Es ist zum aus der Haut fahren! Da dachte man, der Vorstoß einiger Ex-Sternchen und Gernegroßens sowie verwirrter technokratischer Grüninnen bezüglich deutscher Quote im Radio sei, wie es für Unfug erster Ordnung geziemlich ist, im Sand der Bedeutungslosigkeit versunken. Doch denkste! Reine Taktik! Kaum hatte man das Deutschquotengesockse vergessen, den Kelch an sich bereits als vorübergegangen gewähnt, holt die rot-grüne Bildungsbürgerhuberborniertheit zum Rückschlag aus:

Ein fester Prozentsatz deutscher Musik im Radio: Darüber erhitzen sich die Gemüter quer durch die Parteien und Sender. SPD und Bündnis 90/Die Grünen setzen nun ein eindeutiges Zeichen - und beantragen die Quote im Bundestag. [spon]

Im folgenden listet der Artikel auf, wer alles gegen die fettige Deutschquotensoße gewesen ist, was aber na klar die Bundeshuscherl an der Regierung nicht weiter juckt. Man war ja auch zuvor schon unpopulär. Und man sorge sich ja um den Nachwuchs und ganz generell um die Vielfalt in der Musik, die, so die Huscherl, ja nun nicht gewährleistet sei. Dass schon damals, im September, als man erste Vorstöße wagte, die Top10 der Charts vorrangig von Musikern aus deutschen Landen bevölkert war, wurde damals wie heute natürlich geflissentlich ignoriert. Solange sich auch nur ein einziger Yankee in den deutschen Charts tummelt, ist die musikalische Vielfalt in Deutschland eben nicht mehr gegeben, so meint man es zwischen den Zeilen lesen zu können. Das mithin perplex Stimmende ist ja nun auch überhaupt, dass man unter dem Vorzeichen der Vielfalt in erster Linie Beschränkung derselben im Sinn hat.

Es mag an der Einfalt der Wortführenden liegen.


° ° °




kommentare dazu:



ae, Donnerstag, 16. Dezember 2004, 19:53
man
kann es nur immer und immer wieder verlinken:
http://www.taz.de/pt/2004/10/01/a0206.nf/text.ges,1

eine gespenstische diskussion, das ganze!


thgroh, Donnerstag, 16. Dezember 2004, 20:00
Guter, alter Wiglaf Droste. Ja!

Oder aber hier, Jens Balzer in der Berliner Zeitung. Klare Worte: "Schnauze, Deutschland!"

franz fuchs, Donnerstag, 16. Dezember 2004, 22:55
Wenn ich das sagen darf (dürfen werde ich sicher, nur weiß ich nicht, ob es hier auf viel Gegenliebe stößt): Der Ausdruck "Gesocks" ("Lumpenbande") muß nicht sein.

Thomas unterstellt den Befürwortern quasi völkische Motive. Ich "vermute mal", daß trotzdem schlicht die Ökonomie eine größere Rolle spielt, was vergleichsweise noch eine sympathische Erklärungsvariante ist.

Aber vielleicht sehe ich diese Sache auch deshalb entspannter, weil ich dem deutschen/deutschsprachigen Pop-Radio*, ob jetzt mit oder ohne Quote, relativ indifferent gegenüberstehe**.

*Ich vermute mal, daß es in der Debatte weniger darum geht, daß Henze und Rihm statt Xenakis und Nono im Deutschlandfunk gespielt werden sollen.

**Ab und an höre ich die Sendungen "Im Sumpf" und "Graue Lagune" im österreichischen FM4.


thgroh, Donnerstag, 16. Dezember 2004, 23:24
Gesagt werden darf natürlich alles hier. Nicht einmal die spleenigen und fast schon essayistischen Kommentare der Jesusspinner unter meinem "Passion Christi"-Text wurden "verboten". ;-)

"Gesocks" finde ich aber passt recht gut. Zum einen für Vollpfeifen wie Maximillian Hecker und Co., die sich mit solchem "Pappa Staat, bitte hilf dem Geld in meine Tasche"-Gegreine 'nen schnellen Cent versprechen und ihre Borniertheit vermittels entsprechender Äußerungen in Interviews ausstellen, sowie auch für die Riege gehirnverquaster Rotgrün-Pädagogiker, die meinen, sie müssten den Anspruch retten und "Anspruch" gleich mit "kommt aus Deutschland, aber, nun ja, zumindest aus Europa, natürlich nie nicht aber niemals aus der USA" gleichsetzen. Leute also, die über ihren würdenträgermienengeschulten Pfeifenrauchergestus schon längst den Bezug zur Realität verloren haben und die es umtreibt, dass nun nicht jeder nordrheinwestfälische Liedermacher hört. Und natürlich auch für Leute wie Peter Maffay und Udo Lindenberg und wie die ganze Baggage sich nennt. Doch, "Gesocks" passt gut, finde ich. Alles andere, gar würdevollere, würde doch nur auf ein "offenes Gespräch" hinauslaufen, auf ein Diskussionsangebot, wo es doch an sich nichts zu diskutieren gibt. Zero tolerance, Arschgeigen beim Namen benennen! (yeah ;) )

Und nein, so sehr völkische Motive will ich denen gar nicht mal unterstellen, auch wenn die irgendwo, hinter vielen Diskursverschiebungen verflüssigt, sicher bergbar sein mögen. Mir geht's nur schlicht auf den Zeiger, dass so'ne abgehalfterten Typen noch jede miese Masche abziehen müssen, um entweder den anspruchsvollen alten Europäer rauszukehren oder aber sich über diesen Umweg bequem ein paar mehr GEMA-Tantiemen einzuheimsen, mit jammernden Maulereien, die allein auf Ressentiments abheben, an der Realität geradewegs vorbeizielen und schlimmstenfalls - gut, das wäre dann das Völkische - mal wieder Volk in Stellung zu bringen in der Lage ist (was sich, gottlob, nun nicht abzeichnet; aber schon der (billige) Versuch ist strafbar).

Dem deutschen Pop an sich und dessen Radio stehe ich auch recht indifferent gegenüber. Was mir gefällt, mache ich daran fest, dass es mir eben gefällt, und nun wahrlich nicht an Sprache oder Herkunft. Zumal Radio ohnehin eine aussterbende Form ist. Hier, hallo, Musik per Internet, bitte sehr. Auch wieder sowas, was die ganzen Bratpfannen von Vollmer bis Maffay nicht begreifen wollen: Dass ihr Zug nicht nur abgefahren ist, sondern dass sie auch den nächsten und übernächsten beim Beschauen des eigenen Nabels verpasst haben.

Grüße
Thomas


knoerer, Freitag, 17. Dezember 2004, 15:22
on & off topic
On topic: Das wäre mal was: Eine gesetzlich durchgeboxte Quote für Neue Musik, sagen wir post-Schönberg, sagen wir, 20 Prozent Anteil für jeden einzelnen Sender, der etwas anderes als reines Wort macht. Ich würd ja glatt wieder Radio hören.

Off topic: Wie wäre es denn, lieber Thomas, mit einem vorweihnachtlichen Kaffee mit begleitender Materialübergabe irgendwann nächste Woche? Ich fände es schön. Edit: Oder Tee.



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