Dienstag, 7. Dezember 2004
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Der Wahnsinn, wie er einem zwar stets, dieser Tage aber, warum auch immer, ganz besonders in den S-Bahnen penetrant zu begegnen pflegt, ist nur mit Max Goldt in den Händen zu ertragen.


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06.12.2004, Kino Arsenal

Inhalt: "In den 20er Jahren wohnen Luxus und Elend in der Melchiorgasse Tür an Tür. Hier finden sich verarmte Bürger- und Arbeiterfamilien, ein Bordell mit Tanzlokal, Treffpunkte von Verbrechern, Dollarmillionären und Profiteure der Inflation. In diesem Milieu, in der die Geldnot allen bürgerliche Moral vergessen läßt, treffen einige Personen immer wieder aufeinander: etwa die verarmte Grete Rumford, die ihr Gluck als Luxus-Dirne versucht, der sadistisch-geile Metzger, eine verzweifelte Mörderin, eine Kupplerin, eine Mutter, die für die Familie die Bürde der Prostitution auf sich nimmt..." (Quelle: Prisma Online)

Etwas Fleisch gegen Fleischeslust. Der symbolische Tausch ist nurmehr widerwärtig, ganz so wie der Profiteur der Szenerie, ein gernegroßer Metzger, der Fleisch hortet, während die Leute auf den Straßen hungern, und sich dafür eindeutig bedienen zu lassen weiß. Drei Frauen und ihre Familien sowie deren katastrophischen Schicksale im Angesicht der wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen aus dem verlorenen 1. Weltkrieg stehen im Mittelpunkt dieser oft anregend, nicht aber immer ökonomisch inszenierten, zum Melodramatischen neigenden Trägödie.

Das Projekt, die sozialen Abstiege dieser Frauen ins nurmehr Elendige minutiös zu schildern und die Mechanik dahinter, aus menschlichen Verfehlungen, vor allem aber sozialen Widrigkeiten, die - allzu plakativ, vielleicht aber auch zeitgemäß - natürlich im skrupel- wie morallosen, schlichtweg also verkommenen Kapitalisten begründet liegen, nachvollziehbar zu gestalten, wird spätestens zum Ende hin (aber, wie man durchaus bemerken kann, auch schon im Verlauf) durch eine zweifelhafte Moral torpediert, die das Ansinnen des Films, konsequent zuende gedacht, letzten Endes in sein Gegenteil pervertiert: Nur Greta Garbo, die zu jeder Zeit herzensgut und tugendhaft geblieben ist, selbst in dem Moment, als nurmehr das blanke Fleisch des eigenen Körpers zum Kapitalerwerb als Option für's Überleben denkbar schien, vermag sich in ein intaktes Leben jenseits des letzten Bildes hinüberzuretten. Die anderen hingegen: Im Gefängnis gelandet oder aber rasend vor Wahnsinn und mehr als nur zur Hälfte schon prostituiert in Flammen umgekommen. Greta Garbo jedoch steht das Privileg des rettenden Kusses im letzten Bild zu. Ein Zugeständnis an die "Ladenmädchen"?

Immerhin recht spannend geraten ist der Einsatz der formalen Mittel. Die Gegenüberstellung des dekadenten Kapitalistenlebens im Wiener Nachtleben mit den Bildern des Elends in der Gasse aus dem Titel des Films erinnert an Eisenstein. Auch drastische Subjektivierungen lassen sich finden, die pointiert und effektiv eingesetzt werden. Und Greta Garbos Blicke schon in dieser frühen Rolle: Reinste Gänsehaut!

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