31.05.2004, Heimkino

Chinesische Provinz, vor vielen, vielen Jahren: Eine alte, morbide Legende erzählt von einem Laternenmacher, der menschliche Haut als Rohstoff für sein Handwerk verwende. Und so beginnt denn dieser Film mit Blitzen und Donnergrollen und er zeigt uns in kurzen Lichtsekunden blutbenetzte, herabhängende Beine und ebenso blutiges Handwerkszeug ...

Doch bis der versprochene Horror des Vorspanns in den Film eintritt, ist es noch etwas hin: Ein Dorffest mit den zwei mächtigsten Männern der Gemeinde, die sich - natürlich - nicht riechen können, dient ihm zur Exposition. Wir erfahren Grundkonflikte, ohne dass diese allzu konkret ausformuliert würden. Natürlich geht es um Stolz, Eitelkeit und Ehrabschneidung: Wer zum Neujahrsfest dem Dorf den schönsten Lampion präsentieren kann, gewinnt. Diese simple Anordnung gewinnt im Verlauf an Tiefe und Komplexität, ohne dass dabei das richtige Maß überschritten wäre, ganz im Gegenteil ist es beeindruckend, mit welch sicherer Hand der Film - immerhin eigentlich als knalliger Reißer angelegt - stets die Balance zwischen Martial Arts, Horror, Groteske und Drama hält, seine mäandernden Verflechtungen immer wieder zum Mittelpunkt des Films zurückführt. Das ist alles andere als der gewohnte Standard in diesem Segment der Filmproduktion.

Im wesentlichen folgen wir Master Lung, der einen alten Lampionmeister in die Pflicht für seine Zwecke nehmen will. Doch der winkt ab und verweist an einen anderen, der nur im Verborgenen leben will und sich als ein ehemaliger Konkurrent Lungs herausstellt. Vor Jahren war dieser von Lung geschlagen worden, seitdem meidet er das öffentliche Leben. Lung ersehnt ihn um Hilfe und bietet ihm Reichtümer an, der Eremit willigt schließlich ein, unter der Bedingung, dass Lung dessen Höhle bis zur Fertigstellung des Lichtwerks nicht mehr betreten dürfe - der Deal ist perfekt. Doch in Folge mehren sich Entführungsfälle: Damen aus dem Umfeld von Lungs Konkurrenten verschwinden vom Erdboden, von einem wild anzusehenden Wesen entführt, was jedoch nur wir wissen. Gegenseitige Verdächtigungen und die Ermittlungen eines Polizeibeamten stacheln die Stimmung auf, während die Frauen in der Grotte des Eremiten blutige Tode sterben ...

Human Lanterns ist nicht unbedingt spannend im Sinne eines dramaturgischen Aufbaus geraten. Er konzentriert sich zum einen, wie gesagt, zwar sehr genau auf sein narratives Geflecht, dass er trotz vieler Action- und Gruselsequenzen nie außer Augen lässt. Da von Beginn an kein Zweifel bestehen kann, wer hinter den Morden steckt, ist das Interesse den verschiedenen Konstellationen zugewandt, die im Laufe vertieft werden, wie auch die Frage stets im Raum steht, wie nun der Plan des Eremiten - offensichtlich will er die beiden Machthaber gegenseitig ausspielen - aufgeht. Dass wir weitgehend die Perspektive Lungs teilen - einem unglaublich von sich eingenommenen, eitlen Widerling - versetzt dem ganzen die richtige Würze, da aus moralischen Gründen - eben deshalb - ein Happy End für diese Person eigentlich kaum in Frage kommt. Gerade in Verbindung mit den zahlreichen Swordplay-Szenen - Human Lanterns ist, trotz seines makabren Szenarios, kaum Horror, sondern eher wuxia pian - ergibt sich daraus eine Spannung, die sich vor allem aus dem Moment ergibt: Man weiß nie - wirklich nie! - wer nun als nächstes ins Gras beißt, ob der Film seine Hauptfigur opfert oder nicht, kurzum: Wie es wohl weitergehen wird. Dem bekannten ästhetischen Genuss beim Betrachten solcher, im übrigen exzellenter Kampfchoreografien wird eine gesunde Prise Surprise zur Seite gestellt, die ihre Wirkung nicht verfehlt. Ergänzt wird dieser Spaß durch einige ungemein schön ausgeleuchtete Kulissenaufnahmen - seien es auf den Anwesen der beiden Konkurrenten, sei es die schaurig-gruselige Grotte des makabren Blutmetzes -, die ohne weiteres an die besten Momente der großen Shaw-Klassiker anschließen.

Eine kleine Überraschung also: Erwartet hatte ich einen spekulativen, sleazigen Reißer. Bekommen habe ich einen wohldurchdacht erzählte und inszenierte Groschenromanbegebenheit. Und das ist, natürlich, keineswegs negativ gemeint. Lustvolle Trivialität der schönen Sorte (schade nur, dass die DVD der Reissue-Reihe einige Schnitte aufweist).

imdb
filmtagebuch: shaw


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