Thema: Filmtagebuch
02.10.2004, Heimkino
The Parallax View ist unbestritten einer jener Glücksfälle des us-amerikanischen Kinos der 70er Jahre, wo sich Genre- und Autorenkino zu fruchtbarsten Allianzen verbrüderten: New Hollywood.
Auf der Retrospektive der diesjährigen Berlinale hatte ich den Film bereits im Kino sehen können - ich hatte gelegentlich so meine Sprachprobleme, da Warren Beatty doch arg nuschelt. Die formale und ästhetische Klasse hatte ich jedoch schon damals bemerken können.
Nun also die erneute Sichtung ohne Sprachprobleme. Und ich bin baff: Viel verpasst hatte ich nicht. In der Tat ist Parallax View ein Film, der nur vorgibt diegetisch zu erzählen, während sich sein eigentliches Projekt auf ästhetischer Ebene abspielt: Die vollkommene Auflösung verlässlichen, integeren Raumes. Die Paranoia der Hauptperson spiegelt sich in der harschen Monatge, den ausgeklügelten Bildkompositionen und dem großzügigen Gebrauch von Schwarzflächen exakt wieder - ein zuvorderst sinnliches Erlebnis.
Selbstzweckhafte Actionszenen, die an Western - Stichwort: Kneipenschlägerei - erinnern, funktionieren ebenfalls weniger auf begrifflicher, direkter Ebene. Vielmehr wägen Sie den Zuschauer in Sicherheit, die er nicht haben sollte, ähnlich wie auch die Hauptfigur stets meint, immer ganz dicht an der Lösung des Ganzen zu sein, dabei aber nicht weiter entfernt sein könnte. Gelegentlich bemerken wir das, dass die Zuversicht der Figur keine Berechtigung genießt und die hohe Kunst des Filmes ist es, den Zuschauer, trotz dieser vemeintlich souveränen Position, ebenfalls im an sich Unsouveränen zu belassen. Ganz im Gegenteil sogar: Je tiefer der Reporter - ein investigativer Mensch, der Wahrheit zutage fördern sollte - sich in seine Ermittlungen verstrickt, je mehr er die vorgeblich recht faktische Ausgangssituation - ein Mord an einem Senator im Wahlkampf - durchleuchtet, umso weiter entfernen wir uns, mit ihm, von den Koordinaten jedweder verlässlichen Faktizität. Wir haben viel gesehen, doch letzten Endes haben wir gar nichts gesehen - das Ende ist ein Berg von Fragen und dies ganz ohne Erzählebenenhuberei und dergleichen.
Oder kurz: Ein Meisterwerk.
imdb | mrqe
The Parallax View ist unbestritten einer jener Glücksfälle des us-amerikanischen Kinos der 70er Jahre, wo sich Genre- und Autorenkino zu fruchtbarsten Allianzen verbrüderten: New Hollywood.
Auf der Retrospektive der diesjährigen Berlinale hatte ich den Film bereits im Kino sehen können - ich hatte gelegentlich so meine Sprachprobleme, da Warren Beatty doch arg nuschelt. Die formale und ästhetische Klasse hatte ich jedoch schon damals bemerken können.
Nun also die erneute Sichtung ohne Sprachprobleme. Und ich bin baff: Viel verpasst hatte ich nicht. In der Tat ist Parallax View ein Film, der nur vorgibt diegetisch zu erzählen, während sich sein eigentliches Projekt auf ästhetischer Ebene abspielt: Die vollkommene Auflösung verlässlichen, integeren Raumes. Die Paranoia der Hauptperson spiegelt sich in der harschen Monatge, den ausgeklügelten Bildkompositionen und dem großzügigen Gebrauch von Schwarzflächen exakt wieder - ein zuvorderst sinnliches Erlebnis.
Selbstzweckhafte Actionszenen, die an Western - Stichwort: Kneipenschlägerei - erinnern, funktionieren ebenfalls weniger auf begrifflicher, direkter Ebene. Vielmehr wägen Sie den Zuschauer in Sicherheit, die er nicht haben sollte, ähnlich wie auch die Hauptfigur stets meint, immer ganz dicht an der Lösung des Ganzen zu sein, dabei aber nicht weiter entfernt sein könnte. Gelegentlich bemerken wir das, dass die Zuversicht der Figur keine Berechtigung genießt und die hohe Kunst des Filmes ist es, den Zuschauer, trotz dieser vemeintlich souveränen Position, ebenfalls im an sich Unsouveränen zu belassen. Ganz im Gegenteil sogar: Je tiefer der Reporter - ein investigativer Mensch, der Wahrheit zutage fördern sollte - sich in seine Ermittlungen verstrickt, je mehr er die vorgeblich recht faktische Ausgangssituation - ein Mord an einem Senator im Wahlkampf - durchleuchtet, umso weiter entfernen wir uns, mit ihm, von den Koordinaten jedweder verlässlichen Faktizität. Wir haben viel gesehen, doch letzten Endes haben wir gar nichts gesehen - das Ende ist ein Berg von Fragen und dies ganz ohne Erzählebenenhuberei und dergleichen.
Oder kurz: Ein Meisterwerk.
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° ° °
kommentare dazu:
sven.son,
Mittwoch, 6. Oktober 2004, 14:11
Nichts weniger als ein Meisterwerk. Hab' ich zuerst auf VHS gesehen, Vollbild und mit der asynchronsten Syn(!)chronisation aller Zeiten. Und trotzdem ein Hammer. Dann ebenfalls Berlinale. Was für eine Steigerung. Für mich das unvergesslichste Bild: Der Golfwagen fährt mit dem Toten in die leeren Tische und rollt langsam aus. Steht aber neben einer Fülle großartiger, meist beklemmender Bilder.
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