Thema: Altes Filmtagebuch
16. November 03 | Autor: immo
Aus der Haut fahren möchte man, ehrlich, man möchte sich den Verantwortlichen zur Brust nehmen und ihn ordentlich durchschütteln. Da kommt also dieser kleine Film eines noch recht jungen Regisseurs daher, schafft es ganz wunderbar, seine zwar nicht unbedingt originelle Geschichte im positiven Sinne des Wortes eindringlich und intensiv zu erzählen, da hat man ein ganzes Set junger, frischer, unverbrauchter, vor allem aber höchst talentierter Schauspieler und was passiert? Am Ende wird alles schlagartig über den Haufen geschmissen, jedwede Ambition in einer dreifachen Portion Schlagsahne ertränkt, stellt damit eigentlich den gesamten Film, die mühsam entwickelte Tragikomödie in Frage und macht einen, nur kurz zuvor noch gutgelaunt und froher Dinge, dass es endlich mal einer in Deutschland irgendwie richtig gemacht hat (ein paar Unzulänglichkeiten schieben wir nachsichtig aufs Alter ab), kopfschüttelnd vom Film ablassen.
Wozu das, fragt man sich. Die Geschichte von Torge - „24 Jahre, Zimmermann und mein Leben ist geil, die Frauen stehen auf mich und meine Freunde sind einfach Klasse“ -, der nach einem äußerst vermeidbaren Unfall sein Bein, nicht aber seine dandy-hafte Schnottrigkeit, seinen Zynismus verliert, wurde nun wirklich feinfühlig und interessant etabliert. Die Implikationen des Unfalls im direkten sozialen Umfeld etwa, das mit dem Unfall und seinen Folgen, genau wie er, nicht so recht zurande weiß, in einer Zeit zudem, in der eigentlich die Weichen für die weitere Zukunft endgültig und final gestellt werden, die meisten sich ins private Eheglück flüchten. Wie lebt man dann, auf sich zurückgeworfen, wie leben die anderen mit einem, vor allem der gute Freund Holger, dessen Fahrlässigkeit unter Umständen – die Schuldfrage brodelt stets untergründig, wird aber nur selten angesprochen, sorgt vielmehr für einzelne Kulminationsspitzen – für das Unglück verantwortlich ist und der zudem in allen Belangen, die Torge für das weibliche Geschlecht einst attraktiv machten, etwas weniger vorteilhaft ausgestattet ist. Wie lebt dieser Freund also nun mit Torge, der sich nunmehr – teils aus Verzweiflung, bei der Verheiratungstombola leer auszugehen, teils aus Boshaftigkeit – an Holgers Ex ranmacht, nachdem diese den als Angebot, doch zusammenzuziehen, getarnten Heiratsantrag zum Anlass für die Trennung nahm. Überhaupt die Ehe, diese Institution, um die sich als heimliches Zentrum alles zu drehen scheint, in die sich alle flüchten, an der viele zweifeln und in der keiner glücklich zu werden scheint. Einzig möglicher Lebensentwurf in der Provinz, trotz allem, wider besseren Wissens eigentlich, von den meisten angestrebt.
Der Versehrte wird in diesem Film nicht zum großen Einsichtigen, er kommt nicht zur Ruhe, wird nicht zum verständnisvollen Eremit, wie das ja im Klischee gerne behauptet wird. Im Gegenteil, er will es noch immer wissen, springt in seinem „Nicht-Wahrhaben-Wollen“ auch schon mal, trotz Prothese am Stumpf, von der Brücke auf ein vorbeifahrendes Schiff, ein alter Ritus des portraitierten Männerbundes. Oder wettet eben mit seinem Freund, dass er dessen Ex ein „Ja-Wort“ abringen könnte. Dass er es noch immer drauf hat, „einfach so“.
Ein ganz wunderbarer, sorgfältiger, gänzlich unprätentiöser Film über Adoleszenz in der Provinz und die Schwierigkeit des Lebensentwurfs, noch dazu unter erschwerten Bedingungen, fernab von Aktion-Mensch-Betroffenheit hätte das werden können, wäre da nicht der bereits angesprochene Schluss. Der kommt unvermittelt, wirkt nahezu übergepfropft und macht GANZ UND GAR – leider, man muss das wirklich betonen – im Endspurt noch zum Ärgernis. Ohne ersichtlichen Grund ist aus heiterem Himmel alles wieder gut: Am eigentlich größtmöglichen Entfremdungspunkt zwischen den Jungs und den Mädchen der Clique, am größtmöglichen Entfremdungspunkt zum Lebensentwurf überfällt einen der Film förmlich mit der, gerade in Anbetracht des vorangegangenen Geschehens, überaus zweifelhaften Einsicht, dass man doch einfach nur mal wieder lachen, bzw. sich gegenseitig zum Lachen bringen müsse, dann wäre doch alles wieder gut, auch in der Provinzalltagshölle. Dann wird eben auch geheiratet, ganz flax, einfach so und zwar sogleich in der nächsten Kameraeinstellungen. Alle haben sich lieb, eitel Sonnenschein, die Zukunft ist die Ehe und das ist superduper! Warum auch immer, fragt man sich fassungslos im Dunkel des Saals, denn eine Erklärung für diesen Stimmungswechsel binnen weniger Sekunden bleibt der Film, will er sich nicht komplett verleugnen, schuldig.
Den Saal verlässt man sauer, unheimlich sauer auf jenen Verantwortlichen, der einen - nach der 90. Minute noch, man muss sich das mal vorstellen! - um einen wunderbaren Film gebracht hat.
Wozu das, fragt man sich. Die Geschichte von Torge - „24 Jahre, Zimmermann und mein Leben ist geil, die Frauen stehen auf mich und meine Freunde sind einfach Klasse“ -, der nach einem äußerst vermeidbaren Unfall sein Bein, nicht aber seine dandy-hafte Schnottrigkeit, seinen Zynismus verliert, wurde nun wirklich feinfühlig und interessant etabliert. Die Implikationen des Unfalls im direkten sozialen Umfeld etwa, das mit dem Unfall und seinen Folgen, genau wie er, nicht so recht zurande weiß, in einer Zeit zudem, in der eigentlich die Weichen für die weitere Zukunft endgültig und final gestellt werden, die meisten sich ins private Eheglück flüchten. Wie lebt man dann, auf sich zurückgeworfen, wie leben die anderen mit einem, vor allem der gute Freund Holger, dessen Fahrlässigkeit unter Umständen – die Schuldfrage brodelt stets untergründig, wird aber nur selten angesprochen, sorgt vielmehr für einzelne Kulminationsspitzen – für das Unglück verantwortlich ist und der zudem in allen Belangen, die Torge für das weibliche Geschlecht einst attraktiv machten, etwas weniger vorteilhaft ausgestattet ist. Wie lebt dieser Freund also nun mit Torge, der sich nunmehr – teils aus Verzweiflung, bei der Verheiratungstombola leer auszugehen, teils aus Boshaftigkeit – an Holgers Ex ranmacht, nachdem diese den als Angebot, doch zusammenzuziehen, getarnten Heiratsantrag zum Anlass für die Trennung nahm. Überhaupt die Ehe, diese Institution, um die sich als heimliches Zentrum alles zu drehen scheint, in die sich alle flüchten, an der viele zweifeln und in der keiner glücklich zu werden scheint. Einzig möglicher Lebensentwurf in der Provinz, trotz allem, wider besseren Wissens eigentlich, von den meisten angestrebt.
Der Versehrte wird in diesem Film nicht zum großen Einsichtigen, er kommt nicht zur Ruhe, wird nicht zum verständnisvollen Eremit, wie das ja im Klischee gerne behauptet wird. Im Gegenteil, er will es noch immer wissen, springt in seinem „Nicht-Wahrhaben-Wollen“ auch schon mal, trotz Prothese am Stumpf, von der Brücke auf ein vorbeifahrendes Schiff, ein alter Ritus des portraitierten Männerbundes. Oder wettet eben mit seinem Freund, dass er dessen Ex ein „Ja-Wort“ abringen könnte. Dass er es noch immer drauf hat, „einfach so“.
Ein ganz wunderbarer, sorgfältiger, gänzlich unprätentiöser Film über Adoleszenz in der Provinz und die Schwierigkeit des Lebensentwurfs, noch dazu unter erschwerten Bedingungen, fernab von Aktion-Mensch-Betroffenheit hätte das werden können, wäre da nicht der bereits angesprochene Schluss. Der kommt unvermittelt, wirkt nahezu übergepfropft und macht GANZ UND GAR – leider, man muss das wirklich betonen – im Endspurt noch zum Ärgernis. Ohne ersichtlichen Grund ist aus heiterem Himmel alles wieder gut: Am eigentlich größtmöglichen Entfremdungspunkt zwischen den Jungs und den Mädchen der Clique, am größtmöglichen Entfremdungspunkt zum Lebensentwurf überfällt einen der Film förmlich mit der, gerade in Anbetracht des vorangegangenen Geschehens, überaus zweifelhaften Einsicht, dass man doch einfach nur mal wieder lachen, bzw. sich gegenseitig zum Lachen bringen müsse, dann wäre doch alles wieder gut, auch in der Provinzalltagshölle. Dann wird eben auch geheiratet, ganz flax, einfach so und zwar sogleich in der nächsten Kameraeinstellungen. Alle haben sich lieb, eitel Sonnenschein, die Zukunft ist die Ehe und das ist superduper! Warum auch immer, fragt man sich fassungslos im Dunkel des Saals, denn eine Erklärung für diesen Stimmungswechsel binnen weniger Sekunden bleibt der Film, will er sich nicht komplett verleugnen, schuldig.
Den Saal verlässt man sauer, unheimlich sauer auf jenen Verantwortlichen, der einen - nach der 90. Minute noch, man muss sich das mal vorstellen! - um einen wunderbaren Film gebracht hat.
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