, erforschbar, ohne dabei auf das Gönnertum von Kinos, Filmclubs oder Fernsehprogrammen angewiesen zu sein (unter Verweis auf Super8 mag man Gegenteiliges behaupten, doch war diese frühe Phase des Heimkinos nicht von einer massenhaften Bewegung bestimmt, ferner waren in ihr die einzelnen Filme auf rudimentäre, verzerrende Skelette ihrerselbst von wenigen Minuten Laufzeit beschränkt).
Für all diese Aspekte nun ließe sich der vorgebliche 'Film' Dead Men Don't Wear Plaid als Kronzeuge anführen, doch ist er eben nur die Bebilderung einer Idee, die in dieser Ausführung nur indexikalisch auf deren Existenz verweist, aber weder von ihr abhebt, noch jenseits ihrerselbst Ergebnisse zeitigt. Die Idee ist das Sampling der Filmgeschichte, doch diese funktioniert, mit all ihren Implikationen, auch und zunächst auch vor allem auf dem Papier als solche, etwa als theoretischer Entwurf jenseits der Praxis.
Ein Film aber kann wiederum diese Idee nur als Grundlage nutzen, um weiteres in Angriff zu nehmen oder aber um sie wenigstens im Sinne eines Erkenntnisprozesses Schritt für Schritt auszuführen. In Dead Men Don't Wear Plaid hingegen liegt lediglich eine Ausstellung ihrerselbst vor, geradeso, als wäre es damit schon getan. Diese beträgt nun knapp 90 Minuten, führt zu rein gar nichts, sondern verläuft sich vielmehr in die Sackgassen dümmlicher Witzelei. Ein ermüdendes, nervtötendes Filmerlebnis, in seiner Länge ganz und gar.
imdb ~ mrqe
Steve Martin gibt hier Rigby Reardon, einen noch bis in den Scheitelzug hinein perfekt imitierten Noir-Privatermittler, dessen Welt von vorneherein schon inszenierungshalber noch nicht mal referent mit der unseren verbunden ist. Getreu seinen filmischen Vorbildern aus den 40er Jahren stolpert auch Reardon durch ein mehr oder weniger haarsträubend konstruiertes Krimi-Gebälk mit üblichen Zutaten. Es geht um Intrigen, persönliche Geflechte, etwas Liebe, Vorteildenken und so weiter. Für den Film selbst ist das nicht wichtig.
Denn Dead Men Don't Wear Plaid ist vor allem Konzept: Sein Clou besteht darin, dass er Szenen aus den Vertretern jenes erst Jahre später als solcher postulierten und Film Noir bezeichneten Zusammenhangs an B-Movies seziert und in sich einkopiert - in neuem, teils windschiefem Zusammenhang, den ein über alles gekleisterter Plot erstellt. Den Kitt zwischen diesen Szenen bilden formal und ästhetisch erstaunlich treffsicher gestaltete Sequenzen, die ihrerseits den Vorbilder nahe zu kommen trachten. Humphrey Bogart, Bette Davis, Vincent Price und viele andere (indirekt auch immer Hitchcock, aus dessen schwarzweißen Filmen jener Tage sich sehr großzügig bedient wird) verkommen nun also zu Sidekicks und Nebendarstellern in einer überdimensionierten Steve-Martin-Show.
Natürlich hätte man im Vorfeld gewarnt sein können. Steve Martin ist nun gewiss keiner, dessen Filme sonderlich durch Feinfühligkeit oder nennenswerte Gewitztheit brillieren. Eher steht sein Werk für mehr oder weniger effizienten Hauruck-Humor. Freilich führt der Film einen anfangs auf eine falsche Fährte: Der Vorspann ist liebevoll authentisch inszeniert, dazu passend gibt es das klassisch 'antike' Universal-Logo vorneweg und die Handlung selbst beginnt dann auch stilistisch sicher. Doch wer nun einen liebevoll gestalteten, postmodernen Nostalgiefilm erwartet, erfährt - wie eben auch der Gegenstand der steten Bezugnahme - sehr schnell einen gepflegten Tritt in den Unterleib (weswegen er auch meilenweit entfernt ist von jener "greatest hommage to the Film Noir", die ein imdb-Kommentator in diesem Film ausgemacht haben will; das exakte Gegenteil ist der Fall: Selten wurde ein filmhistorischer Zusammenhang im vollen Bewusstsein mit derart fettigen Schmierfingern verunstaltet, was im Eindruck durch die inszenatorische Sorgfalt, die man dem Film angedeihen ließ, nur verstärkt wird.). Steve Martin (im Verein mit Autoren und dem Regisseur) lässt es sich nicht nehmen, noch jede naheliegende Möglichkeit zum dummen Witz dankbar aufzugreifen, um sich auf diese öde Weise von einem Hirnriss zum nächsten zu spaßen. Der Humor ist dabei nicht mal weit von jenem entfernt, den später Zucker/Abrahams/Zucker zur Perfektion heranreifen lassen würden, doch bleibt er weit hinter der surrealen Qualität der elaboriertesten Werke dieses Teams. Hier ist das schlichte Alberei, ermüdendes Einerlei, dem es an jedem Sinn für Qualität auch im Absurden vollkommen mangelt.
Ich bezweifle, dass es sich bei Dead Men Don't Wear Plaid um einen Film handelt. Im wesentlichen ist das eine ausbuchstabierte Idee, die sich dem Ergebnis wieder entnehmen lässt. Mit etwas gönnerhafter Haltung könnte man gewiss Kommentar-Status anerkennen (zumindest aber den als illustratives Phänomen), was Film- und, an diese gekoppelt, Mediengeschichte betrifft. Denn freilich ist es kein Zufall, dass Dead Men Don't Wear Plaid an einem Zeitpunkt in Erscheinung tritt, an dem man sich des Ausmaßes der Homevideo-Revolution und der damit verbundenen, dramatisch gesteigerten Verfügbarkeit von Filmgeschichte und ihrer einzelnen Werke bereits bewusst sein konnte. Gleichzeitig könnte man im 'Zappen' durch die Noir-Klassiker, wie Dead Men Don't Wear Plaid es gewissermaßen praktiziert, schon einen frühen Hinweis auf die neue Kulturtechnik wähnen, die der Videorekorder mit seinen Funktionen 'Play', 'Fast Forward' und 'Rewind' (und nicht zuletzt - durch Schaltung zweier Rekorder miteinander - das Kompilieren einzelner, ihrem Kontext entrissener Sequenzen und Momente) ermöglicht. Mit der finalen Konstituierung von Video in den Wohnzimmern, die sich im Umfeld des Jahres 1982 vollzieht, gewinnt der vormals passive Akt der Filmsichtung eine performative Komponente: Der Film selbst wird im Einzelnen anwählbar, im Verbund mit anderen auch für den "Endverbraucher" im Alltag schaltbar. Das Augenmerk richtet sich infolge wieder auf den Moment und dessen Besonderheit (dass Tom Gunning in etwa zur gleichen Zeit wieder eine Rückkehr von Aspekten des frühesten Kinos ausmacht mag damit vielleicht sogar in Verbindung stehen), gleichzeitig wird Filmgeschichte nah an sich selbst, das heißt: am einzelnen Film, erforschbar, ohne dabei auf das Gönnertum von Kinos, Filmclubs oder Fernsehprogrammen angewiesen zu sein (unter Verweis auf Super8 mag man Gegenteiliges behaupten, doch war diese frühe Phase des Heimkinos nicht von einer massenhaften Bewegung bestimmt, ferner waren in ihr die einzelnen Filme auf rudimentäre, verzerrende Skelette ihrerselbst von wenigen Minuten Laufzeit beschränkt).
Für all diese Aspekte nun ließe sich der vorgebliche 'Film' Dead Men Don't Wear Plaid als Kronzeuge anführen, doch ist er eben nur die Bebilderung einer Idee, die in dieser Ausführung nur indexikalisch auf deren Existenz verweist, aber weder von ihr abhebt, noch jenseits ihrerselbst Ergebnisse zeitigt. Die Idee ist das Sampling der Filmgeschichte, doch diese funktioniert, mit all ihren Implikationen, auch und zunächst auch vor allem auf dem Papier als solche, etwa als theoretischer Entwurf jenseits der Praxis.
Ein Film aber kann wiederum diese Idee nur als Grundlage nutzen, um weiteres in Angriff zu nehmen oder aber um sie wenigstens im Sinne eines Erkenntnisprozesses Schritt für Schritt auszuführen. In Dead Men Don't Wear Plaid hingegen liegt lediglich eine Ausstellung ihrerselbst vor, geradeso, als wäre es damit schon getan. Diese beträgt nun knapp 90 Minuten, führt zu rein gar nichts, sondern verläuft sich vielmehr in die Sackgassen dümmlicher Witzelei. Ein ermüdendes, nervtötendes Filmerlebnis, in seiner Länge ganz und gar.
imdb ~ mrqe
° ° °
kommentare dazu:
kid37,
Donnerstag, 9. Juni 2005, 17:27
Ich habe den Film nun wohl schon Jahrzehnte nicht mehr gesehen, erinnere mich aber noch an das Seherlebnis in den 80ern. In der Tat war das "Filmsampling" ein wichtiger Aspekt damaliger Rezeption. Heiteres Zitateraten - und (ganz ähnlich übrigens wie bei Woody Allens Zelig aus der Ära) großes Erstaunen über die technischen Möglichkeiten.
Zudem paßte eine "Tough-Guy"-Parodie gut in die ebenso graue wie neonlichterne Zeit der frühen 80er. Offenbar ist das damalige Plus heute sein Verderben. Schade.
Zudem paßte eine "Tough-Guy"-Parodie gut in die ebenso graue wie neonlichterne Zeit der frühen 80er. Offenbar ist das damalige Plus heute sein Verderben. Schade.
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