Heute auf dem Flohmarkt auf dem Boxie. Ein Stand von 'nem Typen, der eher etwas schmierig wirkt, aber viele schöne Bücher verkauft. Und dann auch Super8-Filmrollen. Mit alten Spielfilmen drauf. Ein Typ, mehr so, ich sag mal, Student im negativen Sinne, hat sich schon knapp 10 Rollen unter den Nagel gerissen, irgendwelchen alten Action-Cheese aus den 70ern, vornehmlich des euopäischen Kinos, er verhandelt gerade den Preis. Ob er dann nicht noch die beiden anderen Rollen hier wolle, ich erkenne einen Schriftzug Die Filzlaus und dann Der Gelbe Taifun, ich schließe auf einen Eastern. "Ja, neee, ich weiß ja nicht, ob da die Filme auch komplett drauf sind", entgegnet der Student. Ich schalte mich ein, hoffe darauf, entweder einen Unkundigen zu erleuchten, oder aber von einem Kundigeren erleuchtet zu werden. "Damit kannst Du aber generell nicht rechnen, auf Super8 waren die Filme so gut wie immer aufs wesentliche reduziert, die Du da in der Hand hältst sind bestimmt auch nicht komplett. Das ist doch der Reiz dran, Star Wars dauerte damals nur 20 Minuten in den eigenen 4 Wänden", meine ich. Er lächelt leicht blöde, etwas peinlich berührt, vielleicht auch ertappt oder er hat einfach nur Mitleid mit einem armen Licht, das in mir auszumachen er sich, in diesem Falle, sicher sein will. Richtig einordnen kann ich's jedenfalls nicht. "Aber wenn ich die schon kaufe, sollen sie auch komplett sein, wäre doch doof!", beginnt der zu jammern. Meine Güte, denke ich mir, und schalte mich gleich aus dem Gespräch wieder aus. Meine Güte, wer kauft sich denn bitte Super8-Spielfilme, um einfach nur 'nen Film zu sehen? Hier geht's ums Material, möchte ich ihn angehen, um dessen spezifische Ästhetik, um die Haptik beim Einlegen, das Flackern des Bildes, Kratzer, Verschleiß, um den Projektor und sein verträumtes Rattern, die Kunst, einen Film von zwei Stunden Länge auf eine Länge zu schneiden, die noch jede Vorabendserie zu unterbieten weiß. Mir schwant fürchterliches. Ein Profilierungssüchtiger klaubt sich aus Hipness Liebhaberware zu Spottpreisen unter den Nagel. "Hey Leude, wollnwa nicht mal so Super8-Filmabend machen, habe da jetzt'n paar Filme vom Flohmarkt, ist doch voll cool!", höre ich ihn schon zu seinen Freunden sagen und werde innerlich aggressiv. Auf den Typen, wie auf den Händler gleichermaßen. In einem Karton finde ich dann noch ein paar Pornoklassiker der frühen 70er, ebenfalls auf Super8, namhafte Titel. "Die kannst Du nicht verkaufen", sage ich zu ihm, "die gehören in ein Museum, in ein Archiv!"

Er grinst mich scheel an. Er meint wohl, ich hätte einen schmierigen Witz gemacht. Von Pornofreak zu Pornofreak. Eine etwas ältere Frau hat sich von ihm gerade irgendwelche Hoch- und Weltliteratur verkaufen lassen und kuckt mich skeptisch aus dem Augenwinkel an, wendet sich, wohl leicht angeekelt, ab. Das war kein Witz, es war mein voller Ernst. Ich ziehe ab, lasse die traurige Szene in ihrer Gänze hinter mir.


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