08.08.2004, Heimkino

Von allen Halbwesen, die uns Universal zu seinen Gruselblütezeiten, ausgehend von der Schauerliteratur des 19. Jahrhunderts, erschlossen hat, erscheint mir der Werwolf ein bißchen als "kranker Mann". Frankenstein, der Vampir oder auch die Mumie - mal in lauen Hollywoodaufgüssen, mal mittels der entfernt verwandten Zombies - erfreuen sich ungleich größerer Popularität und feiern in regelmäßigen Abständen fröhliche Urständ' auf der Leinwand. Beim Werwolf sieht die Lage etwas anders aus: Zu drive-in-Zeiten herrschte zwar, vor allem in den trashigen Arkoff-Filmen, einiger Zuspruch (I was a Teenage Werewolf und der richtig clevere How to Make a Monster, der für den 50er Teenie-Horrorfilm in etwa das ist, was ihm in den 90ern Scream war), doch wurde er in der zunehmenden Archivierung des Horrorfilms seiner eigenen Typen und Motive etwas übergangen. In den 80ern gab es dann Filme wie den zumindest handwerklich gelungenen und spannenden An American Werewolf in London und kurz zuvor den narrativ weit weniger spannenden und handwerklich kaum überzeugenden The Howling, der jedoch als einer der wenigen "Postmodernisierungen" des Werwolffilms immanent wichtig ist. Und dann natürlich noch Teen Wolf, über den man wohl besser den Mantel des Schweigens ausbreitet.

Spannend fand ich deshalb zumindest in diesem Kontext an Wolf Man, wie wenig Variation das Topos in den Folgefilmen erfuhr. Wie dieser Film als schematische Blaupause auch weiterhin absolute Verbindlichkeit für sich beanspruchen konnte. Natürlich gibt es Details in der Narration, in denen sich die zumindest struktutrell als Remakes anzusehenden Epigonen unterscheiden, doch bleibt das Grundgerüst - mit Joe Dantes The Howling und How to Make a Monster vielleicht als großen Ausnahmen - in fast allen Filmen bestehen. Es geht um Regeln, die formuliert und für die noch kommende Filmhistorie erschlossen wurden. Was kann einen Werwolf töten? Diese Frage ist wichtig für das Topos, geriert sich zum eigentlichen Thema jedes Werwolffilms. Wolf Man liefert erste Gedankenansätze, die spätere Filme weiterspinnen und zu Ende denken. Der Gedanke, dass ein Stock mit einem Silberknauf, auf dem der Werwolf und dessen Zeichen - das Pentagramm - eingraviert ist, als effektiver Totschläger zu gebrauchen ist, wurde meines Wissens leider wohl fallengelassen, auch wenn er im vorliegenden Film für einige schöne Einstellungen gut ist: ein jeder Mord an einem Wolf wird durch zwei im Vordergrund stehende Baumstämme, die ein umgekehrtes, rahmendes Dreieck - Hinweis auf den sexuellen Subtext? - ergeben, gefilmt.

Spannend immerhin auch, wie "fleischlos" der Film ist. Kaum ausgebildete Charaktere, ein paar wenige Locations, wenn Lon Chaney jr. als Wolf die Nacht durchstreift, zieht es ihn immer wieder an die gleiche Stelle in einem anonym bleibenden, nebeldurchzogenen Wald. Das Verhältnis der Charaktere untereinander ist schematisch, geradezu modellhaft. Das kann man dem Film negativ auslegen (und: auf der oberstene Ebene - der des bloßen, entspannten Filmgenusses - würde ich sogar dazu neigen). Man kann sich das auch mit dem geringen Budget des Films, der ihm zugrunde liegenden Intention des schnellen Cash-In erklären. Gleichzeitig ist das aber auch zumindest dahingehend aufschlussreich, welche Rolle die Psychoanalyse für das Grusel- und Horrorkino spielt. Und zwar gar nicht im Sinne, dass der Film als Beleg für die Gültigkeit psychoanalytischer Theorien fungieren könnte, eher ganz im Gegenteil, dass die Strukturen, die Freud zum einen der Kultur entnommen, ihr aber auch in gebündelter Form erschlossen hat, hier in vollem Wissen darum angelegt wurden: Dass der Werwolf eine Frau begehrt, was sich der im Werwolf steckende Mann nicht eingestehen, bzw. dem nicht nachgehen kann, dass der Vater den Wolf schließlich richtet, das ist in dieser schematischen Anordnung unschwer als die Struktur von Ich, Es und Über-Ich zu erkennen. Die Narration eilt dem zudem zu Hilfe und erläutert schon gleich zu Beginn - mit einem fast wehmütigen Griff ins Buchregal (der Horrorfilm thematisiert seine literarischen Wurzeln stets), einer aufgeschlagenen Lexikonseite -, dass das Werwolfphänomen nämlich wohl in erster Linie psychischer Natur sei. Und auch Chaneys Charakter stellt sich gehäuft die Frage, ob seine Wolfsphasen nicht nur das Ausleben psychischer Beschädigungen sein könnten oder ob er "wirklich" zum Wolfsmenschen mutiert. Der Film bestätigt nicht die Psychoanalyse aus sich heraus, er greift ihre Theoreme als für den Horrorfilm dankbare Vorlagen auf und illustriert sie. In seiner Reduktion vielleicht noch deutlicher, als dies andere Horrorfilme zu der Zeit betrieben.

Diese Aspekte machten mir den Film zumindest spannend, auch wenn er, nur ganz für sich genommen, nicht so recht bei Laune hielt. Alte Gruselfilme sind letzten Endes auch ästhetischer Genuss, und der stellte sich bei Wolf Man - von einigen immerhin schönen Kamerafahrten und der einen oder anderen effektiv ausgeleuchteten Einstellung - kaum ein. Die Szenen mit den Gypsies - Bela Lugosi als Hellseher, der als Exot das Böse schließlich auch, jedoch nicht willens, in das verschlafene Nest trägt - wurden kaum ausgereizt, auch die Reduktion der Schauerszenen auf eine Location - ein paar Bäume im Wald, Nebelschwaden - nimmt dem Film den Freiraum für optische Reize. So bleibt ein zwar genregenealogisch recht interessanter, an sich aber eher weniger überzeugender Gruselfilm in Erinnerung. Nicht die beste Ausgangslage für eine Renaissance in Permanz, wie die anderen Figuren des Universal-Arsenals sie regelmäßig erleben. Die Filmgeschichte gab dem Recht.

imdb | mrqe


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