Thema: Filmtagebuch
Chicken Run (Peter Lord/Nick Park, GB 2000)
Harmlose, nette Unterhaltung, nett gemacht, noch netter gemeint und gerne mag man während der Sichtung Kuchen essen. Die Grandezza, die ich bei Trickfilmen aber immer noch gerne als Bonbon dabei haben möchte, das Spektakuläre, das Glitzernde also, fehlt ihm jedoch nahezu völlig. [imdb]
Kafka (Steven Soderbergh, USA 1991)
Letzten Endes traurig ist an diesem rein optisch sicher reizendem Film, dass man immer wieder meint, das Meisterwerk, das er durchaus sein könnte, durchblitzen sehen zu können, doch zu seinem Recht kommt es nie. Die Ambitionen werden einem daumendick aufs Butterbrot geschmiert - der Arzt heißt Dr. Murnau, gesucht werden die Orlac-Akten, später wird man bunt wie ein Hammer-Film und Allgemeinwissensanekdoten um die Persona Kafka werden so dick wie Taue eingefädelt - , allein, sie finden keine wirkliche Entsprechung im Werk insgesamt. Diese Aussichten auf das Große, was hier versucht werden wollte, sind es aber nun, die den Film insgesamt nicht als groß erscheinen lassen wollen. Wirklich schade: Kein Soderbergh, der zu Unrecht von der Kritik verrissen wurde und den es nun wiederzuentdecken gilt. [imdb]
Kronos (Kurt Neumann, USA 1957)
Nur halbherzig mitverfolgt, deswegen kaum verbindliche Äußerungen möglich. Erschien mir allerdings als etwas schwach auf der Brust, das erhoffte, durchgeknallte Drive-In-Erlebnis, wie man es von Sci-Fi-Knallern jener Tage durchaus erwarten darf (vgl. zum Beispiel den prima Earth vs. The Spider, der hier im "Blog des Grauens" adäquat gewürdigt wird), wird hier nur bedingt geboten. Etwas irritiert hat mich, dass einige Szenen irgendwie an Star Wars erinnerten, z.B. einige Anflugszenen auf den Weltallgiganten in der Wüstenei, gefilmt aus dem Innern des Militärflugzeugs heraus, das wirkte so ein bisschen wie die Schlacht um Hoth. [imdb]
The Incredibles (Brad Bird, USA 2004)
Ein großartiger Film, den es in Zukunft vielleicht sogar als Wendepunkt der computeranimierten Filmtradition zu betrachten gilt. Weg vom Kinder-Trulala, bei dem sich die Erwachsenen an technischen Gimmicks bloßer Machbarkeit erfreuen können, hin zur mitreißenden Story und einem Was der Ausstattung ("Kuck mal, die 60s-Möbel!") im Gegensatz zu deren vorherigem Wie ("Kuck mal, wie toll die das Wasser bei Findet Nemo animiert haben!"). Darüber hinaus auch ein spannender Kommentar zum Verhältnis von Superhelden (in deren goldenem Jahrzehnt, den 40ern, der Film beginnt) zu Superagenten wie James Bond (in dessen goldenem Jahrzehnt, den 60ern, der Film seinen weiteren Verlauf nimmt). Im Verein mit Shrek 2 und dem furiosen Sky Captain ist The Incredibles ein Indiz dafür, dass sich im Computerbereich einiges tut, was in Zukunft weiterzuverfolgen sich als spannend erweisen wird. [imdb]
Alexander (Oliver Stone, USA 2004)
Das weitgehend vernichtende Urteil der Kritik wird sich, so hoffe ich, in Zukunft als unberechtigt erweisen. "Langweilig" sei der Film, so konnte man es gemeinhin vernehmen. Natürlich ist er das, wenn man den Monumentalfilm nur als Vehikel für monumentale Bilder und Spektakel anzusehen bereit ist: Hier ist Alexander in der Tat nicht sonderlich ergiebig. Spannend wird es aber, wenn die eher essayistische Filmform Oliver Stones sich dieser Form annimmt und über den Genrekontext hinausweisende Fragen verhandelt. Das Ergebnis ist nichts, was sich didaktisch übernehmen ließe, aber eben doch interessant und wirft, im besten Sinne verstanden, Gedanken auf, die man nach dem Kinobesuch lange weiterspinnen kann. Deshalb betrachte ich Alexander eher als eine Art Gesprächsangebot (und in der Tat war Stones Film einer der wenigen dieses Jahres, wo ich andauernd reflektierte, weitere Schritte erahnen und das Geschehen verstehen wollte, kurzum: in mir mit dem Film über ihn diskutierte), als, natürlich, eine Kontroverse, für die Stone bekannt ist, doch entfaltet sie sich jenseits des Kinosaals vielleicht nur deshalb weniger als zu früheren Zeiten Stones, weil der Gegenstand erstem Augenschein nach nicht von Aktualitäten oder zumindest historisch nahen Bezügen gekennzeichnet ist. Schwer ist es, ein eindeutiges Urteil zu fällen. Ist der Film gut? Schlecht? Ich denke, die Knappheit solcher Floskeln wird den verschiedenen Inhalten des Films (und den verschiedenen möglichen Konzepten, ihm zu begegnen) nicht gerecht, weswegen ich hier auch ganz bewusst platzmangelshalber keine Gedankenoffenlegung betreiben möchte. Ganz grundsätzlich aber: Ein spannendes, anregendes Kinoerlebnis. Empfehlungsjournalismus, der ganz auf Tagesaktualitäten ausgerichtet ist, muss an dem Film vermutlich schon formhalber scheitern.
Nachtrag: Nachdem ich nun mal kreuz und quer Kritiken unterschiedlichster Herkunft und Ausrichtung gelesen habe, erscheint es mir bemerkenswert, mit welch kleinlicher Lust, die nicht selten zum Hysterischen neigt, der Film niederzureden versucht wird. Geradewegs so, als müsse man ihn sich vom Leibe halten, koste es, was es wolle. Nun hätte ich gegen einen argumentierten Verriss nicht das Geringste einzuwenden, aber was hier zum Teil für Armutszeugnisse abgeliefert werden, diskreditiert manch Website und Printperiodikum und nährt zudem einmal mehr meine Befürchtung, dass die Zunft der Filmkritik schlichtweg am degenerieren ist (einmal mehr die Hoffnung, hier möge mal irgendwas Großes geschehen, eine neue Bewegung, irgendwas.). [imdb]
Harmlose, nette Unterhaltung, nett gemacht, noch netter gemeint und gerne mag man während der Sichtung Kuchen essen. Die Grandezza, die ich bei Trickfilmen aber immer noch gerne als Bonbon dabei haben möchte, das Spektakuläre, das Glitzernde also, fehlt ihm jedoch nahezu völlig. [imdb]
Kafka (Steven Soderbergh, USA 1991)
Letzten Endes traurig ist an diesem rein optisch sicher reizendem Film, dass man immer wieder meint, das Meisterwerk, das er durchaus sein könnte, durchblitzen sehen zu können, doch zu seinem Recht kommt es nie. Die Ambitionen werden einem daumendick aufs Butterbrot geschmiert - der Arzt heißt Dr. Murnau, gesucht werden die Orlac-Akten, später wird man bunt wie ein Hammer-Film und Allgemeinwissensanekdoten um die Persona Kafka werden so dick wie Taue eingefädelt - , allein, sie finden keine wirkliche Entsprechung im Werk insgesamt. Diese Aussichten auf das Große, was hier versucht werden wollte, sind es aber nun, die den Film insgesamt nicht als groß erscheinen lassen wollen. Wirklich schade: Kein Soderbergh, der zu Unrecht von der Kritik verrissen wurde und den es nun wiederzuentdecken gilt. [imdb]
Kronos (Kurt Neumann, USA 1957)
Nur halbherzig mitverfolgt, deswegen kaum verbindliche Äußerungen möglich. Erschien mir allerdings als etwas schwach auf der Brust, das erhoffte, durchgeknallte Drive-In-Erlebnis, wie man es von Sci-Fi-Knallern jener Tage durchaus erwarten darf (vgl. zum Beispiel den prima Earth vs. The Spider, der hier im "Blog des Grauens" adäquat gewürdigt wird), wird hier nur bedingt geboten. Etwas irritiert hat mich, dass einige Szenen irgendwie an Star Wars erinnerten, z.B. einige Anflugszenen auf den Weltallgiganten in der Wüstenei, gefilmt aus dem Innern des Militärflugzeugs heraus, das wirkte so ein bisschen wie die Schlacht um Hoth. [imdb]
The Incredibles (Brad Bird, USA 2004)
Ein großartiger Film, den es in Zukunft vielleicht sogar als Wendepunkt der computeranimierten Filmtradition zu betrachten gilt. Weg vom Kinder-Trulala, bei dem sich die Erwachsenen an technischen Gimmicks bloßer Machbarkeit erfreuen können, hin zur mitreißenden Story und einem Was der Ausstattung ("Kuck mal, die 60s-Möbel!") im Gegensatz zu deren vorherigem Wie ("Kuck mal, wie toll die das Wasser bei Findet Nemo animiert haben!"). Darüber hinaus auch ein spannender Kommentar zum Verhältnis von Superhelden (in deren goldenem Jahrzehnt, den 40ern, der Film beginnt) zu Superagenten wie James Bond (in dessen goldenem Jahrzehnt, den 60ern, der Film seinen weiteren Verlauf nimmt). Im Verein mit Shrek 2 und dem furiosen Sky Captain ist The Incredibles ein Indiz dafür, dass sich im Computerbereich einiges tut, was in Zukunft weiterzuverfolgen sich als spannend erweisen wird. [imdb]
Alexander (Oliver Stone, USA 2004)
Das weitgehend vernichtende Urteil der Kritik wird sich, so hoffe ich, in Zukunft als unberechtigt erweisen. "Langweilig" sei der Film, so konnte man es gemeinhin vernehmen. Natürlich ist er das, wenn man den Monumentalfilm nur als Vehikel für monumentale Bilder und Spektakel anzusehen bereit ist: Hier ist Alexander in der Tat nicht sonderlich ergiebig. Spannend wird es aber, wenn die eher essayistische Filmform Oliver Stones sich dieser Form annimmt und über den Genrekontext hinausweisende Fragen verhandelt. Das Ergebnis ist nichts, was sich didaktisch übernehmen ließe, aber eben doch interessant und wirft, im besten Sinne verstanden, Gedanken auf, die man nach dem Kinobesuch lange weiterspinnen kann. Deshalb betrachte ich Alexander eher als eine Art Gesprächsangebot (und in der Tat war Stones Film einer der wenigen dieses Jahres, wo ich andauernd reflektierte, weitere Schritte erahnen und das Geschehen verstehen wollte, kurzum: in mir mit dem Film über ihn diskutierte), als, natürlich, eine Kontroverse, für die Stone bekannt ist, doch entfaltet sie sich jenseits des Kinosaals vielleicht nur deshalb weniger als zu früheren Zeiten Stones, weil der Gegenstand erstem Augenschein nach nicht von Aktualitäten oder zumindest historisch nahen Bezügen gekennzeichnet ist. Schwer ist es, ein eindeutiges Urteil zu fällen. Ist der Film gut? Schlecht? Ich denke, die Knappheit solcher Floskeln wird den verschiedenen Inhalten des Films (und den verschiedenen möglichen Konzepten, ihm zu begegnen) nicht gerecht, weswegen ich hier auch ganz bewusst platzmangelshalber keine Gedankenoffenlegung betreiben möchte. Ganz grundsätzlich aber: Ein spannendes, anregendes Kinoerlebnis. Empfehlungsjournalismus, der ganz auf Tagesaktualitäten ausgerichtet ist, muss an dem Film vermutlich schon formhalber scheitern.
Nachtrag: Nachdem ich nun mal kreuz und quer Kritiken unterschiedlichster Herkunft und Ausrichtung gelesen habe, erscheint es mir bemerkenswert, mit welch kleinlicher Lust, die nicht selten zum Hysterischen neigt, der Film niederzureden versucht wird. Geradewegs so, als müsse man ihn sich vom Leibe halten, koste es, was es wolle. Nun hätte ich gegen einen argumentierten Verriss nicht das Geringste einzuwenden, aber was hier zum Teil für Armutszeugnisse abgeliefert werden, diskreditiert manch Website und Printperiodikum und nährt zudem einmal mehr meine Befürchtung, dass die Zunft der Filmkritik schlichtweg am degenerieren ist (einmal mehr die Hoffnung, hier möge mal irgendwas Großes geschehen, eine neue Bewegung, irgendwas.). [imdb]
° ° °
kommentare dazu:
maledei,
Donnerstag, 30. Dezember 2004, 16:34
alexander
danke für die alexander-kritik, ich habe mich schon gar nicht mehr in den film getraut nach all den verrissen. nun werde ich wahrscheinlich doch noch mal reingehen.
viel ärgerlicher als die kritiken fand ich ja die vorauseilende selbstzensur des verleihs, die schwulen szenen rauszuschneiden weil sie dem publikum nicht zugemutet werden könnten.
(wobei: selbst die entschärfte version hat in griechenland noch empörung hervorgerufen. ein direktors cut würde wahrscheinlich sofort öffentlich verbrannt werden :))
viel ärgerlicher als die kritiken fand ich ja die vorauseilende selbstzensur des verleihs, die schwulen szenen rauszuschneiden weil sie dem publikum nicht zugemutet werden könnten.
(wobei: selbst die entschärfte version hat in griechenland noch empörung hervorgerufen. ein direktors cut würde wahrscheinlich sofort öffentlich verbrannt werden :))
matt,
Donnerstag, 30. Dezember 2004, 22:29
@TGroh
Welche Rezensionen haben Sie denn beispielsweise gelesen? Die aus der FAZ fand ich beispielsweise garnicht so negativ.
Welche Rezensionen haben Sie denn beispielsweise gelesen? Die aus der FAZ fand ich beispielsweise garnicht so negativ.
thgroh,
Freitag, 31. Dezember 2004, 20:07
@maledei
Dafür ist der Film allerdings in der Tat noch sehr "entspannt", was das Thema Homosexualität betrifft. Meint: Sie findet statt und "ist" eben, wird aber nicht als Besonderes herausgekehrt (was ja auch dem wohl wahrscheinlich realen "Homosex-Diskurs" seinerzeit entspricht, der in der Antike meines Wissens, zumindest phasenweise, als solcher quasi nicht existierte, da offenbar keine Differenzen gezogen wurden). Womit natürlich nicht gesagt sein soll, dass da keine "strategische Editierungen" stattgefunden haben - vielleicht hast Du da eine verbindliche Quelle (wäre sehr dankbar dafür!)?
@matt
Ich will da eigentlich keine schmutzige Wäsche kübeln und in der Tat war in den meisten Feuilletons zumindest der Versuch zu bemerken, den Film in den Griff zu kriegen. Und ich kann die meisten negativen Kritiken ja auch in der Tat von der kommunizierten, jeweils individuellen Perspektive nachvollziehen, würde aber fast allen noch ein "Ja nun, aaaber...." anhängen wollen. Vor allem im Onlinebereich aber haben sich manche nun wirklich nicht mit Ehre bekleckert ( da wäre dann ein "Depp" passend, aber wie gesagt, "schmutzige Wäsche" und so, die gilt es zu vermeiden).
Dafür ist der Film allerdings in der Tat noch sehr "entspannt", was das Thema Homosexualität betrifft. Meint: Sie findet statt und "ist" eben, wird aber nicht als Besonderes herausgekehrt (was ja auch dem wohl wahrscheinlich realen "Homosex-Diskurs" seinerzeit entspricht, der in der Antike meines Wissens, zumindest phasenweise, als solcher quasi nicht existierte, da offenbar keine Differenzen gezogen wurden). Womit natürlich nicht gesagt sein soll, dass da keine "strategische Editierungen" stattgefunden haben - vielleicht hast Du da eine verbindliche Quelle (wäre sehr dankbar dafür!)?
@matt
Ich will da eigentlich keine schmutzige Wäsche kübeln und in der Tat war in den meisten Feuilletons zumindest der Versuch zu bemerken, den Film in den Griff zu kriegen. Und ich kann die meisten negativen Kritiken ja auch in der Tat von der kommunizierten, jeweils individuellen Perspektive nachvollziehen, würde aber fast allen noch ein "Ja nun, aaaber...." anhängen wollen. Vor allem im Onlinebereich aber haben sich manche nun wirklich nicht mit Ehre bekleckert ( da wäre dann ein "Depp" passend, aber wie gesagt, "schmutzige Wäsche" und so, die gilt es zu vermeiden).
matt,
Sonntag, 2. Januar 2005, 14:57
Ich empfehle Ihnen da unbedingt das Interview mit Stone im Süddeutsche Zeitung Magazine von vorletzter Woche zu lesen? Haben Sie dieses?
thgroh,
Sonntag, 2. Januar 2005, 14:59
Habe ich (vorliegen und gelesen). Hier auch noch online abrufbar sogar (bei der SZ ja gar nicht mal üblich, leider).
maledei,
Sonntag, 2. Januar 2005, 21:49
Ja, das "homosexuelle subjekt" ist natürlich eine konstruktion aus dem 19. Jahrhundert. Es gab zwar schon immer die praxis einer gleichgeschlechtlichen sexualität, die essenzialisierung als eigenschaft, oder eine "schwule" identität ist eine völlig neue entwicklung. "Verbindliche" quellen kann ich hier jetzt keine anbieten, ich würde vielleicht auf gigi's blog verweisen. Vielleicht könnte er dir auf eine anfrage (z.b. bei seinem "alexander"-eintrag) da besser weiterhelfen als ich.
...bereits 2290 x gelesen