Flüchtig und schnell gegessen wie eine Praline. Oder ein kleines Stückchen Tortenrest mit Sahne drauf. Sahne aus gekippter Milch jedoch.

Marie Antoinette ist ein Film, der zu "Falsch!"-Rufen nicht aufruft, sie einem aber doch abnötigt. Warum dies, hat sehr schön Ekkehard hier geschrieben.

Meine Reflexe beim Schauen hingegen waren weniger artikuliert, weniger analytisch. Was sollte mich, ehrlich, eine solche dumme Nuss angehen, Aristokratin, Monarchistin obendrein? Der Jammer der bürgerlichen Gesellschaft ist ja doch, dass sie immer wieder aufs Neue mit Wehmut auf das eigenhändig Abgeschaffte zurückblickt und Liebreiz und Schönheit dort entdeckt, wo vielmehr vom Hunger der Bevölkerung, von der brutalen Menschenverachtung jeder Monarchie zu sprechen wäre. Doch jedes Städtchen, das etwas auf sich hält, hält etwas auf seine Kaiser-Wilhelm-Straße, auf die ganzen verklärten Artefakte von Herrschenden, die der Freiheit ihrer heutigen versonnenen Verehrer mit Flamme und Schwert entgegen treten würden, wenn sie könnten.

Oder kurz: Beim Sturm auf Versailles summte ich die französische Nationalhymne. Bringt mir den Kopf von Marie Antoinette! Um dieses Bild hingegen wird man im Zuckerland betrogen. Wie um jedes Bild all dessen, was hinter jedem Schnörkel der Ausstattung steckt, wem der seinerzeitige Pomp mit welchen Mitteln abgepresst wurde. Gegen eine Musealisierung von Versailles und seiner Pracht ist nichts zu sagen: Schon alleine, weil darin Menschenhandwerk steckt; Marie Antoinette hingegen interessiert sich nicht hierfür, sondern - und dies denn auch mit der Haltung des Bekuckens nur - für die historischen Bewohner, denen Versailles Goldener Käfig ist.

Das Bedauerliche aber ist schlussendlich, dass hinter solcher, leicht ins Dümmliche spielender Perspektivblindheit der bislang reifste Film seiner Regisseurin steckt. Marie Antoinette ist unbestritten konzentriert gefilmt, mit richtigem Takt und Gespür für die Länge einer Einstellung und Montage. Dass der poppige New-Wave- und Post-Punk-Soundtrack zuweilen proto-diegetischen Charakter entwickelt - auf der ausgelassenen Maskenparty - ist ein kleiner Kunststreich, der mit dem kaum Bemerkbaren spielt. Jede Sekunde des Films ist so, nicht anders intendiert. Nur ist das Projekt, dem mit solch sorgfältiger Reflexion der Formmittel begegnet wird, ein von innen heraus madiges. Man sieht's nur nicht. Vielleicht geht's ja auch einfach darum: Ich seh' was nicht, was Du nicht siehst. Marie Antoinette sieht die Weite des Landes und sieht das Land nicht, wir sehen die Revolution und sehen die Revolutionäre nicht, Marie Antoinette sieht die Natur und sieht die Natur nicht und alle sehen Kirsten Dunst nackt, nur wir nicht - ein Beschiss von einem Film.

imdb


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