10.01.2005, Heimkino; Inhalt.

Ein eigenartig schöner, intelligent inszenierter Film von - kein Geblödel jetzt - philosophischer Tiefe, mit beeindruckender Akkurattese auf den Punkt gebracht: Keine Minute oder nur Sekunde zu lang, alles - verdammt viel - ist erzählt nach einer Stunde. Abspann.

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Wie jemand für die Leidenschaft lebt, in einer Welt, die dafür nicht geschaffen ist. Zwei Jobs und der Nebenjob reiben auf, attackieren noch den Schlaf. Wind und Wetter torpedieren den Leidenschaftlichen beim Zeitungsaustragen. Allerlei Surreales in der Fischbude. Geschichten vorlesen im Altenheim (oder wo auch immer). Am Abend dann: Konzert in der minderbesuchten Kneipe am Eck. Nachbarn hinter Fenstern, zahlendes Publikum: Kaum. Groteske Figuren am Rande: Einer hat das Tonbandgerät stets bereit stehen, in der Hoffnung, eine Interpretation eines raren Stücks zu ergattern (die kriegt er und kommentiert es mit Zungenschlag - einer der schönsten seltsamen Momente in diesem Film). Ein anderer verkauft Heftpflaster zu zwei Mark pro Doppelmeter. Doch auf der Bühne spielen die Ausgestoßenen, sie spielen mit der ganzen Seele ihrer tristen Existenz (und wie wichtig Schneider dies ist, wird deutlich daran, dass nicht sattsam Bekanntes über die Musik gelegt wird, sondern die Musik für sich steht und auch das Bild kippt nie ins Groteske um): Hier, an dieser Stelle, ist Schneider wie Sisyphos bei Camus - wir müssen ihn uns als Glücklichen vorstellen, auch wenn der Stein jeden Moment zu kippen droht.

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Überhaupt die Musik: On- und Off-Screen-organisiert finden sich Juwelen der Klangkunst, des Jazz. Die solo gespielte Orgel akzentuiert das Bild, trägt maßgeblich zu den schönen Ansichten bei. Weder Klamauk noch Pfeifenrauchertum bestimmen diese Töne: Es ist die reine Freude an ihnen selbst.

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Das Ende: Versinnbildlichter Eskapismus. Eine andere Welt, absurder, grotesker noch als diese (die ohne Zweifel - keine Schneider'schen Verfremdung über ein Minimum heraus - auf unsere verweist), gleichzeitig aber schöner, bunter, musikalischer. Wie bei Sun Ra wird das Glück nicht auf Erden gesucht: Space is the Place. Neue Räume erschließen. Das Alberne, das hier mitschwingt, wird gebrochen durch den vorangegangen Film selbst, der nun alles andere als albern war, eher das melancholische Bild eines Menschen, dem die Kunst alles ist, selbst noch in jenen kleinen Zirkeln, die eine Welt zwischen Provinznest, Suff-Nachbarn und Fischbuletten ihr zugesteht.

imdb | offizielle site | angelaufen.de | filmz.de


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