Thema: Hoerkino
Ich hatte Neurosis seit einiger Zeit für mich abgeschrieben. Nach Through Silver in Blood, diesem bis heute wahnwitzigen Audio-Dokument menschlicher Verzweiflung, war da nichts mehr gekommen, was mich noch zu begeistern wusste. Muckertum, esoterische Anwandlungen, blasse Kopie, emotionale Beliebigkeit - so meine Eindrücke.

Und dann kommt The Eye of Every Storm und - nein, nicht alles ist so wie früher. Das wäre für eine Band, die sich selbst nie als am Endpunkt angekommen kommuniziert, sondern mit jeder neuen Platte lediglich eine weitere Etappe markiert hat, nicht standhaft. Aber die Emotion ist wieder da, diese untergründige Berührung, Transzendenz. Dass das, was hier geschieht, unmittelbar auch mit der eigenen Gefühlswelt zusammen hängt.

Wo Through Silver in Blood (man verzeihe mir diese Verkürzung in der Werksbetrachtung, aber zu all dem, was dazwischen liegt, kann ich wirklich nichts schreiben - das fand für mich nie statt) ein unbändiges Auflehnen war, ein Stahlgewitter aus aneinander sich hochpeitschenden Gefühlsausbrüchen, ein stetes Auf und Ab, unkontrolliert, wild, herrscht bei The Eye of Every Storm natürlich höchste Konzentration, oft schon kontemplative Ruhe. Dies liegt vor allem an der Brillanz des Sounds, wie man merkt, wie jede Sekunde im Studio noch ins Detail zurechtgeschliffen wurde. An Stelle der großen Oper von früher nun der minimalistische Sound, dessen Wabern und Pochen genau konzipiert ist. Jede Harmonie Produkt einer Auseinandersetzung mit dem eigenen Können, jeder Effekt genau abgestimmt und sinnvoll ins Gesamtbild eingepflegt. Wir befinden uns im Auge des Sturms. Dort, wo es windstill ist. Aber nur, weil drum herum ein Inferno tost.

Dieses klingt oft noch durch, bricht ein. Immer wieder Spitzen, in denen alte Platten der Band und deren Gitarrenwände durchscheinen. Der Rest ist ein wohldurchdachtes Treiben durch eine Welt der Selbstversenkung, ohne dabei ins bloße Selbstmitleid zu geraten. Die Enemies of the Sun sind zurück. Mit einer Platte, die beinahe am Sommeranfang veröffentlicht wurde. Die große Geste des Aufbegehrens, schon immer Markenzeichen: "Leave me, Demons, did I want you?", so zu hören auf ihrem Meilenstein Souls at Zero. Die Gelassenheit, mit der jetzt nun der Sonne entgegengetreten wird, hat etwas Beängstigendes. Es wird sich ausgeliefert, auch weiterhin, auf beiden Seiten.


° ° °




kommentare dazu:





To prevent spam abuse referrers and backlinks are displayed using client-side JavaScript code. Thus, you should enable the option to execute JavaScript code in your browser. Otherwise you will only see this information.


...bereits 1376 x gelesen