Deadlock im Tilsiter, ein rabaukiger Film in der eher rabaukigen Kinokammer in Friedrichshains ziemlich rabaukigem Nordkiez. Is' klar, das wird eine Vorführung, an die man noch denken wird. Nicht nur, weil der Berliner Undergroundfilmer Carl Andersen, durchaus berüchtigt, auch im Publikum sitzt und gleich noch zwei Hunde mit im Schlepptau hat. Sondern auch weil Roland Klick, Regisseur des Film, bald 70, doch noch immer agil und hungrig, obwohl ihm schon Dennis Hopper mal den Fuß gebrochen hat, anwesend ist.

Der Film selbst: Großartig, zumal hier, wo er hingehört: Im/ins Kino. Muss man nicht groß drüber reden.

Denn danach: Anderthalb Stunden Anekdoten aus erster Hand. Natürlich: Basteln am eigenen Mythos, aber man will ja auch gar nichts anderes. Klick zunächst im Schneidersitz auf einem Tisch, doch springt er immer wieder auf, spielt nach, gestikuliert, eine unglaubliche Vitalität - die aber nichts aggressives für sich hat. Nur einmal, sagt er, hat er auf einem Set geschrien: Weil der Produzent 1.500 Mark sparen wollte - und damit eine Kettenreaktion in Gang gesetzt hatte, an deren Ende ein Verlust im sechsstelligem Bereich zu verzeichnen stand.

Wie fremd da alles Buhlen um Filmpolitik und Fördergelder wirkt (gerade auch wieder im Blog eines deutschen Regisseurs), wenn man hört, wie Klicks Crew da in Israels Wüste hockte und es keinen Weg zurück gab. Ein Produzent aus Deutschland - ein obskurer Film hatte gerade Kohle in die Kasse geschwemmt - hilft so gerade aus: Wenn Du es da raus schaffst, warten hier 50.000 Mark auf dich. Die Produktionsgelder, läppische 250.000 Mark, hatten gerade mal so den Dreh finanziert, Klick erwarten 1 Million Mark Schulden, zunächst. In Cannes soll der Film gezeigt werden: Ein Strohhalm bei solchem Kontostand. Regisseure, die, so Klick, "lieber ihre Intelligenz verfilmen als einen intelligenten Film zu machen", betreiben Lobbyarbeit: "Läuft dieser Film in Cannes, ist der junge deutsche Film ruiniert." 1 Million Mark Schulden - drei Tage später ist der Film aus dem Festival raus. Klick nimmt's, heute jedenfalls, mit größtem Humor, den nur der immer Außenstehende entwickeln kann. Wie ihm überhaupt nichts Bösartiges eignet, im Gegenteil: Er vertritt noch immer seinen Standpunkt, Häme oder Aggression sprudeln aus ihm indessen nicht. Schlussendlich gelingt diesem Abenteuerfilm/Filmabenteuer doch noch das Unglaubliche: Die Refinanzierung, Klick schuldenfrei.

(Andersen unterdessen, mit Hunden und Muse, hat den Saal verlassen, nicht ohne noch ein lautstarkes "Ihr Vollidioten" von sich zu lassen)

Es gab noch so viel mehr zu erzählen, aus Klick sprudelte es nur so, waren die richtigen Fragen seitens des Publikums erstmal gestellt. Ein bisschen ließ er sich freilich auch feiern, doch sei dieser Ruhm von Herzen gegönnt. Ein wunderbarer Abend: Kino nochmal von unten, von der Seite - mit ordentlich Hunger im Magen. Wenn Du einen Film drehen willst, dann raub eine Bank aus, hat Werner Herzog einmal gesagt.

Die Roland-Klick-Retrospektive läuft in den Tilsiter Lichtspielen mit zahlreichen Wiederholungen der einzelnen Filme noch bis 24. September und ist unbedingt zu empfehlen.



° ° °




kommentare dazu:



tschill, Montag, 8. September 2008, 16:23
Das freut natürlich ungemein, weil ich vor einigen Jahren in der Z-Bar noch mit zwei versprengten Gestalten allein im Kino saß. Nur jemand von Fahrenheit 451 kam wegen illegaler Aufführung und Tantiemenverlust vorbei, ließ aber angesichts der gähnenden Leere schnell wieder ab.
Gut, daß Herr Klick damals nicht anwesend war, sondern jetzt die Tilsiter beehrt hat.


thgroh, Montag, 8. September 2008, 16:34
Nur jemand von Fahrenheit 451 kam wegen illegaler Aufführung und Tantiemenverlust vorbei

Wie unglaublich gut :-D - hoffentlich hatte er auch so einen silbernen Geldkoffer.


tschill, Montag, 8. September 2008, 18:21
Nicht, als er wieder ging. Hehe.

Der Betreiber des Z-inema hat die Situation weltmännisch gelöst. Das Versprechen, die gesamten Einnahmen des Abends der Filmgalerie zur Verfügung zu stellen, wurde wegen der Nähe zur Armutsbettelei dankend abgelehnt.



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