Thema: Berlinale 2008
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Ein mythisches Bild: Ein Mann gräbt im Schacht, im Dreck. Zuvor dunkel dräuend: Karges Gebirge. Er findet was, er wühlt, schlägt Löcher ins Gestein. In eine Nische kommt das Dynamit. Der Soundtrack ätherisiert das Geschehen, enthebt es völlig der Realität. Der Mann sprengt das Dynamit, stürzt ins Loch, bricht sich das Bein, zieht sich selbst aus dem Loch hervor und, mutmaßlich, durch die Wüste. Silber und Gold hat er gefunden, das Jahr ist 1898, wenige Jahre später - noch immer dieser Soundtrack - findet er dort, mit ein paar Gefährten, Öl. Es wummert und zischt auf der Tonspur, das Öl kommt nach oben, klebt an einem Metallbolzen, das der Mann berührt wie einst der Menschenaffe bei Kubrick den Monolithen. Gewalt und Reichtum, die Geburt aus dem Schlamm, frontier capitalism in seiner rauhsten Form.
Ein Westernbild: Eine flache Landschaft, Eisenbahngleise, die sich gerade in den Horizont ziehen. Die Kamera befindet sich auf diesen Gleisen, ein Auto aber, kein Zug, tritt in ihre Aufmerksamkeit, sie folgt der Linie des Wagens, die Gleise rücken aus dem Bild, bis man sie schnell vergessen hat, das Auto fährt. Es ist 1901 und die Gesellschaft entfernt sich, mit jedem Auto ein wenig mehr, von kohlebasierter Energie zur ölbasierten. Leichtfüßig setzt Paul Thomas Anderson das alles in Bild, völlig beiläufig und doch vollkommen präsent.
There Will Be Blood erzählt, mit alttestamentarischem Ingrimm verbrämt, eine Gründergeschichte, an der sich ein Mythos entbrennt. Er erzählt vom Öl, wie es unter haarsträubenden Bedingungen buchstäblich in die Welt dieser Menschen kam und als Basis, und somit Quell unermesslichen Reichtums, einer ganzen, noch frischen Gesellschaft, und er erzählt vom Predigen, von Religion, als zweiter Basis. Beide Instanzen, hier im Film im steten Widerstreit, verbinden sich im Schauprinzip: Daniel Day-Lewis als Plainview, Schürfer und "Ölmann", bezirzt die Investoren mit Aussagen, die vorangegangene Bilder schon vorab als Lügen enttarnt haben, und Paul Dano als Eli, der an der frontier eine Kirche gründet und als Vorläufer heutiger TV-Prediger mit ihren Widerwärtigkeiten ins Bild gesetzt wird. Beide schmieren, von Paul Thomas Anderson bis an die Grenze des over-actings getrieben, aber zum Gewinn des Films, der aus beider Performance den Irrsinn zieht, von dem There Will Be Blood handelt.
Es ist eine Abfolge von Betrügereien und Demütigungen, die beide, bis zum delirierenden Höhepunkt auf einer Bowlingbahn, als dessen filmhistorische Blaupause mutmaßlich Clockwork Orange herangezogen wurde, miteinander verschraubt. Aus diesem Netz von menschlichen Verfehlungen, Gemeinheiten und Dreistigkeiten, so könnte es sich Paul Thomas Anderson gedacht haben, wurde einst das Fundament der Vereinigten Staaten von Amerika in ihrer heutigen Form gelegt.
Die Bilder und Sounds, die Anderson dafür findet, sind mit einem Wort großartig. Seit Boogie Nights gilt der Filmemacher als Independent-Wunderkind, mit Magnolia konnte er sich beweisen und mit Punch Drunk Love legte er ein ausgesprochenes Meisterwerk vor. There Will Be Blood macht sich in dieser Reihe hervorragend. Wie alle seine Filme ist auch dieser, zumindest für Hollywood-Verhältnisse, exzentrisch, eigenwillig, voller Überraschungen - ein Kind ganz und gar seines Autors. Seine Geschichte wirkt entfremdet und enthoben, fernab unnötigen psychologischen Ballasts und über weite Strecken dicht dran an jenem das Mythische, aber nicht das Romantische suchenden Wahnwitz, der die Filme Werner Herzogs auszeichnet.
Trailer:
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Ein mythisches Bild: Ein Mann gräbt im Schacht, im Dreck. Zuvor dunkel dräuend: Karges Gebirge. Er findet was, er wühlt, schlägt Löcher ins Gestein. In eine Nische kommt das Dynamit. Der Soundtrack ätherisiert das Geschehen, enthebt es völlig der Realität. Der Mann sprengt das Dynamit, stürzt ins Loch, bricht sich das Bein, zieht sich selbst aus dem Loch hervor und, mutmaßlich, durch die Wüste. Silber und Gold hat er gefunden, das Jahr ist 1898, wenige Jahre später - noch immer dieser Soundtrack - findet er dort, mit ein paar Gefährten, Öl. Es wummert und zischt auf der Tonspur, das Öl kommt nach oben, klebt an einem Metallbolzen, das der Mann berührt wie einst der Menschenaffe bei Kubrick den Monolithen. Gewalt und Reichtum, die Geburt aus dem Schlamm, frontier capitalism in seiner rauhsten Form.
Ein Westernbild: Eine flache Landschaft, Eisenbahngleise, die sich gerade in den Horizont ziehen. Die Kamera befindet sich auf diesen Gleisen, ein Auto aber, kein Zug, tritt in ihre Aufmerksamkeit, sie folgt der Linie des Wagens, die Gleise rücken aus dem Bild, bis man sie schnell vergessen hat, das Auto fährt. Es ist 1901 und die Gesellschaft entfernt sich, mit jedem Auto ein wenig mehr, von kohlebasierter Energie zur ölbasierten. Leichtfüßig setzt Paul Thomas Anderson das alles in Bild, völlig beiläufig und doch vollkommen präsent.
There Will Be Blood erzählt, mit alttestamentarischem Ingrimm verbrämt, eine Gründergeschichte, an der sich ein Mythos entbrennt. Er erzählt vom Öl, wie es unter haarsträubenden Bedingungen buchstäblich in die Welt dieser Menschen kam und als Basis, und somit Quell unermesslichen Reichtums, einer ganzen, noch frischen Gesellschaft, und er erzählt vom Predigen, von Religion, als zweiter Basis. Beide Instanzen, hier im Film im steten Widerstreit, verbinden sich im Schauprinzip: Daniel Day-Lewis als Plainview, Schürfer und "Ölmann", bezirzt die Investoren mit Aussagen, die vorangegangene Bilder schon vorab als Lügen enttarnt haben, und Paul Dano als Eli, der an der frontier eine Kirche gründet und als Vorläufer heutiger TV-Prediger mit ihren Widerwärtigkeiten ins Bild gesetzt wird. Beide schmieren, von Paul Thomas Anderson bis an die Grenze des over-actings getrieben, aber zum Gewinn des Films, der aus beider Performance den Irrsinn zieht, von dem There Will Be Blood handelt.
Es ist eine Abfolge von Betrügereien und Demütigungen, die beide, bis zum delirierenden Höhepunkt auf einer Bowlingbahn, als dessen filmhistorische Blaupause mutmaßlich Clockwork Orange herangezogen wurde, miteinander verschraubt. Aus diesem Netz von menschlichen Verfehlungen, Gemeinheiten und Dreistigkeiten, so könnte es sich Paul Thomas Anderson gedacht haben, wurde einst das Fundament der Vereinigten Staaten von Amerika in ihrer heutigen Form gelegt.
Die Bilder und Sounds, die Anderson dafür findet, sind mit einem Wort großartig. Seit Boogie Nights gilt der Filmemacher als Independent-Wunderkind, mit Magnolia konnte er sich beweisen und mit Punch Drunk Love legte er ein ausgesprochenes Meisterwerk vor. There Will Be Blood macht sich in dieser Reihe hervorragend. Wie alle seine Filme ist auch dieser, zumindest für Hollywood-Verhältnisse, exzentrisch, eigenwillig, voller Überraschungen - ein Kind ganz und gar seines Autors. Seine Geschichte wirkt entfremdet und enthoben, fernab unnötigen psychologischen Ballasts und über weite Strecken dicht dran an jenem das Mythische, aber nicht das Romantische suchenden Wahnwitz, der die Filme Werner Herzogs auszeichnet.
Trailer:
° ° °
kommentare dazu:
grammaton cleric,
Freitag, 8. Februar 2008, 18:55
Heute auch gesehen und kann Dir nur zustimmen, ein buchstäblich großer Film. Ohne seine Musik wäre der Film nichts, so großartig ist diese. Läuft auf der Berlinale eigentlich die DF oder die OV? Bei unserer PV gab es leider die DF, obwohl die OV angekündigt war - liegt vielleicht am badligen Bundesstart...
thgroh,
Samstag, 9. Februar 2008, 11:55
Auf der Berlinale - die ja nicht umsonst Internationale Filmfestspiele Berlin heißt - laufen immer Originalfassungen mit deutschen, oder, wo nötig, zusätzlich englischen Untertiteln.
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