Thema: good news
12. Februar 05 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
... eines Filmarchivs werden nun, nach langer Zeit, endlich wieder zugänglich. Schlichtweg atemberaubend, was mastersofcinema.org zu melden weiß:
Mainichi Shimbun newspaper today reports the death of a legendary Japanese film collector, Yoshishige Abe, aged 81. His father was a police doctor who worked for the Korean Consulate, and together they both collected fifty-thousand films both pre and post war at their storehouse. They had previously refused all investigations by scholars, and it is not clear just how many of the films are still viewable.
The article focuses mostly on Na Unkyu's debut Arirang (1926), one of the most influential films of early Korean cinema, and long thought lost. North and South Korea apparently each sent representatives to reclaim the film but Abe refused. Thinking of it as an anti-Japan movie he said he would be willing to give the film rolls to both nations only if Korea united.
Abe has no heir, so after the lawful procedures, National Film Center [Tokyo] will investigate the films. The catalogue contains Daichi wa Hohoemu [The Earth Smiles] (Mizoguchi, 1925) amongst its many treasures.
Bei dem Gedanken daran, was hier an Schätzen bergbar sein könnte, wird mir schwindelig. Vor allem die 20er Jahre des japanischen Kinos waren äußerst produktiv: Japan produzierte weltweit die meisten Filme. Dennoch ist aus den ersten Jahrzehnten der japanischen Kinematografie bislang nur eine Handvoll (ich glaube Bordwell spricht von etwa 50 Stück) überhaupt noch erhalten. Die große Hoffnung ist nun, dass durch diesen sagenhaften Fund klaffende Lücken nun endlich geschlossen werden können.
Mainichi Shimbun newspaper today reports the death of a legendary Japanese film collector, Yoshishige Abe, aged 81. His father was a police doctor who worked for the Korean Consulate, and together they both collected fifty-thousand films both pre and post war at their storehouse. They had previously refused all investigations by scholars, and it is not clear just how many of the films are still viewable.
The article focuses mostly on Na Unkyu's debut Arirang (1926), one of the most influential films of early Korean cinema, and long thought lost. North and South Korea apparently each sent representatives to reclaim the film but Abe refused. Thinking of it as an anti-Japan movie he said he would be willing to give the film rolls to both nations only if Korea united.
Abe has no heir, so after the lawful procedures, National Film Center [Tokyo] will investigate the films. The catalogue contains Daichi wa Hohoemu [The Earth Smiles] (Mizoguchi, 1925) amongst its many treasures.
Bei dem Gedanken daran, was hier an Schätzen bergbar sein könnte, wird mir schwindelig. Vor allem die 20er Jahre des japanischen Kinos waren äußerst produktiv: Japan produzierte weltweit die meisten Filme. Dennoch ist aus den ersten Jahrzehnten der japanischen Kinematografie bislang nur eine Handvoll (ich glaube Bordwell spricht von etwa 50 Stück) überhaupt noch erhalten. Die große Hoffnung ist nun, dass durch diesen sagenhaften Fund klaffende Lücken nun endlich geschlossen werden können.
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Thema: Berlinale 2005
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11. Februar 05 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
Heute also doch das erste teure, aber leckere Eis. Oben von den Arkaden (die Eisdiele am vorderen Ende, Nahe des CinemaxX). Daselbst dieses dann auch schnabuliert und gleichzeitig auf die Ausmaße einer Medienrevolution gestoßen: In den Arkaden steht nämlich auch das Fußvolk des Festivals - die Zahlkunden - um Karten an. Die Länge der Schlangen wurde häufig schon, meist hämisch, im Feuilleton bemerkt. Klar, man selbst steht ja nicht an, man zeigt nur sein Stück Plastik vor (was auch wieder so nicht stimmt, denn die Kollegen verschweigen den Ticket Counter oben im Hyatt...). Früher, als ich selbst noch Karten dort abholte, war das so, dass der übliche Schalter mit langer Wartezeit verbunden war, während man bei dem Kabuff am Rande, wo man die im Internet bestellten Karten abholen kann, eigentlich auch nicht länger anstand als werktags beim Bäcker für Brötchen. Heute aber, und das ließ mich wirklich staunen, ist das geradewegs groteskverdreht und ich fragte mich, ob da die Organisatoren nicht selbst was verpennt haben: Die Schlange für den Internet-Schalter schlägt jede andere, mir je dort unter die Augen gekommene Schlange mit Leichtigkeit: Beinahe schon sehen sich die Leute dazu gezwungen, die Schlange bis vor die Türen der Arkaden zu verlängern. Die üblichen Counter hingegen stellen moderate Wartezeiten in Aussicht: Die Low-Tech-Freaks, die noch brav "Datum-Kino-Uhrzeit" aufsagen, bilden eher kleine Grüppchen denn lange Reptilien. Und natürlich sind die üblichen Schalter noch immer mehrfach besetzt, während das Internethäuschen immer noch, mit gezeigten fatalen Folgen, das Kabuff am Rande ist ...
*
Apropos Anstehen, Karten, Journalisten. Manche der letztgenannten sind offenbar gewillt, das Klischee vom narzistischen Publizisten, der "wichtig" gällt und auf den Boden stampt, wenn es nicht nach seinem Willen geht, zu jeder Zeit zu bekräftigen. Tatort CinemaxX gestern Abend, Panoramavorstellung: Die in den Presseunterlagen als "Pressevorführung" ausgewiesene Vorführung von Redentor ist in echt eine öffentliche, in die wir auch hineindürfen. Eigentlich recht logisch ist da, dass die Leute mit gekauften Karten in diesem Falle zunächst Vortritt haben. Schnell bildet sich eine Traube vor dem Saal, Akkreditierte müssen kurz warten, bis die Zahlkunden alle drin sind. Die meisten fügen sich dem ohne Murren. Ein paar besonders Akkreditierte aber lassen sich die Möglichkeit zum Stänkern, zumindest aber zum wild mit dem Plastik Fuchteln nicht entgehen. Sie seien akkreditiert, wird da geblökt, dabei ignorierend, dass der bemerkenswert die Fassung bewahrende CinemaxX-Angestellte zuvor schon meinte, dass Akkreditierte bitte kurz am Rande warten mögen. Mit großen Augen stehen sie nun da, diese Wichtigheimer, fuchteln rum und mimen den dicken Max. Manch einer zieht auch die Liste mit den Pressevorführungen raus und deutet mit dicken Zeigefinger drauf. Sicher, meint der Angestellte, aber es ist eben auch eine öffentliche Veranstaltung. Brüskiert wird sich umgedreht, mit den Augen gerollt, als sei man eine Kuh auf LSD. "Mein Gott", möchte man ihnen zurufen, "Du kannst Dir hier kiloweise Filme for free anschauen und musst nur ein paar, meist ohnehin debile, Zeilen drüber schreiben. Tausende beneiden Dich! Führ Dich doch einfach nicht so auf, bloß weil's mal ein paar Minuten länger dauert!"
*
Eine Welt für sich: Der Filmmarkt, unweit des Berlinale-Palastes. Hier herrscht alle schmierige Business-Freundlichkeit der Welt. Jeder ein potentieller Einkäufer, Kunde und Geldbringer. Man muss die Dialoge, den Umgang miteinander dort selbst einmal gehört haben, um's zu glauben.
Trotzdem ist der Filmmarkt gleichzeitig auch so was wie der Traum vielleicht nicht eines jeden, aber doch so manchen Geeks. Kiloweise Promomaterial zu den neuesten, internationalen Produktionen liegt da rum. Manche Filme sind gar ganze Hefte wert und viele nationale Kinematografien stellen ihren letzten Jahrgang in Buchform vor - natürlich zum Mitnehmen, sicher, und ein Lächeln vom Countermäuschen gibt es noch dazu.
Man verfällt in Mitnehmrausch. Alles, was nicht niet- und nagelfest ist, landet im Arm. Der schmerzt bald und man fürchtet, eine etwas armselige Figur zu machen. Ist aber nicht schlimm, weil hier jeder mit mindestens drei bis vier Kilo Promomaterial auf dem Arm durch die Gegend hechelt, dabei immer zur Seite stierend, ob es nicht doch noch ein (in der Regel sehr hübsch gestaltetes) Infoblatt gibt, das noch nicht eingepackt wurde. Hier und dort kann man in Filme reinschauen, auf kleinen DVD-Spielern mit LCD-Bildschirm, bei den Asiaten aber gerne auch mal auf dem großen Plasmaschirm. Das meiste ist noch unveröffentlicht, manches noch gar nicht fertiggestellt. An einem Stand einer Hongkonger Firma war es mir dann auch möglich, einen Blick auf ein PromoReel von Tsui Harks neuestem Film Seven Swords werfen können. Ein Zusammenschnitt "bester Szenen", natürlich sind die Drähte noch zu sehen gewesen, aber generell lässt sich wohl schon vermuten, dass Tsui Hark mit diesem ausstattungstechnisch offenbar sehr aufwändigen Film eine gelungene Rolle rückwärts in seine nostalgischen Wuxia Pian der frühen 90er vollzogen hat, bzw. diese technisch auf den neuesten Stand gebracht hat. Überhaupt sind die Stände der asiatischen Firmen ganz wunderbare kleine Inseln mit vielen bunten Materialien. Sogar Exemplare des besonders schön gestalteten Programmhefts vom Festival in Pusan liegen hier aus. Richtig wohnzimmrig altbacken wirken dagegen die Stände zahlreicher deutscher Anbieter und vor allem der Öffentlich-Rechtlichen. Bei ARD stehen ein paar blaue Stühle und kleine Tischchen rum, darauf: Knabberzeug, Weihnachtsplätzchenartiges. Bombenmarketing!
*
Unvergesslich auch ein Moment im Presseraum, wo internationale Journalisten ihre Texte in die Welt schicken. Nach erfreulicherweise nur wenigen Minuten Anstehen, ergattere ich einen Platz, ungünstigerweise zwar in der "Express Station", wo nur 15 Minuten lang getippt werden darf, aber ich will mich ohnehin kurz fassen. Freudig haue ich in die Tasten und sehe meinen Text allerdings auf Kyrillisch erstrahlen. Nicht, dass der Rechnerplatz das vorher irgendwie preisgegeben hätte ...
*
Was den Wettbewerb und also den Großteil der öffentlich(st)en Berichterstattung betrifft, könnte dies, so dachte ich noch letzte Nacht, Kosslicks schlimmste Berlinale werden. Gleichzeitig aber - und das ist gar nicht mal so paradox, wie man vielleicht ja wirklich erstmal glauben möchte - gibt es in den verschiedenen Sektionen in der Tat genug zu entdecken, um sich eine der vielleicht besten und interessantesten Berlinalen der letzten Jahre zusammenzustellen. Wenn dies die Folge eines sich selbst zunehmend für obsolet erklärenden Wettbewerbs ist, soll mir das nur recht sein.
*
Das Wetter ist leicht besser, der Trubel hat merklich angezogen. Bei gerade mal zwei Filmen, die ich heute gesichtet habe (dazu später mehr), war es mir eine große Freude, durch die ersten Festivalwogen am Postdamer Platz zu streifen, bald hierhin, bald dorthin zu schauen, Eindrücke sammeln. Wenn man soviele Menschen auf einem Haufen sieht, die mal mit der Leidenschaft des Liebenden, mal mit der Hektik des Berichterstattenden über's Gelände pesen, weiß man einmal mehr, warum dies die schönste Jahreszeit von allen ist. Noch macht die Betriebsamkeit große Freude, warten wir ab, wie es in vier, fünf Tagen aussieht, wenn es zwischen heimischem Bett, PC und Filmvorführungl keinen Zwischenraum mehr gibt ...
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Apropos Anstehen, Karten, Journalisten. Manche der letztgenannten sind offenbar gewillt, das Klischee vom narzistischen Publizisten, der "wichtig" gällt und auf den Boden stampt, wenn es nicht nach seinem Willen geht, zu jeder Zeit zu bekräftigen. Tatort CinemaxX gestern Abend, Panoramavorstellung: Die in den Presseunterlagen als "Pressevorführung" ausgewiesene Vorführung von Redentor ist in echt eine öffentliche, in die wir auch hineindürfen. Eigentlich recht logisch ist da, dass die Leute mit gekauften Karten in diesem Falle zunächst Vortritt haben. Schnell bildet sich eine Traube vor dem Saal, Akkreditierte müssen kurz warten, bis die Zahlkunden alle drin sind. Die meisten fügen sich dem ohne Murren. Ein paar besonders Akkreditierte aber lassen sich die Möglichkeit zum Stänkern, zumindest aber zum wild mit dem Plastik Fuchteln nicht entgehen. Sie seien akkreditiert, wird da geblökt, dabei ignorierend, dass der bemerkenswert die Fassung bewahrende CinemaxX-Angestellte zuvor schon meinte, dass Akkreditierte bitte kurz am Rande warten mögen. Mit großen Augen stehen sie nun da, diese Wichtigheimer, fuchteln rum und mimen den dicken Max. Manch einer zieht auch die Liste mit den Pressevorführungen raus und deutet mit dicken Zeigefinger drauf. Sicher, meint der Angestellte, aber es ist eben auch eine öffentliche Veranstaltung. Brüskiert wird sich umgedreht, mit den Augen gerollt, als sei man eine Kuh auf LSD. "Mein Gott", möchte man ihnen zurufen, "Du kannst Dir hier kiloweise Filme for free anschauen und musst nur ein paar, meist ohnehin debile, Zeilen drüber schreiben. Tausende beneiden Dich! Führ Dich doch einfach nicht so auf, bloß weil's mal ein paar Minuten länger dauert!"
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Eine Welt für sich: Der Filmmarkt, unweit des Berlinale-Palastes. Hier herrscht alle schmierige Business-Freundlichkeit der Welt. Jeder ein potentieller Einkäufer, Kunde und Geldbringer. Man muss die Dialoge, den Umgang miteinander dort selbst einmal gehört haben, um's zu glauben.
Trotzdem ist der Filmmarkt gleichzeitig auch so was wie der Traum vielleicht nicht eines jeden, aber doch so manchen Geeks. Kiloweise Promomaterial zu den neuesten, internationalen Produktionen liegt da rum. Manche Filme sind gar ganze Hefte wert und viele nationale Kinematografien stellen ihren letzten Jahrgang in Buchform vor - natürlich zum Mitnehmen, sicher, und ein Lächeln vom Countermäuschen gibt es noch dazu.
Man verfällt in Mitnehmrausch. Alles, was nicht niet- und nagelfest ist, landet im Arm. Der schmerzt bald und man fürchtet, eine etwas armselige Figur zu machen. Ist aber nicht schlimm, weil hier jeder mit mindestens drei bis vier Kilo Promomaterial auf dem Arm durch die Gegend hechelt, dabei immer zur Seite stierend, ob es nicht doch noch ein (in der Regel sehr hübsch gestaltetes) Infoblatt gibt, das noch nicht eingepackt wurde. Hier und dort kann man in Filme reinschauen, auf kleinen DVD-Spielern mit LCD-Bildschirm, bei den Asiaten aber gerne auch mal auf dem großen Plasmaschirm. Das meiste ist noch unveröffentlicht, manches noch gar nicht fertiggestellt. An einem Stand einer Hongkonger Firma war es mir dann auch möglich, einen Blick auf ein PromoReel von Tsui Harks neuestem Film Seven Swords werfen können. Ein Zusammenschnitt "bester Szenen", natürlich sind die Drähte noch zu sehen gewesen, aber generell lässt sich wohl schon vermuten, dass Tsui Hark mit diesem ausstattungstechnisch offenbar sehr aufwändigen Film eine gelungene Rolle rückwärts in seine nostalgischen Wuxia Pian der frühen 90er vollzogen hat, bzw. diese technisch auf den neuesten Stand gebracht hat. Überhaupt sind die Stände der asiatischen Firmen ganz wunderbare kleine Inseln mit vielen bunten Materialien. Sogar Exemplare des besonders schön gestalteten Programmhefts vom Festival in Pusan liegen hier aus. Richtig wohnzimmrig altbacken wirken dagegen die Stände zahlreicher deutscher Anbieter und vor allem der Öffentlich-Rechtlichen. Bei ARD stehen ein paar blaue Stühle und kleine Tischchen rum, darauf: Knabberzeug, Weihnachtsplätzchenartiges. Bombenmarketing!
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Unvergesslich auch ein Moment im Presseraum, wo internationale Journalisten ihre Texte in die Welt schicken. Nach erfreulicherweise nur wenigen Minuten Anstehen, ergattere ich einen Platz, ungünstigerweise zwar in der "Express Station", wo nur 15 Minuten lang getippt werden darf, aber ich will mich ohnehin kurz fassen. Freudig haue ich in die Tasten und sehe meinen Text allerdings auf Kyrillisch erstrahlen. Nicht, dass der Rechnerplatz das vorher irgendwie preisgegeben hätte ...
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Was den Wettbewerb und also den Großteil der öffentlich(st)en Berichterstattung betrifft, könnte dies, so dachte ich noch letzte Nacht, Kosslicks schlimmste Berlinale werden. Gleichzeitig aber - und das ist gar nicht mal so paradox, wie man vielleicht ja wirklich erstmal glauben möchte - gibt es in den verschiedenen Sektionen in der Tat genug zu entdecken, um sich eine der vielleicht besten und interessantesten Berlinalen der letzten Jahre zusammenzustellen. Wenn dies die Folge eines sich selbst zunehmend für obsolet erklärenden Wettbewerbs ist, soll mir das nur recht sein.
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Das Wetter ist leicht besser, der Trubel hat merklich angezogen. Bei gerade mal zwei Filmen, die ich heute gesichtet habe (dazu später mehr), war es mir eine große Freude, durch die ersten Festivalwogen am Postdamer Platz zu streifen, bald hierhin, bald dorthin zu schauen, Eindrücke sammeln. Wenn man soviele Menschen auf einem Haufen sieht, die mal mit der Leidenschaft des Liebenden, mal mit der Hektik des Berichterstattenden über's Gelände pesen, weiß man einmal mehr, warum dies die schönste Jahreszeit von allen ist. Noch macht die Betriebsamkeit große Freude, warten wir ab, wie es in vier, fünf Tagen aussieht, wenn es zwischen heimischem Bett, PC und Filmvorführungl keinen Zwischenraum mehr gibt ...
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Thema: Berlinale 2005
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11. Februar 05 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
Hallo, Herr Kuhlbrodt aus der taz
Also ihre Kritik zum Shiori-Film, den ich ja auch sehr toll fand, ja also die ist wirklich schön. Ja, ging mir ähnlich beim Rausgehen.
Also ihre Kritik zum Shiori-Film, den ich ja auch sehr toll fand, ja also die ist wirklich schön. Ja, ging mir ähnlich beim Rausgehen.
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Thema: Berlinale 2005
11. Februar 05 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren

Mitternachtskino, das ist grell, laut, oft virtuos umgesetzt, grundsätzlich immer größenwahnsinnig, prätentiös, nicht immer, ja eigentlich kaum geschmackssicher, kontrovers, fabelhaft, es wirft 1000 Ansprüche für sich auf, von denen nicht mal die Hälfte eingelöst wird. Das macht es sympathisch, es putzt die Rezeptoren durch, provoziert. Im Gegensatz zu den ungefällig gefälligen Wettbewerbsfilmen, die ganz auf Sicherheiten hin ausgewählt zu scheinen, ist ein Mitternachtskinofilm grundsätzlich einer, der seinen Zuschauer anschreit und Positionierung verlangt.

Der brasilianische Eröffnungsfilms des Panoramas, Redentor, entspricht dem voll. Werbe- und Videoclipregisseur Claudio Torres, der hier sein Debüt abliefert, schätzt seinen Film auch so ein, dass er den Hunger, die Wildheit und die Konsequenz eines Debüts habe und er bedankt sich gleich darauf, nicht mit Eiern und Tomaten beschmissen zu werden. Fragen an ihn gibt es trotzdem keine. Der Film, spätabends und noch dazu mit erheblicher Verspätung in einer kurzfristig anberaumten zweiten Vorführung parallel zur eigentlichen gescreent (und in der Tat wurden hinter den Kulissen die Rollen von Saal zu Saal geschockelt), hat die Leute fertig gemacht. Das Hirn ist voll von grellen Bildern, wahnwitzigen Handlungsverläufen, abgeschmackten bis genialen Ideen - und dass er, Torres, es mit diesem, nun ja, Werk ernst meint, daran besteht kein Zweifel.
Der Film ist wirr, auf Überwältigung hin, inszeniert. An sich aber von einfacher Erzählung, wenngleich sie in viele Detailmomente gegliedert ist, in denen entscheidende Weichen gestellt werden. Célio Rocha, Journalist in unter-mittelmäßigen Lebensverhältnissen, soll über einen Skandal im Baugewerbe berichten. Dahinter steckt sein alter Schulfreunde Otávio Sabóia, der einzige Erbe des bankrotten Bauunternehmers „Dr.“ Sabóia, der sich kurz zuvor das Leben genommen hat. Vor Jahren hatte der Spekulant hunderte Familien, darunter Célios, mit der Aussicht auf schnieke Luxusapartements ins Elend getrieben. Die Folge ist ein ganzes Elendsviertel vor den Toren Rio de Janeiros, bizarrerweise direkt vor dem nahezu fertiggestellten Luxusbau, der jedoch nie bezugsfertig wurde und seit Jahren brach liegt. 15 Jahre später nehmen die Bewohner der Favelas die Sache in die Hand und besetzen, was sie für ihren Besitz halten. Fatalerweise auch die Wohnung, die Célios Vater einst abgestottert hatte, der, wenn auch todkrank, von keinem anderen Wunsch beseelt ist, Rache an der Spekulantenfamilie zu nehmen. Doch der gerissene Otávio nutzt unter allerlei Versprechungen Célio als Lockvogel für weit Schlimmeres. Der Pakt fliegt auf, Otávio bugsiert Célio in den schlimmsten Knast des Landes, wo er eine Erleuchtung hat, Gott sucht und findet, die Insassen befreit und das Volk mit göttlichem Auftrag aufwiegelt. Die Erlösung ist greifbar nahe und Gott auf seiner Seite ...
Redentor beißt in alle Richtungen. Wer das Kino, warum auch immer, vorrangig als politische Anstalt versteht, wird von dieser (manchmal leider auch sich selbst) beißenden Satire am laufenden Meter vor den Kopf gestoßen: Möchte man jubeln über den offen antikapitalistischen Gestus, wird man greinen, wenn die "kommunistische" Erhebung ebenfalls mit menschlich-hässlicher Fratze gezeigt und von Torres zudem noch als - keine Wertung - hanebüchene Religionsstiftung mit offenen Jesus-Parallelen verkauft wird, als Gründung einer religiösen Bewegung, die Halleluja singt, aber auf handfesten monetären Gelüsten beruht. Und dazwischen ist alles wild, oft zu wild, dann wieder delirierend orientierungslos, man erstickt an eigenen Ambitionen.
Torres hätte aus dem Material gut zwei bis drei Filme machen können. Weiß der Geier, warum er alles in einen Film stopfen musste, der zwar nicht immer, aber auffällig oft an seiner Überfülle zu bersten droht. Das Ergebnis stimmt zwiespältig: Ein grotesker Satire-Genrefilm, wie man ihn ohne weiteres auch ins Fantasy Filmfest bugsieren könnte, der über weite Strecken mit seiner hausieren gehender Ungezügeltheit schlicht langweilt, um dann zum Ende hin das Gaspedal wieder voll und im besten Sinne nach unten zu drücken. So ähnlich hatte man das im Panorama schon vor zwei Jahren, als da das Little Match Stick Girl lief, ein - im Gegensatz zu Redentor - vollends und über die Ungenießbarkeit noch hinaus überladenes Knallbonbon aus Korea. Redentor immerhin kriegt gerademal so noch die Kurve und humpelt aufrecht durch's Ziel. Respektapplaus ist ihm sicher. Fragen? Nein, danke - keine.
imdb | festival-infosheet
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