Es folgten nunmehr zwei längere Stücke, und es war nicht zu sagen, wie lasterhaft sie waren. Eine schwüle Sinnlichkeit wehte von den verdorbenen, also üppigen Gestalten herüber, sie gaben sich den unerhörtesten Genüssen hin - aber während wir Gelegenheit hatten, diese Raffinements zu bewundern, bot eine Kellnerstimme gefällig Bier an. Worauf mit Recht aus dem Dunkel ein tiefer Raucherbass ertönte: "Ach, wer braucht denn hier jetzt Bier!" Das wurde lebhaft applaudiert, und von nun an beteiligte sich das Publikum intensiver an den Darbietungen: Rufe, ratende Stimmen, Grunzen, Beifall und anfeuernde Aufschreie wurden laut, einer gab vergleichende Privatfreuden zum Besten, viele lärmten und schrieen.

Aus: Kurt Tucholsky: Erotische Films. In: Die Schaubühne 9 (1913)

gefunden in: Jörg Schweinitz (Hg.): Prolog vor dem Film. Nachdenken über ein neues Medium 1909 - 1914.


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kommentare dazu:



stefan hoeltgen, Dienstag, 5. Oktober 2004, 11:27
Ja, das Buch enthält eine Menge schöner Überraschungen. Ich empfehle auch:
Robert Gaupp: Die Gefahren des Kino (S. 64ff.), worin es heißt:

"Der dunkle Raum, das eintönig summende Geräusch, die Aufdringlichkeit der Bilder schläfern die Kritik ein, und so wird der Inhalt des Dramas zur verhängnisvollen Suggestion für die willenso hingegebene Psyche des einfachen Menschen." (67)

Wehe also, wenn die Kritik mal wieder einpennt (ich zuletzt in: Oldboy) und ihre Chance vertut, die einfachen Menschen vorzuwarnen! :-D



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