Thema: Filmtagebuch
24.07.2004, Heimkino
"I meant it metaphorically!"
- Albert Spica, dem Namen nach und auch sonst ein Mann des gesprochenen Wortes
Wenngleich ich einräumen muss, dass dieser Film im Vergleich zu seiner ersten Sichtung bei der zweiten ein wenig verblasst - was ich in erster Linie darauf zurückführe, dass die erste im Kino, die zweite zuhause stattfand -, so ist es doch, gerade vor diesem Hintergrund, bemerkenswert, wie er mich auch diesmal meine Außenwelt nahezu komplett vergessen ließ. Greenaways Filme sind in ihren besten Momenten so reich wie die Banketts, Küchen und Installationen, die er abfilmt. Es formuliert sich ein Archiv aus, das Archive filmt. Das allein ist nun nichts Neues, es ist ein allgemeiner Standpunkt der gängigen Greenaway-Rezeption. Hinreichender Ausdruck dafür, dass ich mich erneut - auf höchst lustvolle Art - erschlagen fühle. Von der Opulenz, der Kreatürlichkeit, aber auch von der Artifzialität dieser Bilder. Dem Verfall, den sie dokumentieren, von ihrem Dahinter.
Und weil es passt, weil ich es heute, einen Tag nach der Sichtung dieses faszinierenden Films, entdeckt habe und es im wesentlichen meine Gedanken während der Sichtung zusammenfasst, ein Auszug aus einem Interview mit Alan Moore, ebenfalls ein Visionär auf seinem Gebiet:
Q: Is there a kind of cultural disconnection between the image and fleshly reality? You interrogate the idea of the body in your work, especially in "Promethea," "Watchmen" and "From Hell," where Jack the Ripper's dissection of prostitutes' flesh gives him epiphanies as well as the power to transcend his own body, time and space.
A: Well, the body is one of our first sources of metaphor. One of the ways in which we create our language is to talk about things that are unfamiliar to us in terms of things that are familiar to us. Most of the metaphors that we use come from our own bodies. Of course, in magic, such as that I'm interested in, every part of the body has its own symbolic significance. We were talking earlier about the cult of the head. Various parts of the body, such as the sexual organs, have profound meanings in most systems and cultures. The eyes, the hands -- these are all very rich in symbolism because they are so immediate to us. We all know our bodies intimately; it's all we have and all we are. It tends to provide the easiest sort of metaphor. We talk about the face of a clock, or the foot of the stairs. The limbs of a corporation.
In diesem Sinne lässt Greenaway gesprochene und geschriebene Sprachkultur vor dem Hintergrund der Malerei gegeneinander antreten, bezeichnenderweise im Kampf um eine Frau. Adaption durch Verschlingung und Ausscheidung. Sex und Essen. Anus und Vagina sind nicht weit voneinander entfernt und Spica wird, so er im Furor, seinen Konkurrenten verschlingen, nur um dann, wenn es gilt, angeekelt zurückzuschrecken. Draußen verrottete der Schweinskopf, das Gemüse zerfließt, verflüssigt sich, und dieser ungeheure Gestank treibt Menschen Tränen in die Augen, hüllt die sich Liebenden, respektive ihre nackten Leiber, dennoch schützend in sich ein. Anus und Vagina. Schwanz und Schrift. Saftige Erotik, skatologische Obszönität. Peter Greenaway.
imdb | mrqe | greenaway guide
"I meant it metaphorically!"
- Albert Spica, dem Namen nach und auch sonst ein Mann des gesprochenen Wortes
Wenngleich ich einräumen muss, dass dieser Film im Vergleich zu seiner ersten Sichtung bei der zweiten ein wenig verblasst - was ich in erster Linie darauf zurückführe, dass die erste im Kino, die zweite zuhause stattfand -, so ist es doch, gerade vor diesem Hintergrund, bemerkenswert, wie er mich auch diesmal meine Außenwelt nahezu komplett vergessen ließ. Greenaways Filme sind in ihren besten Momenten so reich wie die Banketts, Küchen und Installationen, die er abfilmt. Es formuliert sich ein Archiv aus, das Archive filmt. Das allein ist nun nichts Neues, es ist ein allgemeiner Standpunkt der gängigen Greenaway-Rezeption. Hinreichender Ausdruck dafür, dass ich mich erneut - auf höchst lustvolle Art - erschlagen fühle. Von der Opulenz, der Kreatürlichkeit, aber auch von der Artifzialität dieser Bilder. Dem Verfall, den sie dokumentieren, von ihrem Dahinter.
Und weil es passt, weil ich es heute, einen Tag nach der Sichtung dieses faszinierenden Films, entdeckt habe und es im wesentlichen meine Gedanken während der Sichtung zusammenfasst, ein Auszug aus einem Interview mit Alan Moore, ebenfalls ein Visionär auf seinem Gebiet:
Q: Is there a kind of cultural disconnection between the image and fleshly reality? You interrogate the idea of the body in your work, especially in "Promethea," "Watchmen" and "From Hell," where Jack the Ripper's dissection of prostitutes' flesh gives him epiphanies as well as the power to transcend his own body, time and space.
A: Well, the body is one of our first sources of metaphor. One of the ways in which we create our language is to talk about things that are unfamiliar to us in terms of things that are familiar to us. Most of the metaphors that we use come from our own bodies. Of course, in magic, such as that I'm interested in, every part of the body has its own symbolic significance. We were talking earlier about the cult of the head. Various parts of the body, such as the sexual organs, have profound meanings in most systems and cultures. The eyes, the hands -- these are all very rich in symbolism because they are so immediate to us. We all know our bodies intimately; it's all we have and all we are. It tends to provide the easiest sort of metaphor. We talk about the face of a clock, or the foot of the stairs. The limbs of a corporation.
In diesem Sinne lässt Greenaway gesprochene und geschriebene Sprachkultur vor dem Hintergrund der Malerei gegeneinander antreten, bezeichnenderweise im Kampf um eine Frau. Adaption durch Verschlingung und Ausscheidung. Sex und Essen. Anus und Vagina sind nicht weit voneinander entfernt und Spica wird, so er im Furor, seinen Konkurrenten verschlingen, nur um dann, wenn es gilt, angeekelt zurückzuschrecken. Draußen verrottete der Schweinskopf, das Gemüse zerfließt, verflüssigt sich, und dieser ungeheure Gestank treibt Menschen Tränen in die Augen, hüllt die sich Liebenden, respektive ihre nackten Leiber, dennoch schützend in sich ein. Anus und Vagina. Schwanz und Schrift. Saftige Erotik, skatologische Obszönität. Peter Greenaway.
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kommentare dazu:
baehr,
Sonntag, 25. Juli 2004, 20:26
der Körper als größtes Zeichen...
...eine interessante Idee, wenn man Spica und seinen Kontrahenten gegeneinander stellt, und eine mögliche Lösung, wenn man die Kannibalen-Metapher begreifen will. Spica rückt in seinem Empfindugskosmos damit dem Sinn hinter der Sprache sehr viel direkter zu Leibe (jaja) als der lesende Liebhaber. Konsequent dann auch, dass er ihn die Worte fressen lässt, um das Geschehene zu sühnen, wie er zum Verzehr des Zeichensystems, dass ihm untertan ist, antritt, um die Sache zu verdauen.
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