Thema: Berlinale 2005
07. Februar 05 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren

Die Begegnung mit der verschrobenen japanischen Diva Madam Umeki (Matsuzaka Keiko) eröffnet der jungen Immobilienverkäuferin Meili (Teresa Cheung) eine seltsame erotische Schattenwelt. Deren nostalgisch-luxuriös eingerichtetes Apartement steht zum Verkauf und Meili obliegt es, es nach bestem Wissen und Gewissen an den wohl Geeignetsten zu verkaufen. Bei einer Besichtigung begegnet sie dem jungen attraktiven Kim (Sho), der sie in seinen Bann zieht und sie verführt. Doch auch die stattliche Erscheinung des Polizeioffiziers #4708 fällt ihr bei ihren täglichen Wegen durch die Gassen der Stadt auf. Der ist ganz sinnlich und streift alles im Vorbeigehen mit seinen Fingerkuppen. Eine junge Frau (Harisu) stößt zu dem Geflecht, die sich als die junge Madam Umeki ausgibt, kurz nach ihrer Geschlechtsumwandlung, die sie durchgeführt hat, um Kim zu gefallen. Der wiederum findet bald Gefallen an #4708. Und vor dem feinen Ambiente ihres Apartements führt die ältere Madam Umeki Meili in die wunderbare Welt des Fetischs und des Masochismus ein ...

Der Hongkonger Regisseur Yonfan hat für dieses panasiatische Projekt eine illustre internationale Truppe um sich geschart: Die Darsteller stammen aus Korea, Hongkong und Japan, den Soundtrack voller dunkler Exotik hat Bollywood-Dauerkomponist Surender Sodhi erstellt und Kameramann Wang Yu, der schon den bezaubernden Souzhou River (2000) geschossen hat, stammt aus China. Ziel war die Schaffung einer "new cinematic force". Herausgekommen ist allenfalls eine kinematische Farce, deren Blödheit bald schon physisches Unbehagen auf Zuschauerseite nach sich zieht.

Irgendwo zwischen delikater Erotikliteratur des 19. Jahrhunderts - Sacher-Masoch kommt einem gelegentlich in den Sinn - und 80er Jahre Lack-und-Leder-Hochglanz angesiedelt, ist Colour Blossoms ein bemerkenswert unerotischer Erotikfilm, der in seinem verkrampften Bemühen, noch jede Nuance des Genderbendings durchzudeklinieren, dieses an sich ehrenwerte Projekt eigentlich nur einer seltsam peinlichen Lächerlichkeit preisgibt, ohne dass eine derart ironische Haltung irgendwie intendiert wäre. Die Geschichte mit dem Polizeioffizier und dem Spiel mit fremden Wohnungen erinnert ein wenig an Chungking Express, mit dem Unterschied, dass jeglicher Esprit vermieden wurde, wenn #4708 wiederholt mit vergeistigter Visage an Treppengeländern herumfummelt. Auch die Einrichtung der alten Wohnung verrät deutlich, dass man es auf Wong Kar-Weis Studien in Nostalgie abgesehen hatte. Dieser Hang zur offenkundigen Anlehnung vermischt sich mit einer stilisierten Obsessionserotik wie man sie motivisch von Jess Franco kennen kann. Von beiden auf ihre Weise reizvollen Regisseuren übernimmt man aber qualitativ rein gar nichts, sondern gefällt sich vielmehr im Abspulen einer zum Ende hin immer penetranteren, aber stets öde bleibenden Ledermodeschau ohne Sinn und Verstand, die von Fetischismus oder Masochismus nichts verstanden hat und seine Darsteller mit einer Würdelosigkeit nach der anderen bestraft, die diese mit ernster Miene durchzuexerzieren vom jedweder Souveränität verlustig gegangenen Regisseur verdammt sind. Diese Verdammung überträgt sich 1:1 auf den Zuschauer, der ob dieses Machwerks mehr als nur einmal den Blick kopfschüttelnd zu Boden senkt. Nurmehr ratlos ist man da, wenn man erfährt, dass die Vereinigung der Filmkritiker Hongkongs in ihrem Jahresrückblick dem Film, mit neun anderen, eine lobende Erwähnung zusprachen.
Oder kurz: Wir raten ab. (aber sowas von)
imdb | kritik auf jump-cut.de (-MAERZ-)
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Thema: Berlinale 2005
07. Februar 05 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren

Der Swing-Entertainer Bobby Darin ist, im Gegensatz zu seinem alles überragenden Vorbild Frank Sinatra, eine tragische Figur der populären Kultur der 50er Jahre. Trotz einiger Evergreens, die er der Musikgeschichte beschert hatte immer eine Nummer kleiner als Sinatra geblieben, kehrten ihn die 60er Jahre - trotz einiger Versuche, an sie anzuschließen - beinahe schon rüpelhaft unter den Teppich. Mit 37 starb er schließlich an den Folgen einer Krankheit aus Kindertagen, die sein Herz geschwächt hatte; ein stolzes Alter eigentlich, wenn man bedenkt, dass ihm seine Ärzte - folgt man Spaceys Film - maximal 15 Jahre vorausgesagt hatten. In jüngsten Jahren erfuhr Darin zumindest in zweiter Ordnung eine kleine Renaissance: Durch Robbie Williams’ Neuauflagen diverser Darinsongs, darunter auch, eingesungen für den Soundtrack des Pixar-Animationsspektakels Findet Nemo, Beyond the Sea.

Dies, wie der Umstand, dass Spacey als 44jähriger über weite Strecken im Film einen knapp 20jährigen verkörpert, lädt natürlich zu hämischer Kritik ein, die Spacey jedoch im Film durch eine pro- und epilogische Rahmung antizipiert und dadurch zu zerstreuen sucht. Ganz nebenbei eröffnet er dem nicht unheiklen Subgenre des Biopics einen selbstreflexiven Diskurs, den es bis dato, meines Wissens, darin nicht gegeben hat. Ganz nach Tradition De Palmas lässt Spacey seinen Film nämlich als eine dem Zuschauer zunächst nicht als solche erschließbare inszenierte Realität innerhalb der Filmrealität beginnen: Der espritvolle Auftritt vor begeistertem Publikum eines Nachtclubs entpuppt sich jäh als Dreharbeit zu einem Darinbiopic, in dem Darin sich selbst verkörpert. Die Maske des Sunnyboys fällt schnell, als er recht eitel die Szene abbricht, wiederholen lässt und dem Nächstbesten daran die Schuld unterjubelt. Kritische Dialoge folgen, ob Darin nicht schon zu alt für eine solche Performance sei, es nehme ihm doch keiner mehr ab, einen 20jährigen darzustellen. Auftritt eines kleines Jungen, der sich aus den Kulissen nach vorne schiebt, im Film-im-Film soll er Darin als Jungen spielen, im eigentlichen Film (den wir sehen) macht er das auch und darüber hinaus ist er Darin noch die Wiederkehr der eigenen Vergangenheit: Er, der Junge, sei kein Darsteller, sondern der kleine Darin selbst, den der erwachsene Darin zurückgelassen habe. Diskussionen im diegetisch ortlos Bleibenden folgen, wie nun Darin im Film sein Leben inszenieren solle, der junge meint, so sei es nicht gewesen, der alte kontert, dass im Film nicht Authentizität, sondern Künstlichkeit gefragt sei.

Das Subgenre selbst erfährt in diesen Momenten eine Thematisierung seiner eigenen Problemstellungen, die den fertigen Elaboraten in der Regel, fatalerweise, oft nicht mehr anzusehen sind. Denn ganz grundsätzlich ist dies in mehrerlei Hinsicht determiniert: Es hat historische Fakten zu berücksichtigen, muss aus der Fülle eines Lebens in zwei, maximal drei Stunden die Essenz ziehen, es ist den Strukturen und dem Verlauf des Dramas verpflichtet, das die Faktizität schnell überformt, und nicht zuletzt vor allem ein Produkt seines Autors, der ein eigenes künstlerisches Projekt verfolgt. Das fertige Produkt muss sinnfällig sein, eine Geschichte nach üblichem Schema erzählen und soll darüber noch faktisch bleiben: Dies ist, beileibe, nicht zu schaffen, was das Biopic – am perfidesten vielleicht im TV-Format „Dies ist Dein Leben“ (das in Beyond the Sea ebenfalls kurz aus der Schublade gezogen wird) – nicht daran hindert, Faktizität für sich zu beanspruchen und als historisches Dokument für sich mehr oder weniger Geltung zu verlangen. Beyond the Sea schlägt hier einen deutlich anderen Weg ein, indem er von Anfang keinen Zweifel daran lässt, dass hier nicht „Bobby Darin, wie er wirklich war“ versucht wird, sondern dass vor allem Kevin Spacey, als alles überblickende Instanz des Films, und seine Leidenschaft für diesen Stoff, den Bobby Darins Leben darstellt, im Mittelpunkt steht. So unterstreicht auch der Epilog, der den Zuschauer nach Bobby Darins Tod dennoch mit Zungenschlag aus dem Film verabschiedet, dass der Privatmensch Darin vielleicht gestorben sein mag, die Kunstfigur Darin aber, gerade deshalb, niemals sterben kann und auch nicht Darins Tod am Ende des Films zu beklagen ist: Weil es um den Privatmenschen, in diesem Film, trotz aller Indizien, die zunächst dagegen sprechen mögen, nicht geht, nicht gehen kann.
Zugegeben, diese reflexive Note mag reiner Apologetik geschuldet sein, kraft derer sich Spacey von Beginn an schon jeden Egotrip zurechtgelegt hat. Dafür spricht, dass solche Einschübe im Film (der innerhalb seiner Rahmung im wesentlichen dann eben doch dem klassischen Biopic entspricht) eher selten sind und die als sinnstrukturierend angesehenen Stationen aus Darins Leben in nahezu einheitlicher Form dargeboten wurden. Dass dies mal unterhaltsam, mal schrecklich öde ausgefallen ist, spricht ferner gegen den Film. Aber dass überhaupt einmal, aus welchen Beweggründen auch immer, gewagt wurde, der heiligen Erzählung des Biopics eine kritische Schlagseite zu geben, ist an sich schon bemerkenswert genug.
imdb | filmz.de
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