Thema: Filmtagebuch
17. September 12 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
gesehen im Zeughauskino, DigiBeta.
Grafs Hotte im Paradies hat mich ähnlich mitgenommen wie Lukas, mit dem ich den Film sah. Sein Posting siehe hier, zu dem sich mein Text hier nur als loser Kommentar versteht.
Die romantische Heteromann-Vorstellung, die Dienste einer Prostituierten nicht nur in Anspruch zu nehmen, sondern die Frau gleich noch aus der Prostitution zu retten, ist eine der zentralen, großen Unterwerfungsfantasien: Die öffentliche Frau soll einem ganz alleine gehören. Doch die Fantasie und die Geste der Unterwerfung funktioniert auch spiegelbildlich: Der Zuhälter verführt eine Frau, um sie in die Prostitution zu zwingen.
Der Film, der die erste Variante am schlagendsten bebildert (und dabei vor allem auch in Gloss und Glam deren ideologische Verpackung in Perfektion mitliefert), ist Pretty Woman - in nuce findet sie sich in den berühmten Montagen, in denen Julia Roberts von Richard Geres Finanzkraft in den Edelboutiquen von Los Angeles' eingekleidet wird (seinem prüfenden, gestattenden und jubelnden Blick stets unterworfen) und wie sich Roberts vor allem auch in der für sie profund fremden Welt der Edelgastronomie tapsig Schritt für Schritt vorwärts tastet.
Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass sich in Hotte im Paradies eine lange Sequenz findet, in der vordergründig dasselbe passiert: Ein Mann protzt einer Frau gegenüber mit seinem Reichtum, zeigt ihr das beste Essen in den feinsten Restaurants (sehr zu ihrer Überforderung), kleidet sie neu ein, mit stets kritischem Blick: "Es gibt immer noch was Besseres." Der Versuch mit Geld (aber auch mit verschmitztem Geschick: Ein Oberteil wird frech geklaut), in eine Welt zu locken, in der noch mehr Geld wartet. Doch handelt es sich dabei auch um eine Inversion: Hotte holt die Frau nicht aus der Prostitution heraus, sondern zieht sie geradewegs hinein. Auch wegen der offenkundigen Parallelität zu Hollywoods Märchenhochglanz (in allerdings West-Berliner Digitalpixelschmutz) eine zutiefst erschreckende Sequenz, die viel darüber erzählt, wie tief sich die Ökonomie in die menschlichen Beziehungen schiebt.
Auch aus dieser Perspektive sind die Übergänge zwischen Prostitution und bürgerlichem Leben in diesem Film interessant: Eine der Frauen, die für Hotte anschaffen, wird nur gegen einen "Abstand" aus der Prostitution entlassen, eine andere "rettet" Hotte schließlich selbst, doch erst nachdem er sie in einem SM-Keller gefoltert hat (Video)
(Randnotiz: Überhaupt fällt einem im Laufe der Zeughaus-Graf-Retro erst wirklich auf, wie häufig Prositution in Grafs Filmen eine Rolle spielt oder zumindest präsent ist.)
Reiner Zufall: Am Morgen nach der Vorführung stolpere ich am Gleis des S-Bahnhofs Charlottenburg über einen Spielort des Films, der in meiner Stadt spielt, die nicht meine ist (kaum einmal, dass ich an diesem S-Bahnhof bin, auch wartete ich hier bloß auf einen Anschlusszug ins idyllische Werder/Havel, der vom Ludenmilieu Charlottenburgs unendlich weit und doch nur eine halbe Stunde entfernt liegt).
Grafs Hotte im Paradies hat mich ähnlich mitgenommen wie Lukas, mit dem ich den Film sah. Sein Posting siehe hier, zu dem sich mein Text hier nur als loser Kommentar versteht.
Die romantische Heteromann-Vorstellung, die Dienste einer Prostituierten nicht nur in Anspruch zu nehmen, sondern die Frau gleich noch aus der Prostitution zu retten, ist eine der zentralen, großen Unterwerfungsfantasien: Die öffentliche Frau soll einem ganz alleine gehören. Doch die Fantasie und die Geste der Unterwerfung funktioniert auch spiegelbildlich: Der Zuhälter verführt eine Frau, um sie in die Prostitution zu zwingen.
Der Film, der die erste Variante am schlagendsten bebildert (und dabei vor allem auch in Gloss und Glam deren ideologische Verpackung in Perfektion mitliefert), ist Pretty Woman - in nuce findet sie sich in den berühmten Montagen, in denen Julia Roberts von Richard Geres Finanzkraft in den Edelboutiquen von Los Angeles' eingekleidet wird (seinem prüfenden, gestattenden und jubelnden Blick stets unterworfen) und wie sich Roberts vor allem auch in der für sie profund fremden Welt der Edelgastronomie tapsig Schritt für Schritt vorwärts tastet.
Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass sich in Hotte im Paradies eine lange Sequenz findet, in der vordergründig dasselbe passiert: Ein Mann protzt einer Frau gegenüber mit seinem Reichtum, zeigt ihr das beste Essen in den feinsten Restaurants (sehr zu ihrer Überforderung), kleidet sie neu ein, mit stets kritischem Blick: "Es gibt immer noch was Besseres." Der Versuch mit Geld (aber auch mit verschmitztem Geschick: Ein Oberteil wird frech geklaut), in eine Welt zu locken, in der noch mehr Geld wartet. Doch handelt es sich dabei auch um eine Inversion: Hotte holt die Frau nicht aus der Prostitution heraus, sondern zieht sie geradewegs hinein. Auch wegen der offenkundigen Parallelität zu Hollywoods Märchenhochglanz (in allerdings West-Berliner Digitalpixelschmutz) eine zutiefst erschreckende Sequenz, die viel darüber erzählt, wie tief sich die Ökonomie in die menschlichen Beziehungen schiebt.
Auch aus dieser Perspektive sind die Übergänge zwischen Prostitution und bürgerlichem Leben in diesem Film interessant: Eine der Frauen, die für Hotte anschaffen, wird nur gegen einen "Abstand" aus der Prostitution entlassen, eine andere "rettet" Hotte schließlich selbst, doch erst nachdem er sie in einem SM-Keller gefoltert hat (Video)
(Randnotiz: Überhaupt fällt einem im Laufe der Zeughaus-Graf-Retro erst wirklich auf, wie häufig Prositution in Grafs Filmen eine Rolle spielt oder zumindest präsent ist.)
Reiner Zufall: Am Morgen nach der Vorführung stolpere ich am Gleis des S-Bahnhofs Charlottenburg über einen Spielort des Films, der in meiner Stadt spielt, die nicht meine ist (kaum einmal, dass ich an diesem S-Bahnhof bin, auch wartete ich hier bloß auf einen Anschlusszug ins idyllische Werder/Havel, der vom Ludenmilieu Charlottenburgs unendlich weit und doch nur eine halbe Stunde entfernt liegt).
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