Thema: Berliner Filmgeschehen
Im Kino Tilsiter läuft bereits seit 08.Oktober und noch bis Ende November eine Auswahl der schönsten Filme von Mario Bava. Hier (unter "Mitternachtskino") gibt es weitere Informationen, in der heutigen Ausgabe der taz schreibe ich aus diesem Anlass einige Zeilen über Bava.
° ° °
kommentare dazu:
andreas.,
Mittwoch, 12. Oktober 2011, 11:24
Anmerkung
Aufgrund der Sprachfassungs-Angaben muss man (aus der Ferne vermutet) wohl davon ausgehen, dass es sich ausnahmslos um DVD-Projektionen handelt? Ich möchte wirklich sehr ungern den Tilsiter Lichtspielen ans Bein pinkeln, die mit Sicherheit nur über eingeschränkte Möglichkeiten und gute Absichten verfügen, und für deren Zuschauer das überwiegend womöglich auch alles okay so ist - gleichwohl ist es vor dem Hintergrund der kürzlichen und völlig berechtigten breiten Aufregung um die schäbigen Hitchcock/Chaplin-Retrospektiven im (freilich in ganz anderem Maßstab geförderten und daher auch nochmal anders zu beurteilenden) Babylon-Mitte dann halt doch etwas befremdlich, bei der Bava-Reihe weder auf der Kino-Homepage, noch im (btw wirklich schönen) Hinweistext einen entsprechenden Vermerk zu finden. Das eigentlich Betrübliche an der Sache ist nämlich, dass durchaus noch eine ganze Reihe von Bava-Filmen als Filmkopien verfügbar sind, und zwar zu wahrhaftig ausgesprochen günstigen Konditionen. Aus den entsprechenden Quellen speisen sich ja z.B. die verdienstvollen "Freunde des schrägen Films" und machen wöchentlich vor (und das ironischerweise ausgerechnet im Babylon), dass man auch unter No/Low-Budget-Bedingungen ganz wunderbare Reihen mit 35mm- und gelegentlich 16mm-Filmkopien auf die Beine stellen kann. Klar, das ist mit etwas mehr Aufwand und Kompromissen bei Verfügbarkeiten von Sprachfassungen und Titeln verbunden, aber im Sinne einer auch an filmhistorischer Aufführungs- und Werktreue interessierten Kinokultur (der man mit Heimvideo-Aufführungen letztlich einen Bärendienst erweist) im Ganzen betrachtet m.E. dennoch unbedingt erstrebenswert.
Das nur mal so als Anmerkung und wie gesagt ohne böse Absicht (und gänzlich uninvolviert, da weit weg von Berlin, mir geht's da eher um grundsätzlicheres) in den Raum geworfen - und mit nicht ganz gutem Gefühl, weil die Reihe unter anderen Gesichtspunkten ja durchaus eine gute Sache ist, aber manche Aspekte will man halt doch nicht ganz unhinterfragt stehen lassen :)
Das nur mal so als Anmerkung und wie gesagt ohne böse Absicht (und gänzlich uninvolviert, da weit weg von Berlin, mir geht's da eher um grundsätzlicheres) in den Raum geworfen - und mit nicht ganz gutem Gefühl, weil die Reihe unter anderen Gesichtspunkten ja durchaus eine gute Sache ist, aber manche Aspekte will man halt doch nicht ganz unhinterfragt stehen lassen :)
thgroh,
Mittwoch, 12. Oktober 2011, 17:40
Hallo Andreas,
Ich bin rein grundsätzlich erstmal Deiner Meinung, sehe es aber im einzelnen ein klein wenig anders. Der Skandal im Babylon besteht für meinen Begriff ganz einfach darin, dass ein stark vom Berliner Senat subventioniertes Kino mit zumindest halb-kommunalem (und damit eben auch, auch wenn der Betreiber das regelmäßig bestreitet, filmhistorischem) Auftrag diese Gelder aus öffentlichen Mittel zum nicht geringen Teil in Filmreihen steckt, die, böse gesagt, in der Videothek oder beim Media Markt zusammengestellt werden. Dafür braucht es nach meinem Empfinden allerdings kein stark subventioniertes Kino.
Eine erfreuliche Ausnahme stellen unter anderem die von Dir schon angesprochenen "Freunde des schrägen Films" dar, auch wenn ich hier ein bisschen widersprechen muss: No- oder Low-Budget ist das nicht, was die beiden Kuratoren da betreiben, vielmehr wird die Reihe komplett vom Babylon gestützt - und unter diesen Bedingungen ist es eben auch nicht tragisch, wenn eine zwar noch immer vergleichsweise günstig entliehene Kopie des uns allen wohlbekannten Münchner Kinos dann eben doch nur 10 bis 15 Leute ins Kino lockt. Marktwirtschaftlich läuft das mutmaßlich auf Minusgeschäfte und dann und wann eine Nullsumme heraus - das fällt dann eben unter öffentliche Subvention, ähnlich wie Theater und andere Kulturstätten.
Kinos wie die Tilsiter Lichtspiele haben hier freilich denkbar andere Startvoraussetzungen - egal wieviel Herzblut in der Angelegenheit steckt: Am Ende muss Personal, Miete, usw. usf. eben doch hundertprozentig aus den erwirtschafteten Beträgen bezahlt werden.
Was man den Tilsitern dabei zugute halten muss: Sie sind soweit Kinobegeisterte, dass auch sie "echten" Film gern und stets bevorzugen, sofern es die Möglichkeit dazu gibt.Inwiefern das bei er Bava-Reihe der Fall ist, entzieht sich meiner Kenntnis - meine Anfrage diesbezüglich wurde bislang nicht beantwortet. (Bei Facebook wurde die Frage hier bereits beantwortet) Aber selbst im Fall von digitalen Screenings sind die Tilsiter - im Gegensatz zum Babylon, wo ich schon von grauselig schlecht gepegelten DVD-Screenings gehört habe, stets darum bemüht, das beste aus der Projektion herauszuholen: So schrieb mir das Kino mal auf eine Anfrage:
Bei uns gibt es doch keine DVD-Projektionen mehr - jedwedes digitale Ausgangsmaterial wird auf HD-Projektion optimiert. Zwar fällt das Ergebnis mal mehr, mal weniger zufriedenstellend aus, denn Wunder können auch wir nicht bewerkstelligen, aber wir geben uns die allergrößte Mühe, "digital" nach HD denn DVD aussehen zu lassen.
Ich denke, daran sieht man schon, dass das Kino, so gut es eben geht, um Kompromisse bemüht ist, die es einerseits ermöglichen, den Betrieb aufrechtzuerhalten, andererseits aber auch nicht die (rein inhaltliche) Güte des Programms beschädigen (so ist es z.B. schmerzhaft zu beobachten, wieviele der vielen, kleinen Programmkinos in Berlin, die vor zehn, zwölf Jahren noch eine sehr gute Arbeit leisteten, mittlerweile nur noch Abspielstätten für den wöchentlichen Arthouse-Schmalz darstellen).
Ich ziehe eine schöne (oder auch: schön beschädigte) Filmrolle jederzeit vor. Und eine zynische, aus öffentlichen Mitteln subventionierte Programmpraxis muss als Skandal öffentlich gegeißelt werden, keine Frage. Dass eine vorsichtige Digitalisierung im Vorführerraum (und "Digital" soll hier explizit nicht "DVD einwerfen, Play drücken, Kassensturz machen" heißen!) das Programm aber auch mobiler, vielfältiger gestalten kann, würde ich aber auch sofort unterschreiben, sofern Leute mit Gespür für die Sache an dieselbe rangehen.
Grüße,
Thomas
P.S.: Dass es traurig ist, dass man im Kino mittlerweile vorsichtig sein muss, was schöne Reihen betrifft, ich denke, da sind wir einer Meinung. Ebenso wichtig und zentral ist der Diskurs darüber - von daher gebe ich Deinem letzten Satz natürlich vollkommen recht.
P.P.S.: Danke für das Lob! :-)
Ich bin rein grundsätzlich erstmal Deiner Meinung, sehe es aber im einzelnen ein klein wenig anders. Der Skandal im Babylon besteht für meinen Begriff ganz einfach darin, dass ein stark vom Berliner Senat subventioniertes Kino mit zumindest halb-kommunalem (und damit eben auch, auch wenn der Betreiber das regelmäßig bestreitet, filmhistorischem) Auftrag diese Gelder aus öffentlichen Mittel zum nicht geringen Teil in Filmreihen steckt, die, böse gesagt, in der Videothek oder beim Media Markt zusammengestellt werden. Dafür braucht es nach meinem Empfinden allerdings kein stark subventioniertes Kino.
Eine erfreuliche Ausnahme stellen unter anderem die von Dir schon angesprochenen "Freunde des schrägen Films" dar, auch wenn ich hier ein bisschen widersprechen muss: No- oder Low-Budget ist das nicht, was die beiden Kuratoren da betreiben, vielmehr wird die Reihe komplett vom Babylon gestützt - und unter diesen Bedingungen ist es eben auch nicht tragisch, wenn eine zwar noch immer vergleichsweise günstig entliehene Kopie des uns allen wohlbekannten Münchner Kinos dann eben doch nur 10 bis 15 Leute ins Kino lockt. Marktwirtschaftlich läuft das mutmaßlich auf Minusgeschäfte und dann und wann eine Nullsumme heraus - das fällt dann eben unter öffentliche Subvention, ähnlich wie Theater und andere Kulturstätten.
Kinos wie die Tilsiter Lichtspiele haben hier freilich denkbar andere Startvoraussetzungen - egal wieviel Herzblut in der Angelegenheit steckt: Am Ende muss Personal, Miete, usw. usf. eben doch hundertprozentig aus den erwirtschafteten Beträgen bezahlt werden.
Was man den Tilsitern dabei zugute halten muss: Sie sind soweit Kinobegeisterte, dass auch sie "echten" Film gern und stets bevorzugen, sofern es die Möglichkeit dazu gibt.
Bei uns gibt es doch keine DVD-Projektionen mehr - jedwedes digitale Ausgangsmaterial wird auf HD-Projektion optimiert. Zwar fällt das Ergebnis mal mehr, mal weniger zufriedenstellend aus, denn Wunder können auch wir nicht bewerkstelligen, aber wir geben uns die allergrößte Mühe, "digital" nach HD denn DVD aussehen zu lassen.
Ich denke, daran sieht man schon, dass das Kino, so gut es eben geht, um Kompromisse bemüht ist, die es einerseits ermöglichen, den Betrieb aufrechtzuerhalten, andererseits aber auch nicht die (rein inhaltliche) Güte des Programms beschädigen (so ist es z.B. schmerzhaft zu beobachten, wieviele der vielen, kleinen Programmkinos in Berlin, die vor zehn, zwölf Jahren noch eine sehr gute Arbeit leisteten, mittlerweile nur noch Abspielstätten für den wöchentlichen Arthouse-Schmalz darstellen).
Ich ziehe eine schöne (oder auch: schön beschädigte) Filmrolle jederzeit vor. Und eine zynische, aus öffentlichen Mitteln subventionierte Programmpraxis muss als Skandal öffentlich gegeißelt werden, keine Frage. Dass eine vorsichtige Digitalisierung im Vorführerraum (und "Digital" soll hier explizit nicht "DVD einwerfen, Play drücken, Kassensturz machen" heißen!) das Programm aber auch mobiler, vielfältiger gestalten kann, würde ich aber auch sofort unterschreiben, sofern Leute mit Gespür für die Sache an dieselbe rangehen.
Grüße,
Thomas
P.S.: Dass es traurig ist, dass man im Kino mittlerweile vorsichtig sein muss, was schöne Reihen betrifft, ich denke, da sind wir einer Meinung. Ebenso wichtig und zentral ist der Diskurs darüber - von daher gebe ich Deinem letzten Satz natürlich vollkommen recht.
P.P.S.: Danke für das Lob! :-)
andreas.,
Donnerstag, 13. Oktober 2011, 15:57
Hallo Thomas,
danke für die ausführliche Antwort. Weitestgehend liegen wir da wohl tatsächlich nicht weit auseinander in unseren Einschätzungen. Dass der Babylon-Fall noch einmal ganz anders zu bewerten ist, schrieb ich ja auch im Klammer-Einschub "(freilich in ganz anderem Maßstab geförderten und daher auch nochmal anders zu beurteilenden)". Die dreisten Lügen und verzerrenden Darstellungen des Betreibers waren wirklich kaum zu ertragen, denn selbst in Nürnberg lief letztes Jahr eine aus mit Sicherheit weit kleinerem Budget gespeiste, umfangreiche Hitchcock-Werkschau ausschließlich von 35mm. Natürlich nur wenige davon OmU (präferiere ich wie das Babylon auch als Präferenz gegenüber OV), aber das sollte in dem Fall nachrangig sein, denn als OV (teils über England) und gelegentlich DF gibt es jedenfalls haufenweise gute bis exzellente Hitchcock-Kopien. Dass stattdessen ignorant DVDs gebeamt und trotzdem saftige Subventionen kassiert werden, ist in der Tat ein Skandal, da sind wir uns völlig einig. Man mag sich gar nicht ausmalen, was andere mit dem Geld anstellen könnten... was da auf einen Schlag sinnlos rausgehauen wird, dafür könnten andere jahre- oder gar jahrzehntelang (!) ein weitaus besseres Programm machen. Es ist ein Jammer.
Bzgl. der schrägen Filme war meine Formulierung vielleicht etwas unglücklich, natürlich ist das durch das Babylon im Rücken nochmal etwas anderes, aber nach meiner Beobachtung wird die Reihe letztlich doch unter der Auflage eines annäherenden "Nullsummen-Spiels" kuratiert, wie sich ja auch am fast ausschließlichen Rückgriff auf die Münchner und gelegentlich zwei, drei ähnlich günstige Archive zeigt.
Bei dem ganzen Thema landet man wohl schnell bei der Kinolandschaft als Ganzes, und jenseits des rein Kommerziellen auf dem Spannungsfeld zwischen Subvention und Selbstausbeutung. Ein ziemlich weites und komplexes Feld. Deine schmerzhafte Beobachtung des Wandels vieler kleiner Kinos zu "Abspielstätten für den wöchentlichen Arthouse-Schmalz" kann ich dabei nur fett unterstreichen (bei ET hatten wir es auch schon häufig davon, z.B. hier oder hier). Die *eigentlichen* Programmkinos, Filmclubs oder Repertoire-Kinos sind mittlerweile ja fast gänzlich ausgestorben, mit wenigen Ausnahmen und einzelnen Initiativen/Reihen. Bleiben jenseits von Multiplex und Arthouse-Mainstream-Kino fast nur noch Kinematheken und Kommunale Kinos, wobei das Angebot von letzteren von Fall zu Fall zwischen vorbildlich und erschreckend schwankt. Leider sind bestimmte Angebote durch diverse Veränderungen heute wohl wirklich nur noch mit Subventionen oder Selbstausbeutung zu stemmen.
Der Knackpunkt im konkreten Fall: auch mir sind natürlich Reihen wie die zu Bava sogar in dieser Form lieber als der dominierende fade Arthouse-Mainstream (träume btw sowieso schon seit Jahren von einer größeren Bava-Retro mit schönen Filmkopien im entsprechenden Rahmen, aber da kann man wohl vergeblich hoffen, weil Berlinale und Co an sowas ärmlicherweise keinen Gedanken verschwenden würden). Es gibt aber eben mindestens zwei Seiten: so schön es ist, dass dadurch die Programmvielfalt bereichert und eventuell Neulinge an Bava heran geführt werden, so ärgerlich ist es u.U. für denjenigen, der endlich einmal Bava im Kino sehen möchte, und dann feststellen muss, dass er streng genommen (natürlich mit Kino-Atmosphäre/Größe-Bonus und offenbar zumindest nicht ganz lieblos, sondern mit um Qualität bemühter Aufbereitung) mehr oder weniger die Fassung zu sehen kriegt, die er womöglich schon zuhause hat. Weil ich beide Aspekte relevant finde, bleibt es für mich eine höchst ambivalente Angelegenheit. Eben mit dem zusätzlichen Beigeschmack, dass m.E. mit ein wenig Mischkalkulation trotz allem durchaus etwas mehr drin wäre, weil es zwar längst nicht alle, aber durchaus eine Handvoll (darunter auch wirklich seltene) Bavas recht günstig noch als Filmkopie gibt. In der eigenen gelegentlichen kuratorischen Tätigkeit (einer ehrenamtlichen und damit streng genommen selbstausbeuterischen) weiß ich prinzipiell um die Problematik gerade mit älteren Filmen, habe aber auch die Erfahrung gemacht, dass es durchaus auf positive Resonanz und erhöhten Zuspruch stoßen kann, wenn man den Eigenwert z.B. einer 35mm-Projektion betont und solche Dinge transparent macht (das Hamburger SciFi-Horror-Festival wirbt z.B. mit dem großen Aufdruck "35mm - Echter Film! Echtes Kino!", und das entsprechende Nischenpublikum honoriert sowas durchaus). Und auch wenn ich natürlich keine Selbstausbeutung fordere, denke ich, dass sich eine Mischkalkulation zwischen ein paar recht günstig verfügbaren Filmkopien und ein paar DVDs (Upscaling kann natürlich durchaus ganz passabel aussehen, aber als HD-Quelle gibt es bislang m.W. von Bava nur BAY OF BLOOD und das wohl leider nicht in überzeugender Ausführung) durchaus machen ließe, zumal eben mit etwaig mehr Zuschauern aufgrund transparent gemachtem Mehrwert. Letztlich sind das natürlich nur Spekulationen und Anregungen, weil ich zwar die allgemeine Situation, aber nicht die konkreten Umstände im Tilsiter und die Zusammensetzung und Ansprüche seiner Besucher kenne.
Es ist letztlich wohl alles ziemlich vertrackt, gerade auch hinsichtlich der allgemeinen Umbruchsituation des Kinos und auch hinsichtlich des insgesamt desolaten Zustands der Kinokultur hierzulande. Um das wirklich eingehender zu erörtern, müsste man wohl weit in 'kurationsethische', werkspezifische, museale, filmkulturelle und förderstrukturelle Fragen einsteigen, was zumindest an dieser Stelle wohl etwas übers Ziel hinaus schießen würde und wofür mir gerade auch ein wenig Zeit und Muße fehlen (vielleicht irgendwann in einem Grundsatztext zu u.a. solchen Themen, den ich schon länger vorhabe). Zumal ich das im Moment glaube ich auch nicht in der nötigen Prägnanz formuliert kriege und mich wohl ohnehin ein wenig ziellos verrannt habe. Aber zumindest die ein oder andere Überlegung anzureißen, gerade trotz und wegen der Ambivalenz des Ganzen (und weil da eben so viele legitime Fragen und Perspektiven reinspielen), ist bei solchem Anlass sicher nicht verkehrt.
Beste Grüße,
Andreas
danke für die ausführliche Antwort. Weitestgehend liegen wir da wohl tatsächlich nicht weit auseinander in unseren Einschätzungen. Dass der Babylon-Fall noch einmal ganz anders zu bewerten ist, schrieb ich ja auch im Klammer-Einschub "(freilich in ganz anderem Maßstab geförderten und daher auch nochmal anders zu beurteilenden)". Die dreisten Lügen und verzerrenden Darstellungen des Betreibers waren wirklich kaum zu ertragen, denn selbst in Nürnberg lief letztes Jahr eine aus mit Sicherheit weit kleinerem Budget gespeiste, umfangreiche Hitchcock-Werkschau ausschließlich von 35mm. Natürlich nur wenige davon OmU (präferiere ich wie das Babylon auch als Präferenz gegenüber OV), aber das sollte in dem Fall nachrangig sein, denn als OV (teils über England) und gelegentlich DF gibt es jedenfalls haufenweise gute bis exzellente Hitchcock-Kopien. Dass stattdessen ignorant DVDs gebeamt und trotzdem saftige Subventionen kassiert werden, ist in der Tat ein Skandal, da sind wir uns völlig einig. Man mag sich gar nicht ausmalen, was andere mit dem Geld anstellen könnten... was da auf einen Schlag sinnlos rausgehauen wird, dafür könnten andere jahre- oder gar jahrzehntelang (!) ein weitaus besseres Programm machen. Es ist ein Jammer.
Bzgl. der schrägen Filme war meine Formulierung vielleicht etwas unglücklich, natürlich ist das durch das Babylon im Rücken nochmal etwas anderes, aber nach meiner Beobachtung wird die Reihe letztlich doch unter der Auflage eines annäherenden "Nullsummen-Spiels" kuratiert, wie sich ja auch am fast ausschließlichen Rückgriff auf die Münchner und gelegentlich zwei, drei ähnlich günstige Archive zeigt.
Bei dem ganzen Thema landet man wohl schnell bei der Kinolandschaft als Ganzes, und jenseits des rein Kommerziellen auf dem Spannungsfeld zwischen Subvention und Selbstausbeutung. Ein ziemlich weites und komplexes Feld. Deine schmerzhafte Beobachtung des Wandels vieler kleiner Kinos zu "Abspielstätten für den wöchentlichen Arthouse-Schmalz" kann ich dabei nur fett unterstreichen (bei ET hatten wir es auch schon häufig davon, z.B. hier oder hier). Die *eigentlichen* Programmkinos, Filmclubs oder Repertoire-Kinos sind mittlerweile ja fast gänzlich ausgestorben, mit wenigen Ausnahmen und einzelnen Initiativen/Reihen. Bleiben jenseits von Multiplex und Arthouse-Mainstream-Kino fast nur noch Kinematheken und Kommunale Kinos, wobei das Angebot von letzteren von Fall zu Fall zwischen vorbildlich und erschreckend schwankt. Leider sind bestimmte Angebote durch diverse Veränderungen heute wohl wirklich nur noch mit Subventionen oder Selbstausbeutung zu stemmen.
Der Knackpunkt im konkreten Fall: auch mir sind natürlich Reihen wie die zu Bava sogar in dieser Form lieber als der dominierende fade Arthouse-Mainstream (träume btw sowieso schon seit Jahren von einer größeren Bava-Retro mit schönen Filmkopien im entsprechenden Rahmen, aber da kann man wohl vergeblich hoffen, weil Berlinale und Co an sowas ärmlicherweise keinen Gedanken verschwenden würden). Es gibt aber eben mindestens zwei Seiten: so schön es ist, dass dadurch die Programmvielfalt bereichert und eventuell Neulinge an Bava heran geführt werden, so ärgerlich ist es u.U. für denjenigen, der endlich einmal Bava im Kino sehen möchte, und dann feststellen muss, dass er streng genommen (natürlich mit Kino-Atmosphäre/Größe-Bonus und offenbar zumindest nicht ganz lieblos, sondern mit um Qualität bemühter Aufbereitung) mehr oder weniger die Fassung zu sehen kriegt, die er womöglich schon zuhause hat. Weil ich beide Aspekte relevant finde, bleibt es für mich eine höchst ambivalente Angelegenheit. Eben mit dem zusätzlichen Beigeschmack, dass m.E. mit ein wenig Mischkalkulation trotz allem durchaus etwas mehr drin wäre, weil es zwar längst nicht alle, aber durchaus eine Handvoll (darunter auch wirklich seltene) Bavas recht günstig noch als Filmkopie gibt. In der eigenen gelegentlichen kuratorischen Tätigkeit (einer ehrenamtlichen und damit streng genommen selbstausbeuterischen) weiß ich prinzipiell um die Problematik gerade mit älteren Filmen, habe aber auch die Erfahrung gemacht, dass es durchaus auf positive Resonanz und erhöhten Zuspruch stoßen kann, wenn man den Eigenwert z.B. einer 35mm-Projektion betont und solche Dinge transparent macht (das Hamburger SciFi-Horror-Festival wirbt z.B. mit dem großen Aufdruck "35mm - Echter Film! Echtes Kino!", und das entsprechende Nischenpublikum honoriert sowas durchaus). Und auch wenn ich natürlich keine Selbstausbeutung fordere, denke ich, dass sich eine Mischkalkulation zwischen ein paar recht günstig verfügbaren Filmkopien und ein paar DVDs (Upscaling kann natürlich durchaus ganz passabel aussehen, aber als HD-Quelle gibt es bislang m.W. von Bava nur BAY OF BLOOD und das wohl leider nicht in überzeugender Ausführung) durchaus machen ließe, zumal eben mit etwaig mehr Zuschauern aufgrund transparent gemachtem Mehrwert. Letztlich sind das natürlich nur Spekulationen und Anregungen, weil ich zwar die allgemeine Situation, aber nicht die konkreten Umstände im Tilsiter und die Zusammensetzung und Ansprüche seiner Besucher kenne.
Es ist letztlich wohl alles ziemlich vertrackt, gerade auch hinsichtlich der allgemeinen Umbruchsituation des Kinos und auch hinsichtlich des insgesamt desolaten Zustands der Kinokultur hierzulande. Um das wirklich eingehender zu erörtern, müsste man wohl weit in 'kurationsethische', werkspezifische, museale, filmkulturelle und förderstrukturelle Fragen einsteigen, was zumindest an dieser Stelle wohl etwas übers Ziel hinaus schießen würde und wofür mir gerade auch ein wenig Zeit und Muße fehlen (vielleicht irgendwann in einem Grundsatztext zu u.a. solchen Themen, den ich schon länger vorhabe). Zumal ich das im Moment glaube ich auch nicht in der nötigen Prägnanz formuliert kriege und mich wohl ohnehin ein wenig ziellos verrannt habe. Aber zumindest die ein oder andere Überlegung anzureißen, gerade trotz und wegen der Ambivalenz des Ganzen (und weil da eben so viele legitime Fragen und Perspektiven reinspielen), ist bei solchem Anlass sicher nicht verkehrt.
Beste Grüße,
Andreas
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