» info: imdb ~ wikipedia (en)
» siehe auch: giallo fever ~ the temple of the matmos
» varia: interview w/ martino ~ la musica dello scorpione


Die Blaupause für den Giallo, den italienischen Slasherfilm, ist unverkennbar Hitchcocks Psycho (und es ist kein Wunder, dass De Palmas Quasi-Remake von Psycho, Dressed to Kill, sich sehr deutlich über den Umweg des Giallos Hitchcocks Film nähert). Häufig entpuppt sich der Killer, in Inversion, überraschend als Frau, das Morden selbst wird innerhalb des Films zur ästhetischen Attraktionsinsel - oder man übernimmt einfach ein Strukturelement des geistigen Vaterfilms: Eine junge Frau, die über Nacht zu viel, sehr viel Geld kommt. Und die, zunächst als Hauptfigur eingeführt, nach etwa einem Drittel der Spieldauer nicht mehr am Leben ist. So geschieht dies in Der Schwanz des Skorpions.

Was folgt, ist, rein als Plot betrachtet, ein leicht hanebüchenes Verwirrspiel um einen Versicherungsdetektiv (George Hilton, hier ausnahmsweise nicht im Staub des Italowesterns), der auf die junge Frau angesetzt war und nun selbst unter Mordverdacht steht, die ermittelnde Polizei und eine französische Journalistin (Anita Strindberg), die sich mit dem Verdächtigen einlässt. Sehr exakt springt der Film zwischen Plot und Mordszene hin und her, ein ums andere verlassen Verdächtige den Film mit den Füßen voran.

Als spannender Whodunnit mag Der Schwanz des Skorpions gewiss nichts taugen (aber ist er, wohlgemerkt, unter den Gialli noch immer einer der kohärensten), seine Stärken liegen jedoch in seiner schier wahnsinnigen Gestaltungswut, seinem Willen zum Stil. Sergio Martino (der mit Der Killer von Wien in zeitlicher Nähe einen noch weit besseren Vertreter des Subgenres vorgelegt hat) verlässt sich kaum auf herkömmliche Perspektiven, fast jede Einstellung sucht das letzte aus dem gegebenen Material herauszuholen: Da wird steil von unten ein Dialog gefilmt, mit Handkamera eine Wendeltreppe hinunter gejagt, da werden die Irritationen von Schaufensterspiegelungen zu einem abstrakten Stück Experimentalfilm. Und nicht zuletzt ist Der Schwanz des Skorpions oft harte, krude primitivistisch, völlig überrumpelnd geschnitten.





Den Gipfel dieses entfesselten, völlig sich selbst genügsamen Manierismus stellt eine Verhörszene dar, deren an einem Tisch sich gegenüber sitzenden Parteien die exakt zwischen ihnen positionierte Kamera völlig überraschend um 90 Grad versetzt hochkant filmt und dabei den wechselnden Dialogzeilen im beherzten Schwung hinterher eilt.



Der Schwanz des Skorpions sticht somit, wie bereits Hitchcock mit seiner Duschszene, sehr geradewegs ins Herz des klassischen Hollywood, dem der Nachvollzug einer in sich geschlossenen Handlung alles, das Bemerkbarwerden der ästhetischen Gestalt hingegen nichts war. Jedes Bild, jede Bewegung in diesem Film zielt darauf, die rein formale Ebene vom Diktat der Plotdienlichkeit zu befreien: Man will bald nicht mehr wissen, wie genau das Verwirrspiel um die Personen nun angeordnet ist (die Lösung schließlich wirkt entsprechend wie einmal laut gejohlt), viel lieber lässt man sich, bald im Sekundentakt, davon überraschen, an welchem Ort als nächstes eine Kamera stehen mag und an welchem nicht.

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Der ungeheuerliche italienische Trailer des Films, der ihn ganz einfach so in eine Reihe altvorderer Klassiker der Filmkunst einsortiert.


Eine Kostprobe des Soundtracks von Morricone-Schüler Bruno Nicolai.


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