Thema: Berlinale 2005
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11. Februar 05 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
Heute also doch das erste teure, aber leckere Eis. Oben von den Arkaden (die Eisdiele am vorderen Ende, Nahe des CinemaxX). Daselbst dieses dann auch schnabuliert und gleichzeitig auf die Ausmaße einer Medienrevolution gestoßen: In den Arkaden steht nämlich auch das Fußvolk des Festivals - die Zahlkunden - um Karten an. Die Länge der Schlangen wurde häufig schon, meist hämisch, im Feuilleton bemerkt. Klar, man selbst steht ja nicht an, man zeigt nur sein Stück Plastik vor (was auch wieder so nicht stimmt, denn die Kollegen verschweigen den Ticket Counter oben im Hyatt...). Früher, als ich selbst noch Karten dort abholte, war das so, dass der übliche Schalter mit langer Wartezeit verbunden war, während man bei dem Kabuff am Rande, wo man die im Internet bestellten Karten abholen kann, eigentlich auch nicht länger anstand als werktags beim Bäcker für Brötchen. Heute aber, und das ließ mich wirklich staunen, ist das geradewegs groteskverdreht und ich fragte mich, ob da die Organisatoren nicht selbst was verpennt haben: Die Schlange für den Internet-Schalter schlägt jede andere, mir je dort unter die Augen gekommene Schlange mit Leichtigkeit: Beinahe schon sehen sich die Leute dazu gezwungen, die Schlange bis vor die Türen der Arkaden zu verlängern. Die üblichen Counter hingegen stellen moderate Wartezeiten in Aussicht: Die Low-Tech-Freaks, die noch brav "Datum-Kino-Uhrzeit" aufsagen, bilden eher kleine Grüppchen denn lange Reptilien. Und natürlich sind die üblichen Schalter noch immer mehrfach besetzt, während das Internethäuschen immer noch, mit gezeigten fatalen Folgen, das Kabuff am Rande ist ...
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Apropos Anstehen, Karten, Journalisten. Manche der letztgenannten sind offenbar gewillt, das Klischee vom narzistischen Publizisten, der "wichtig" gällt und auf den Boden stampt, wenn es nicht nach seinem Willen geht, zu jeder Zeit zu bekräftigen. Tatort CinemaxX gestern Abend, Panoramavorstellung: Die in den Presseunterlagen als "Pressevorführung" ausgewiesene Vorführung von Redentor ist in echt eine öffentliche, in die wir auch hineindürfen. Eigentlich recht logisch ist da, dass die Leute mit gekauften Karten in diesem Falle zunächst Vortritt haben. Schnell bildet sich eine Traube vor dem Saal, Akkreditierte müssen kurz warten, bis die Zahlkunden alle drin sind. Die meisten fügen sich dem ohne Murren. Ein paar besonders Akkreditierte aber lassen sich die Möglichkeit zum Stänkern, zumindest aber zum wild mit dem Plastik Fuchteln nicht entgehen. Sie seien akkreditiert, wird da geblökt, dabei ignorierend, dass der bemerkenswert die Fassung bewahrende CinemaxX-Angestellte zuvor schon meinte, dass Akkreditierte bitte kurz am Rande warten mögen. Mit großen Augen stehen sie nun da, diese Wichtigheimer, fuchteln rum und mimen den dicken Max. Manch einer zieht auch die Liste mit den Pressevorführungen raus und deutet mit dicken Zeigefinger drauf. Sicher, meint der Angestellte, aber es ist eben auch eine öffentliche Veranstaltung. Brüskiert wird sich umgedreht, mit den Augen gerollt, als sei man eine Kuh auf LSD. "Mein Gott", möchte man ihnen zurufen, "Du kannst Dir hier kiloweise Filme for free anschauen und musst nur ein paar, meist ohnehin debile, Zeilen drüber schreiben. Tausende beneiden Dich! Führ Dich doch einfach nicht so auf, bloß weil's mal ein paar Minuten länger dauert!"
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Eine Welt für sich: Der Filmmarkt, unweit des Berlinale-Palastes. Hier herrscht alle schmierige Business-Freundlichkeit der Welt. Jeder ein potentieller Einkäufer, Kunde und Geldbringer. Man muss die Dialoge, den Umgang miteinander dort selbst einmal gehört haben, um's zu glauben.
Trotzdem ist der Filmmarkt gleichzeitig auch so was wie der Traum vielleicht nicht eines jeden, aber doch so manchen Geeks. Kiloweise Promomaterial zu den neuesten, internationalen Produktionen liegt da rum. Manche Filme sind gar ganze Hefte wert und viele nationale Kinematografien stellen ihren letzten Jahrgang in Buchform vor - natürlich zum Mitnehmen, sicher, und ein Lächeln vom Countermäuschen gibt es noch dazu.
Man verfällt in Mitnehmrausch. Alles, was nicht niet- und nagelfest ist, landet im Arm. Der schmerzt bald und man fürchtet, eine etwas armselige Figur zu machen. Ist aber nicht schlimm, weil hier jeder mit mindestens drei bis vier Kilo Promomaterial auf dem Arm durch die Gegend hechelt, dabei immer zur Seite stierend, ob es nicht doch noch ein (in der Regel sehr hübsch gestaltetes) Infoblatt gibt, das noch nicht eingepackt wurde. Hier und dort kann man in Filme reinschauen, auf kleinen DVD-Spielern mit LCD-Bildschirm, bei den Asiaten aber gerne auch mal auf dem großen Plasmaschirm. Das meiste ist noch unveröffentlicht, manches noch gar nicht fertiggestellt. An einem Stand einer Hongkonger Firma war es mir dann auch möglich, einen Blick auf ein PromoReel von Tsui Harks neuestem Film Seven Swords werfen können. Ein Zusammenschnitt "bester Szenen", natürlich sind die Drähte noch zu sehen gewesen, aber generell lässt sich wohl schon vermuten, dass Tsui Hark mit diesem ausstattungstechnisch offenbar sehr aufwändigen Film eine gelungene Rolle rückwärts in seine nostalgischen Wuxia Pian der frühen 90er vollzogen hat, bzw. diese technisch auf den neuesten Stand gebracht hat. Überhaupt sind die Stände der asiatischen Firmen ganz wunderbare kleine Inseln mit vielen bunten Materialien. Sogar Exemplare des besonders schön gestalteten Programmhefts vom Festival in Pusan liegen hier aus. Richtig wohnzimmrig altbacken wirken dagegen die Stände zahlreicher deutscher Anbieter und vor allem der Öffentlich-Rechtlichen. Bei ARD stehen ein paar blaue Stühle und kleine Tischchen rum, darauf: Knabberzeug, Weihnachtsplätzchenartiges. Bombenmarketing!
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Unvergesslich auch ein Moment im Presseraum, wo internationale Journalisten ihre Texte in die Welt schicken. Nach erfreulicherweise nur wenigen Minuten Anstehen, ergattere ich einen Platz, ungünstigerweise zwar in der "Express Station", wo nur 15 Minuten lang getippt werden darf, aber ich will mich ohnehin kurz fassen. Freudig haue ich in die Tasten und sehe meinen Text allerdings auf Kyrillisch erstrahlen. Nicht, dass der Rechnerplatz das vorher irgendwie preisgegeben hätte ...
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Was den Wettbewerb und also den Großteil der öffentlich(st)en Berichterstattung betrifft, könnte dies, so dachte ich noch letzte Nacht, Kosslicks schlimmste Berlinale werden. Gleichzeitig aber - und das ist gar nicht mal so paradox, wie man vielleicht ja wirklich erstmal glauben möchte - gibt es in den verschiedenen Sektionen in der Tat genug zu entdecken, um sich eine der vielleicht besten und interessantesten Berlinalen der letzten Jahre zusammenzustellen. Wenn dies die Folge eines sich selbst zunehmend für obsolet erklärenden Wettbewerbs ist, soll mir das nur recht sein.
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Das Wetter ist leicht besser, der Trubel hat merklich angezogen. Bei gerade mal zwei Filmen, die ich heute gesichtet habe (dazu später mehr), war es mir eine große Freude, durch die ersten Festivalwogen am Postdamer Platz zu streifen, bald hierhin, bald dorthin zu schauen, Eindrücke sammeln. Wenn man soviele Menschen auf einem Haufen sieht, die mal mit der Leidenschaft des Liebenden, mal mit der Hektik des Berichterstattenden über's Gelände pesen, weiß man einmal mehr, warum dies die schönste Jahreszeit von allen ist. Noch macht die Betriebsamkeit große Freude, warten wir ab, wie es in vier, fünf Tagen aussieht, wenn es zwischen heimischem Bett, PC und Filmvorführungl keinen Zwischenraum mehr gibt ...
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Apropos Anstehen, Karten, Journalisten. Manche der letztgenannten sind offenbar gewillt, das Klischee vom narzistischen Publizisten, der "wichtig" gällt und auf den Boden stampt, wenn es nicht nach seinem Willen geht, zu jeder Zeit zu bekräftigen. Tatort CinemaxX gestern Abend, Panoramavorstellung: Die in den Presseunterlagen als "Pressevorführung" ausgewiesene Vorführung von Redentor ist in echt eine öffentliche, in die wir auch hineindürfen. Eigentlich recht logisch ist da, dass die Leute mit gekauften Karten in diesem Falle zunächst Vortritt haben. Schnell bildet sich eine Traube vor dem Saal, Akkreditierte müssen kurz warten, bis die Zahlkunden alle drin sind. Die meisten fügen sich dem ohne Murren. Ein paar besonders Akkreditierte aber lassen sich die Möglichkeit zum Stänkern, zumindest aber zum wild mit dem Plastik Fuchteln nicht entgehen. Sie seien akkreditiert, wird da geblökt, dabei ignorierend, dass der bemerkenswert die Fassung bewahrende CinemaxX-Angestellte zuvor schon meinte, dass Akkreditierte bitte kurz am Rande warten mögen. Mit großen Augen stehen sie nun da, diese Wichtigheimer, fuchteln rum und mimen den dicken Max. Manch einer zieht auch die Liste mit den Pressevorführungen raus und deutet mit dicken Zeigefinger drauf. Sicher, meint der Angestellte, aber es ist eben auch eine öffentliche Veranstaltung. Brüskiert wird sich umgedreht, mit den Augen gerollt, als sei man eine Kuh auf LSD. "Mein Gott", möchte man ihnen zurufen, "Du kannst Dir hier kiloweise Filme for free anschauen und musst nur ein paar, meist ohnehin debile, Zeilen drüber schreiben. Tausende beneiden Dich! Führ Dich doch einfach nicht so auf, bloß weil's mal ein paar Minuten länger dauert!"
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Eine Welt für sich: Der Filmmarkt, unweit des Berlinale-Palastes. Hier herrscht alle schmierige Business-Freundlichkeit der Welt. Jeder ein potentieller Einkäufer, Kunde und Geldbringer. Man muss die Dialoge, den Umgang miteinander dort selbst einmal gehört haben, um's zu glauben.
Trotzdem ist der Filmmarkt gleichzeitig auch so was wie der Traum vielleicht nicht eines jeden, aber doch so manchen Geeks. Kiloweise Promomaterial zu den neuesten, internationalen Produktionen liegt da rum. Manche Filme sind gar ganze Hefte wert und viele nationale Kinematografien stellen ihren letzten Jahrgang in Buchform vor - natürlich zum Mitnehmen, sicher, und ein Lächeln vom Countermäuschen gibt es noch dazu.
Man verfällt in Mitnehmrausch. Alles, was nicht niet- und nagelfest ist, landet im Arm. Der schmerzt bald und man fürchtet, eine etwas armselige Figur zu machen. Ist aber nicht schlimm, weil hier jeder mit mindestens drei bis vier Kilo Promomaterial auf dem Arm durch die Gegend hechelt, dabei immer zur Seite stierend, ob es nicht doch noch ein (in der Regel sehr hübsch gestaltetes) Infoblatt gibt, das noch nicht eingepackt wurde. Hier und dort kann man in Filme reinschauen, auf kleinen DVD-Spielern mit LCD-Bildschirm, bei den Asiaten aber gerne auch mal auf dem großen Plasmaschirm. Das meiste ist noch unveröffentlicht, manches noch gar nicht fertiggestellt. An einem Stand einer Hongkonger Firma war es mir dann auch möglich, einen Blick auf ein PromoReel von Tsui Harks neuestem Film Seven Swords werfen können. Ein Zusammenschnitt "bester Szenen", natürlich sind die Drähte noch zu sehen gewesen, aber generell lässt sich wohl schon vermuten, dass Tsui Hark mit diesem ausstattungstechnisch offenbar sehr aufwändigen Film eine gelungene Rolle rückwärts in seine nostalgischen Wuxia Pian der frühen 90er vollzogen hat, bzw. diese technisch auf den neuesten Stand gebracht hat. Überhaupt sind die Stände der asiatischen Firmen ganz wunderbare kleine Inseln mit vielen bunten Materialien. Sogar Exemplare des besonders schön gestalteten Programmhefts vom Festival in Pusan liegen hier aus. Richtig wohnzimmrig altbacken wirken dagegen die Stände zahlreicher deutscher Anbieter und vor allem der Öffentlich-Rechtlichen. Bei ARD stehen ein paar blaue Stühle und kleine Tischchen rum, darauf: Knabberzeug, Weihnachtsplätzchenartiges. Bombenmarketing!
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Unvergesslich auch ein Moment im Presseraum, wo internationale Journalisten ihre Texte in die Welt schicken. Nach erfreulicherweise nur wenigen Minuten Anstehen, ergattere ich einen Platz, ungünstigerweise zwar in der "Express Station", wo nur 15 Minuten lang getippt werden darf, aber ich will mich ohnehin kurz fassen. Freudig haue ich in die Tasten und sehe meinen Text allerdings auf Kyrillisch erstrahlen. Nicht, dass der Rechnerplatz das vorher irgendwie preisgegeben hätte ...
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Was den Wettbewerb und also den Großteil der öffentlich(st)en Berichterstattung betrifft, könnte dies, so dachte ich noch letzte Nacht, Kosslicks schlimmste Berlinale werden. Gleichzeitig aber - und das ist gar nicht mal so paradox, wie man vielleicht ja wirklich erstmal glauben möchte - gibt es in den verschiedenen Sektionen in der Tat genug zu entdecken, um sich eine der vielleicht besten und interessantesten Berlinalen der letzten Jahre zusammenzustellen. Wenn dies die Folge eines sich selbst zunehmend für obsolet erklärenden Wettbewerbs ist, soll mir das nur recht sein.
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Das Wetter ist leicht besser, der Trubel hat merklich angezogen. Bei gerade mal zwei Filmen, die ich heute gesichtet habe (dazu später mehr), war es mir eine große Freude, durch die ersten Festivalwogen am Postdamer Platz zu streifen, bald hierhin, bald dorthin zu schauen, Eindrücke sammeln. Wenn man soviele Menschen auf einem Haufen sieht, die mal mit der Leidenschaft des Liebenden, mal mit der Hektik des Berichterstattenden über's Gelände pesen, weiß man einmal mehr, warum dies die schönste Jahreszeit von allen ist. Noch macht die Betriebsamkeit große Freude, warten wir ab, wie es in vier, fünf Tagen aussieht, wenn es zwischen heimischem Bett, PC und Filmvorführungl keinen Zwischenraum mehr gibt ...
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