Donnerstag, 17. Februar 2005
Der Film läuft in der Sektion Panorama.

Natürlich sehr populär gehaltene Dokumentation über einen der großen gemeinhin übergangenen Klassiker der Filmgeschichte. Deep Throat war in den frühen 70er Jahren der erste Pornofilm, der es zum Boxoffice Hit gebracht hat und darüber hinaus aufgrund seiner Machart - die Sexzenen sind in ein Narrativ eingebettet, der übliche wissenschaftliche Kommentar der "Aufklärungsfilme" fehlt - zum langjährigen Gegenstand zahlloser Zensur- und Moraldebatten geriet, die das Leben der Beteiligten zum Teil nachhaltig, bis heute, bestimmten: Hauptdarstellerin Linda Lovelace, in den 70ern noch reinem Pornorebellentum verfallen, wurde in den 80er Jahren von den Feministinnen vereinnahmt, distanzierte sich aber in den 90ern wiederum von denen. Hauptdarsteller Harry Reems drohte zu Blütezeiten der Moraldebatte eine 5jährige Haftstrafe, die nach dem Wahlsieg der Demokraten (und einer breiten Solidaritätsbewegung in Hollywood) jedoch ausgesetzt wurde.

Fälle, die typisch sind für gesellschaftlichen Umgang mit Pornografie, die Dinge antastet, die die Diskurse zum Rumoren, wenn nicht zum Schwitzen bringt. Die Pornografie wird dabei in den Raum bloßer Referenz verdrängt, wo man über sie nur über Umwege sprechen kann. Dies schlägt sich auch in Inside Deep Throat nieder, der, mit einer kurzen Ausnahme, ebenfalls nur über seinen Gegenstand spricht, indem er das Brisante an ihm letzten Endes ausblendet und durch den Talk, der zwar meint und beschreibt, letzten Endes nur verdeckt. Inside Deep Throat wird letztens auch Kronzeuge dafür, wie Sprache und Wörter (und natürlich auch Bilder) ihren Gegenstand verschlucken und verstecken, obwohl sie ihn eigentlich offenbaren wollen. Auch dies ein Indiz dafür, wie komplex die Pornografie und ihr Diskurs sich gestaltet. Man könnte Lacan und sein Modell vom Objekt klein a anführen. Und wenn in Deep Throat die narrative Prämisse die ist, dass die Klitoris der Hauptdarstellerin im Rachen gelandet ist, schaut Deleuze mit seinen neuen Organen um die Ecke.



Überhaupt ist es dann aber eine Leistung von Inside Deep Throat zu betonen, dass die, zugegeben vorgeschobene, narrative Grundlage seines Originalfilms das Lustbestreben der Frau und vor allem den klitoralen Orgasmus zum Thema hat. Beides war damals, wie die Doku ausführt, keineswegs selbstverständlich: Der erste Richter, der den Film noch verbieten wollte, argumentierte, dass der Film deshalb auch gefährlich sei, weil er Frauen in die Irre führe, was das Zentrum ihrer Lust betreffe: Der klitorale Orgasmus sei gefährlich und falsch, der Film deshalb gesellschaftszersetzend: Argumentation eines heillos gestrandeten Patriarchen. Ein verschütt gegangenes Wissen, ohne dass die (aus heutiger, ideologisch etwas entspannterer Sicht) subversive Wirkung des Films nicht zu rekonstruieren ist.

Isngesamt ist der Film vielleicht etwas überambitioniert, was das Erzählen all dieser Geschichten (und noch einiger mehr) betrifft. An jeder Ecke taucht ein neues Info bit auf, das oft nur angetastet, aber selten in Gänze ausformuliert wird. Ferner liegt über allem der ausgestellte liberale Gestus, der oft an bloße Schlaumeierei erinnert. Zwar werden auch Gegenpositionen im Film als solche benannt, doch beeilt sich Inside Deep Throat stets, diese schnell zu entkräften und als falsch hinzustellen. Das mag zum Teil sehr richtig sein - besonders widerwärtig: der Vertreter der christlichen Rechten -, doch hinterlässt die Methode als solche auch einen leicht faden Nachgeschmack.



Andererseits aber ist dies ein Kapitel Filmgeschichte, auf das der Zugriff heutzutage schwer fällt, weil Filmpublizistik und -wissenschaft die Pornografie bis heute allenfalls unter "ferner liefen" abhandeln. So gesehen muss man dem Film - trotz dem, was man ihm vorwerfen kann - zunächst einmal dankbar sein, dass er eine Ära der Filmgeschichte, die Bedingungen ihrer Möglichkeit, ihre Protagonisten und vor allem ihre lang nachklingenden Echos als Materialsammlung überhaupt ompiliert und als Feld für weitere Forschungen vorschlägt. Selbst Harry Reems, der heutzutage - nach einer traurigen Alkohol- und Drogenkarriere - bekennender Christ und Immobilienmakler ist (aber sich, was ihm hochanzurechnen ist, keineswegs seiner Vergangenheit schämt), bekennt noch im Interview für Adult Video News, dass Inside Deep Throat Aspekte vermittle, die ihm bislang unbekannt gewesen seien.

Natürlich ist bei Inside Deep Throat auch viel Geheische zu sehen. Funky Porno Chic allenthalben. Aber: Diese Methode ist vielleicht auch notwendig, um, über das bloße Wissensvermitteln hinaus, auch auf ästhetischer Ebene spürbar zu machen, was genau damals am Times Square vor sich ging, als sich blockweise für diesen Film angestellt wurde und ein Pornofilm erstmals zumindest in referenzierender 2. Ordnung den Sprung in Mainstream Media gelang.

Wie sein Gegenstand: Ein ambivalenter Film.

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