Thema: Alltag, medial gedoppelt
Eisensteins kritische Griffith-Analyse und dann noch Eisenstein selbst in drei, maximal vier Minuten. Selten so gelacht.
° ° °
kommentare dazu:
baehr,
Montag, 22. November 2004, 22:08
wie meinen? Übles referat gehört?
thgroh,
Montag, 22. November 2004, 22:59
Nee, am Galgen hänge eher ich, der unter diesen Vorgaben Besagtes zustande bringen muss. Morgen früh.
christian123,
Dienstag, 23. November 2004, 00:55
<NelsonMuntz>
Haw-haw!
</NelsonMuntz>
Bin mal gespannt, freue mich schon :-)
Haw-haw!
</NelsonMuntz>
Bin mal gespannt, freue mich schon :-)
thgroh,
Dienstag, 23. November 2004, 02:04
@christian
Nicht zu viel freuen. Ich werde ein absolut fleischloses Skelett vorstellen. Und überdies noch mit Johanniskrautdragees vollgedrogt sein. :D
@baehr
Schönes Thema in der Tat. Viel zu wenig Zeit.
Nicht zu viel freuen. Ich werde ein absolut fleischloses Skelett vorstellen. Und überdies noch mit Johanniskrautdragees vollgedrogt sein. :D
@baehr
Schönes Thema in der Tat. Viel zu wenig Zeit.
thgroh,
Mittwoch, 24. November 2004, 14:17
Referatstext
Hier, falls es wen interessiert, das Gerüst, auf dem ich mein Referat aufbaute. Ging gut über die Bühne, würde ich sagen, auch wenn ich wohl, mal wieder, viel zu schnell geredet habe:
"Eisenstein entwickelt seine Formsprache aus einer kritischen Griffith-Analyse:
Dessen Form kennzeichnet er als Basis der Sinnkonstitution der kapitalistischen Filmindustrie. Die Parallel- und Kontrastmontage beschränkt sich auf bloße Antagonismen (z.B.: arm und reich), blendet aber Zusammenhänge und Bedingungen solcher Gegensätze aus.
Doch arm und reich sind, so Eisenstein, verklammert: Ihre gemeinsame Wurzel ist die kapitalistische Gesellschaftsordnung.
Die Griffithform unterschlägt dies, weswegen sie nicht in der Lage ist, Bildinhalte zu abstrahieren und über sie hinausgehende Ideen zu formulieren.
Hierfür bewege sich Griffith in zu engen ideologischen Grenzen, die direkt kapitalistischen Prinzipien entspringen. Seine Montage ist deshalb in erster Linie quantitativ und dient lediglich Spannungseffekten.
Eisensteins Grundgedanke ist, dass ein gegen Hollywood gerichtetes Kino anders funktionieren, anders aussehen und auf
anderen Denkgesetzen beruhen müsse.
Deshalb stellt er ein qualitatives Montagekonzept entgegen: Aus seiner Montage entstehen zusätzliche Inhalte, die in den montierten Bildern selbst nicht enthalten sind.
Als Grundlage dient ihm zunächst die „Montage der Attraktionen“, die das sinnliche und sinnhafte Erlebnis des Publikums zu steuern versucht. Unter „Attraktionen“ versteht Eisenstein emotionale Höhepunkte – etwa eine Erschießungs- oder Liebesszene -, deren Wirkung auf den Zuschauer unabhängig von ihrem Handlungszusammenhang bestehen bleibt.
Diese Wirkungsdramaturgie wird mit einer rhythmisierenden Montage, die das Geschehen beschleunigt oder verlangsamt, und vor allem mit einer Kontrast- und Konfliktmontage verbunden. Hierin sieht Eisenstein den adäquaten filmischen Ausdruck des dialektischen Denkens. Das dialektische Denken geht in etwa davon aus, dass sich historisch entwickelte Gegensätze mittels Synthese in die Lösung ihrer Ursachen überwinden lassen.
Diese Konzeption einer gegen Hollywood gerichteten Filmsprache ist dabei als „work-in-progress“ über mehrere Filme und theoretische Texte hinweg zu verstehen.
Einzelne Elemente werden im Laufe perfektioniert und ausgearbeitet und ergänzt. So weichen die „Attraktionen“ bald dem „Pathos“ und im Fluss der Bilder halten zunehmend metaphorische und assoziative Elemente Einzug.
1929 hat Eisenstein mit „Das Alte und das Neue“ den sowjetrussischen Gegenfilm bis zur Entsprechung seiner theoretischen Grundlagen konstituiert. Lorenz Engell bezeichnet diesen Film als „tatsächlich verfilmte Theorie“. Gleichzeitig erlangen die Filme auch zunehmend als „Exportpropaganda“ auf den internationalen Filmmärkten Bedeutung. So erfreuen sich vor allem auch in Deutschland die so genannten „Russenfilme“ großer Popularität.
Der Grund für diesen Erfolg liegt, so Lorenz Engell, vermutlich in der Differenz der Filme und weniger in ihrem theoretischen Grundgehalt: Auch ein nicht theoriebewehrtes Publikum erkennt ohne weiteres, dass die Montage ganz im Gegensatz zum Griffithstil offensiv, plakativ und gleichsam „lautstark“ auftritt.
Die pathetisch aufgeladene Bildsymbolik tritt aggressiv in den Vordergrund, während das Hollywoodkino auf vergleichsweise sanfte Melodramatik und Spannung setzt. Da in keinem Eisensteinfilm Hauptfiguren auftreten, sondern stets kollektive Gruppen agieren, wirkt das Geschehen zudem unmittelbar pathetisch.
Noch vor dem Inhalt muss also, nach Eisenstein, die Form verändert werden. In dieser kommt das jedem Film zugrunde liegende gedankliche Gerüst unmittelbar zum Tragen.
Damit begründete Eisenstein das Kernprogramm jedweder gegen Hollywood gerichteter Filmbewegung der Zukunft."
Es handelt sich im übrigen nicht um eine generelle Vorstellung Eisensteins, sondern um eine zusammenfassende Vorstellung eines Textaspekts.
"Eisenstein entwickelt seine Formsprache aus einer kritischen Griffith-Analyse:
Dessen Form kennzeichnet er als Basis der Sinnkonstitution der kapitalistischen Filmindustrie. Die Parallel- und Kontrastmontage beschränkt sich auf bloße Antagonismen (z.B.: arm und reich), blendet aber Zusammenhänge und Bedingungen solcher Gegensätze aus.
Doch arm und reich sind, so Eisenstein, verklammert: Ihre gemeinsame Wurzel ist die kapitalistische Gesellschaftsordnung.
Die Griffithform unterschlägt dies, weswegen sie nicht in der Lage ist, Bildinhalte zu abstrahieren und über sie hinausgehende Ideen zu formulieren.
Hierfür bewege sich Griffith in zu engen ideologischen Grenzen, die direkt kapitalistischen Prinzipien entspringen. Seine Montage ist deshalb in erster Linie quantitativ und dient lediglich Spannungseffekten.
Eisensteins Grundgedanke ist, dass ein gegen Hollywood gerichtetes Kino anders funktionieren, anders aussehen und auf
anderen Denkgesetzen beruhen müsse.
Deshalb stellt er ein qualitatives Montagekonzept entgegen: Aus seiner Montage entstehen zusätzliche Inhalte, die in den montierten Bildern selbst nicht enthalten sind.
Als Grundlage dient ihm zunächst die „Montage der Attraktionen“, die das sinnliche und sinnhafte Erlebnis des Publikums zu steuern versucht. Unter „Attraktionen“ versteht Eisenstein emotionale Höhepunkte – etwa eine Erschießungs- oder Liebesszene -, deren Wirkung auf den Zuschauer unabhängig von ihrem Handlungszusammenhang bestehen bleibt.
Diese Wirkungsdramaturgie wird mit einer rhythmisierenden Montage, die das Geschehen beschleunigt oder verlangsamt, und vor allem mit einer Kontrast- und Konfliktmontage verbunden. Hierin sieht Eisenstein den adäquaten filmischen Ausdruck des dialektischen Denkens. Das dialektische Denken geht in etwa davon aus, dass sich historisch entwickelte Gegensätze mittels Synthese in die Lösung ihrer Ursachen überwinden lassen.
Diese Konzeption einer gegen Hollywood gerichteten Filmsprache ist dabei als „work-in-progress“ über mehrere Filme und theoretische Texte hinweg zu verstehen.
Einzelne Elemente werden im Laufe perfektioniert und ausgearbeitet und ergänzt. So weichen die „Attraktionen“ bald dem „Pathos“ und im Fluss der Bilder halten zunehmend metaphorische und assoziative Elemente Einzug.
1929 hat Eisenstein mit „Das Alte und das Neue“ den sowjetrussischen Gegenfilm bis zur Entsprechung seiner theoretischen Grundlagen konstituiert. Lorenz Engell bezeichnet diesen Film als „tatsächlich verfilmte Theorie“. Gleichzeitig erlangen die Filme auch zunehmend als „Exportpropaganda“ auf den internationalen Filmmärkten Bedeutung. So erfreuen sich vor allem auch in Deutschland die so genannten „Russenfilme“ großer Popularität.
Der Grund für diesen Erfolg liegt, so Lorenz Engell, vermutlich in der Differenz der Filme und weniger in ihrem theoretischen Grundgehalt: Auch ein nicht theoriebewehrtes Publikum erkennt ohne weiteres, dass die Montage ganz im Gegensatz zum Griffithstil offensiv, plakativ und gleichsam „lautstark“ auftritt.
Die pathetisch aufgeladene Bildsymbolik tritt aggressiv in den Vordergrund, während das Hollywoodkino auf vergleichsweise sanfte Melodramatik und Spannung setzt. Da in keinem Eisensteinfilm Hauptfiguren auftreten, sondern stets kollektive Gruppen agieren, wirkt das Geschehen zudem unmittelbar pathetisch.
Noch vor dem Inhalt muss also, nach Eisenstein, die Form verändert werden. In dieser kommt das jedem Film zugrunde liegende gedankliche Gerüst unmittelbar zum Tragen.
Damit begründete Eisenstein das Kernprogramm jedweder gegen Hollywood gerichteter Filmbewegung der Zukunft."
Es handelt sich im übrigen nicht um eine generelle Vorstellung Eisensteins, sondern um eine zusammenfassende Vorstellung eines Textaspekts.
christian123,
Mittwoch, 24. November 2004, 15:54
Danke, und nochmal Hut ab!
Und dank dem Filmbeispiel davor war es ja nun etwas ganz Anderes als ein "fleischloses Skelett" :-)
Und dank dem Filmbeispiel davor war es ja nun etwas ganz Anderes als ein "fleischloses Skelett" :-)
...bereits 1990 x gelesen