Herrlich! Ausgeschlafen und voller Vorfreude, durch heftiges Schneetreiben stapfend, Schritt für Schritt die Füße in die knirschende, rutschige, weiße Unterlage treibend, das Gesicht vereist, die Augen zugekniffen, die Zunge hechelnd wie ein zu kurzer Schal aus dem Munde hängend, geriet mir der täglich wiederkehrende 15-minütige Spaziergang zur S-Bahn heute zum Genuß.

Im Kino angekommen kann ich froh sein noch einen Platz zu ergattern. Links und rechts von mir angenehme Menschen, keine Selbstverständlichkeit dieser Tage. Echte Cineasten – genau wie ich. Da gibt es keinen Mucks, kein Geraschel und Geräusper. Später, bei der nächsten Vorführung, werd ich einen Trampler hinter mir zu sitzen haben. Das sind jene Zeitgenossen, die unentwegt mit den Füßen gegen die Lehne des Vordersitzes trampeln und dann ganz verwundert gucken, wenn man sie zurechtweist.

Zurechtweisen ist übrigens in den letzten Tagen zu meiner Lieblingsbeschäftigung geworden. Ich warte regelrecht auf eine Verfehlung, die ich dann umgehend ahnde. Das bleibt nicht unbemerkt. Selbst die Klofrau sieht sich nervös um wenn ich zwischen zwei Vorführungen dahergeprescht komme. Am Abend torkle ich dann ausgehungert in die Potsdamer Arkaden um kurz darauf in der Bahn gen Heimat zu dösen. Da fällt mir eine zerlesene Morgenpost ins Auge. Die Überschrift: „Vorsicht, Cineasten! Beobachtungen am Potsdamer Platz“. Dann: „Sein Kontakt zur Realität ist knapp bemessen. Man muss um ihn Angst haben“. Zustandsbeschreibung, die zweite ist hiermit beendet.


° ° °




kommentare dazu:



thgroh, Dienstag, 15. Februar 2005, 03:23
Ja, meine 11 Stunden Schlaf die letzte Nacht waren auch dringend nötig. Zur Halbzeit sollte man sich das mal gönnen. Und zurechtweisen, wie Recht du da hast. Spitzenhobby! Vorhin erst einen von der BVG zusammengeschnauzt, weil dieser Betrieb von der Muse eines Saboteurs geküsst ist. Am Abend werden nämlich sowohl die U2 als auch die S-Bahnlinien unter zeitraubende und Verwirrung stiftende Pendelverkehrsmaßnahmen gestellt. Spitzentiming - während oben am Potsdamer Platz noch Hunderte, wenn nicht Tausende von Leuten Filme kucken, rumlaufen, sonst was machen, klappt die BVG mal eben die Bürgersteige hoch und kapselt den Potsdamer Platz zu seiner hochfrequentiertesten Zeit verkehrstechnisch so gut wie ab. Geschlagene 20 Minuten musste ich auf den Pendlerzug warten, der dann auch noch 10 Minuten Verspätung hatte.

Wir sollten Muxmäuschenstill 2 drehen. Oder ein Remake von Taxi Driver. Irgenwann... der Regen... die Straße ...

ae, Dienstag, 15. Februar 2005, 13:26
Den erwähnten Artikel
aus der Morgenpost findet man übrigens hier: http://morgenpost.berlin1.de/content/2005/02/14/berlin/734796.html

Auf diesem Wege auch vielen Dank für den nicht enden wollenden Nachrichtenfluß und weiterhin viel Durchhaltevermögen!



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