26.07.2004, Heimkino

Der Titel legt's schon nahe: Eine Geisterhausgeschichte. Dann aber wieder ganz und gar nicht. Zumindest aber arbeitet der Film damit, um davon ausgehend sein ganz eigenes, besonderes Programm zu entwickeln: Dr. Norman Boyle zieht mit Gattin und dem kleinen Sohn von New York in das abgelegene Landhaus von Prof. Dr. Freudstein (!), um dort nach den Arbeiten des Wissenschaftlers zu forschen. Das Unternehmen steht unter keinem guten Stern: Schon im Vorfeld der Reise trägt sich gar Mysteriöses zu, die unheimlichen Ereignisse verdichten sich bei Ankunft in dem gruseligen Anwesen. Was weiß das enigmatische Kindermädchen Ann? Was hat es mit dem Mädchen auf sich, dass dem kleinen Bob immer wieder erscheint? Welchen Ursprungs sind die mysteriösen Geräusche, die aus dem Keller in das Haus dringen? Und was hat Dr. Freudstein hier erforscht?

Ähnlich wie in Fulcis flirrendem Meisterwerk The Beyond (Italien 1981), der ganz wunderbar mit Friedhofsmauer korrespondiert - man meint gar Nahtstellen zu entdecken, an denen ohne weiteres nun der andere Film sich in diesem fortsetzen könnte -, sind Plausibilität und Kohärenz, ja überhaupt das Gefüge der Kausalität untergeordnet. Fulci gelingt es meisterlich, sich von Narration und Plot zu emanzipieren und arbeitet eine Methode aus, die Grusel gothischer Provenienz und Splatter der Neuzeit miteinander verbindet, vor allem aber den Gruselfilm selbst zu untersuchen scheint. Meine persönliche Theorie vom Horrorfilm ist, dass in diesem Genre der Film selbst auf formalistischer Ebene ganz bei sich ist. Um effektiv zu sein - der Zuschauer soll sich, nach Möglichkeit, fürchten - muss er einen Spagat wagen: Zum einen muss das etablierte Weltgefüge hinreichend mit dem des Zuschauers korrespondieren, um diesen zu involvieren, was dem Film dessen Grusel garantiert, wenn er dann in diese Welt das Unheimliche und Phantastische dringen lässt. Er muss das Verständnis von Welt zum einen simulieren, zum anderen torpedieren. Und dies gelingt ihm in seinen besten Momenten durch eine Verzerrung des Raums und somit der Welt durch grundlegend filmische, eben formale Mittel. Seit jeher lassen sich im Horrorfilm vortrefflich technischer Fortschritt und Gespür für formale Aspekte der Filmsprache ablesen: Wo sie im Drama oder Autorenfilm meist "nur" der Etablierung des perslnlichen Anliegens dienen, letztendlich also untergeordnet sind, sind sie im Horrorfilm ganz primärer Gegenstand.

Das Haus an der Friedhofsmauer ist hierfür das beste Beispiel. Es gibt wohl kein Bild in diesem Film, das nicht genau durchkomponiert und bis ins Detail sanft und sacht ausgeleuchtet wäre. Keine Aktion der Kamera, die nicht hochkonzentriert und besonnen geplant wäre. Immer das Bild und seine Wirkungskraft im Sinn, in jedem Moment. Die Rede von Fulci als vielleicht ja visionären, letztendlich aber seiner Manie wegen krudem Inszenator, der nur plump auf die Sehgewohnheiten des Zuschauers mittels bloßer Bilddrastik schlägt, ist mit diesem Film als Lüge, zumindest aber als voreingenommene Einschätzung enttarnt. Und die Wirkung des Film ist grandios: Sein traumwandlerischer Charakter hindert ihn nicht, in seinen besten Momenten das Herz des Zuschauers zum Rasen zu bringen. Selbst noch die abstrakte, rein aufs formale sich konzentrierende Beobachtung löst shock aus. Dabei ist der Film, von einigen gewiss drastischen Spitzen abgesehen, nicht so blutig wie sein Ruf. Atmosphäre ist ihm letztendlich dann doch alles, wie auch der unerwartete, allerdings nur konsequente Schluß, in dem sich Zeit und Raum aufgelöst sehen, unterstreicht.

Ein Lehrstück in Sachen formaler Filmsprache. Ein kleines, großes, gemeinhin unbekanntes Meisterwerk des Horrorfilms. Wie so viele andere: In Deutschland institutionell unterschlagen. Bezeichnend!

imdb | mrqe


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