Thema: Berlinale 2005
18. Februar 05 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
Der Film läuft in der Retrospektive.
Gezeigt wird die jüngst restaurierte Fassung des Films. Der Supervisor der Restauration erklärt vor der Vorführung ein wenig den Hintergrund der Produktion und warum der Film nicht originalgetreu restauriert wurde (und im Nachhinein redete er darüber noch mehr, da musste ich aber schon weg). Karim Asif wirkte in dieser Geschichte ein wenig wie ein indischer Howard Hughes, der jahrelang mit diesem "größten indischen Film aller Zeiten" schwanger ging und ihn schließlich, nach vielen Jahren, umsetzte. Zu einem Preis, der das übliche Budget damaliger Tage um ein zehnfaches sprengte und schon allein deshalb keinen Rupee Gewinn in Aussicht stellte. Während der Dreharbeiten kam der Farbfilm nach Indien, da war ein Großteil aber schon in Schwarzweiß geschossen. Karim Asif nutzte die neue Technologie und schoß die jeweils abschließenden Filmrollen des Films (vor der Pause, am Ende) in einem atemberaubend buntem Set, durch das er wahre Wirbeltänze ziehen ließ. Am liebsten aber hätte er den ganzen Film neu in Farbe gedreht, was die Produzenten ihm aber untersagten; sie sahen ihr Geld eh schon dahingeflossen.
Die Restauration dieses Bollywoodklassikers holt diesen Traum des Regisseurs nun nach. Es wurde ein digitales Verfahren erarbeitet, das es ermöglichte, die schwarzweißen Sequenzen - also den Großteil des Films - nachträglich zu colorieren. Wo man schon dabei war, hat man auch gleich die musikalische Untermalung einer Schönheitskur unterzogen und weite Teile des Scores neu, aber auf den originalen Kompositionen basierend, eingespielt. Zahlreiche neue diegetische Geräusche kamen dabei offensichtlich auch dazu.
Eine deutlich ambivalente Sache. Das sah auch die Dame von der Retrospektive so, die in ihren einleitenden Worten darauf hinwies, dass auch die Sektion selbst diese Arbeitsweise als "politically not correct" ansieht, aber dennoch nicht umhin kam, den Film in dieser Fassung zu zeigen. Zum einen ist es natürlich toll und eine Fügung des Schicksals, wenn ein langgehegter Traum eines sichtlich ambitionierten Künstlers endlich, wenn auch nach seinem Ableben, in Erfüllung geht. Andererseits aber fällt es schwer, das fertige Ergebnis als Entsprechung dieses Traums anzuerkennen.
Dies fängt bei der Farbgebung selbst an, die offenbar technisch bedingt eher an Postkarten aus dem 19. Jahrhundert erinnert und zudem einen äußerst flächigen Bildeindruck ergibt. Dieser wird noch durch den Umstand bestärkt, dass vor allem für Großaufnahmen der Protagonisten der Bildhintergrund nicht selten als statisches Bild angelegt wurde. Die charakteristischen Alterserscheinungen alten Filmmaterials spielen sich dann zwar auf den Personen im Vordergrund ab, der Hintergrund aber ist davon nicht betroffen. Ferner umgibt die Figuren dann meist auch eine Art "digitale Aura", eine Zone am Rande ihrer Konturen, wo durch die Kompression ein leichtes Rauschen mit dem Bildhintergrund stattfindet. Solche Momente gibt es ärgerlich häufig und man hat, durch die seltsam fremden Farben zusätzlich bedingt, nicht selten das Gefühl, in einem der ersten CD-Rom-Spiele der 90er Jahre gelandet sein, wo ähnlich vorgegangen wurde. Ferner irritiert ein teilweise nervös zuckendes Bildrauschen in größeren Farbflächen, wie man es etwa auch von eher mäßigen DVD-Umsetzungen kennt - Rückbestände der digitalen Bearbeitung. Der neue Soundtrack tut ein übriges, um den Film auf Distanz zu halten: Der authentisch und klangqualitativ seiner Entstehungszeit deutlich verhaftet gebliebene Gesang reibt sich am kristallklaren Sound der musikalischen Untermalung. Generell wirkt die Musik übergepropft, bleibt dem Film oft fremd.
Eine diegetische Versunkenheit will sich da kaum einstellen. In der Tat bleibt der Blick auffällig oft nur auf der Fläche des Bildes haften und fühlt sich von den digitalen Rückständen fast magisch angezogen. Gerade dies aber, dieses Verweilen in der Distanz, ist für einen Bollywoodfilm schlicht tödlich. Er braucht es, dass man sich in ihn fallen lässt, das Spiel lustvoll mitspielt und für eine meist nicht geringe Weile ganz in seiner Welt aufgeht. Dem steht die Restaurierung, in dieser Form, deutlich im Wege.
Auch eine andere Qualität des Films wird nivelliert: Die authentischen Farbsequenzen sind ganz und gar Rausch. Emotional wie ästhetisch. Sie sind klirrend bunt - kilo-, ja zentnerweise Mosaiksteine und bunte Scherben wurden angeschafft, um ein bonbonfarben delirierendes Set zu gestalten, das zudem atemberaubend in Szene gesetzt wurde. Mit zahlreichen Spiegelinszenierungen und -verfremdungen entsteht in beiden Farbsequenzen ein direkter Sog in eine reine Kinematografie, deren euphorisierender Charakter durch den Sprung vom Schwarzweiß ins grell Bunte seinerzeit kaum vergleichbare Elekrisierungen nach sich gezogen haben musste. Zwar lassen sich die beiden "Sphären" des Films deutlich voneinander differenzieren, doch wird dieser dramaturgischen Wirkung deutlich der Schub genommen.
Der Film selbst? Nun. Die Geschichte eines Königs und seines Sohnes, der sich gegen den König schon in Jungenjahren auflehnt und mit Front bestraft wird. Erwachsen geworden und an den Hof zurückgekehrt, verliebt er sich in eine junge Magd. Dies darf nicht sein und im Konflikt zwischen Vater und Sohn lässt man ganze Heere gegeneinander antreten. Wahrlich ausladend vollgestopft mit Dekors und Tand und Schmuck, mit melodramatischen Dialogen und großen Gefühlen, sieht man ihm seine hohen Produktionskosten in jeder Einstellung deutlich an. Es mag zum einen wirklich an der unvorteilhaften Projektion liegen, dass dieses "Mehr" an Aufwand sich nicht im Gefühl niederschlägt. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass der Film in der Tat sehr skizzenhaft strukturiert ist - zugegeben, das ist in anderen Bollywoodfilmen, meines Wissens, nicht viel anders - und dass das viele Fleisch, das der Struktur aufgelegt wird, über das eben doch sehr gemächliche Tempo, mit der die Anordnung durchschritten wird, nur wenig hinwegtäuschen kann. Sicher keineswegs ein schlechter oder langweiliger Film. Aber insgesamt eben doch eher aus musealischen Gründen interessant.
imdb
Gezeigt wird die jüngst restaurierte Fassung des Films. Der Supervisor der Restauration erklärt vor der Vorführung ein wenig den Hintergrund der Produktion und warum der Film nicht originalgetreu restauriert wurde (und im Nachhinein redete er darüber noch mehr, da musste ich aber schon weg). Karim Asif wirkte in dieser Geschichte ein wenig wie ein indischer Howard Hughes, der jahrelang mit diesem "größten indischen Film aller Zeiten" schwanger ging und ihn schließlich, nach vielen Jahren, umsetzte. Zu einem Preis, der das übliche Budget damaliger Tage um ein zehnfaches sprengte und schon allein deshalb keinen Rupee Gewinn in Aussicht stellte. Während der Dreharbeiten kam der Farbfilm nach Indien, da war ein Großteil aber schon in Schwarzweiß geschossen. Karim Asif nutzte die neue Technologie und schoß die jeweils abschließenden Filmrollen des Films (vor der Pause, am Ende) in einem atemberaubend buntem Set, durch das er wahre Wirbeltänze ziehen ließ. Am liebsten aber hätte er den ganzen Film neu in Farbe gedreht, was die Produzenten ihm aber untersagten; sie sahen ihr Geld eh schon dahingeflossen.
Die Restauration dieses Bollywoodklassikers holt diesen Traum des Regisseurs nun nach. Es wurde ein digitales Verfahren erarbeitet, das es ermöglichte, die schwarzweißen Sequenzen - also den Großteil des Films - nachträglich zu colorieren. Wo man schon dabei war, hat man auch gleich die musikalische Untermalung einer Schönheitskur unterzogen und weite Teile des Scores neu, aber auf den originalen Kompositionen basierend, eingespielt. Zahlreiche neue diegetische Geräusche kamen dabei offensichtlich auch dazu.
Eine deutlich ambivalente Sache. Das sah auch die Dame von der Retrospektive so, die in ihren einleitenden Worten darauf hinwies, dass auch die Sektion selbst diese Arbeitsweise als "politically not correct" ansieht, aber dennoch nicht umhin kam, den Film in dieser Fassung zu zeigen. Zum einen ist es natürlich toll und eine Fügung des Schicksals, wenn ein langgehegter Traum eines sichtlich ambitionierten Künstlers endlich, wenn auch nach seinem Ableben, in Erfüllung geht. Andererseits aber fällt es schwer, das fertige Ergebnis als Entsprechung dieses Traums anzuerkennen.
Dies fängt bei der Farbgebung selbst an, die offenbar technisch bedingt eher an Postkarten aus dem 19. Jahrhundert erinnert und zudem einen äußerst flächigen Bildeindruck ergibt. Dieser wird noch durch den Umstand bestärkt, dass vor allem für Großaufnahmen der Protagonisten der Bildhintergrund nicht selten als statisches Bild angelegt wurde. Die charakteristischen Alterserscheinungen alten Filmmaterials spielen sich dann zwar auf den Personen im Vordergrund ab, der Hintergrund aber ist davon nicht betroffen. Ferner umgibt die Figuren dann meist auch eine Art "digitale Aura", eine Zone am Rande ihrer Konturen, wo durch die Kompression ein leichtes Rauschen mit dem Bildhintergrund stattfindet. Solche Momente gibt es ärgerlich häufig und man hat, durch die seltsam fremden Farben zusätzlich bedingt, nicht selten das Gefühl, in einem der ersten CD-Rom-Spiele der 90er Jahre gelandet sein, wo ähnlich vorgegangen wurde. Ferner irritiert ein teilweise nervös zuckendes Bildrauschen in größeren Farbflächen, wie man es etwa auch von eher mäßigen DVD-Umsetzungen kennt - Rückbestände der digitalen Bearbeitung. Der neue Soundtrack tut ein übriges, um den Film auf Distanz zu halten: Der authentisch und klangqualitativ seiner Entstehungszeit deutlich verhaftet gebliebene Gesang reibt sich am kristallklaren Sound der musikalischen Untermalung. Generell wirkt die Musik übergepropft, bleibt dem Film oft fremd.
Eine diegetische Versunkenheit will sich da kaum einstellen. In der Tat bleibt der Blick auffällig oft nur auf der Fläche des Bildes haften und fühlt sich von den digitalen Rückständen fast magisch angezogen. Gerade dies aber, dieses Verweilen in der Distanz, ist für einen Bollywoodfilm schlicht tödlich. Er braucht es, dass man sich in ihn fallen lässt, das Spiel lustvoll mitspielt und für eine meist nicht geringe Weile ganz in seiner Welt aufgeht. Dem steht die Restaurierung, in dieser Form, deutlich im Wege.
Auch eine andere Qualität des Films wird nivelliert: Die authentischen Farbsequenzen sind ganz und gar Rausch. Emotional wie ästhetisch. Sie sind klirrend bunt - kilo-, ja zentnerweise Mosaiksteine und bunte Scherben wurden angeschafft, um ein bonbonfarben delirierendes Set zu gestalten, das zudem atemberaubend in Szene gesetzt wurde. Mit zahlreichen Spiegelinszenierungen und -verfremdungen entsteht in beiden Farbsequenzen ein direkter Sog in eine reine Kinematografie, deren euphorisierender Charakter durch den Sprung vom Schwarzweiß ins grell Bunte seinerzeit kaum vergleichbare Elekrisierungen nach sich gezogen haben musste. Zwar lassen sich die beiden "Sphären" des Films deutlich voneinander differenzieren, doch wird dieser dramaturgischen Wirkung deutlich der Schub genommen.
Der Film selbst? Nun. Die Geschichte eines Königs und seines Sohnes, der sich gegen den König schon in Jungenjahren auflehnt und mit Front bestraft wird. Erwachsen geworden und an den Hof zurückgekehrt, verliebt er sich in eine junge Magd. Dies darf nicht sein und im Konflikt zwischen Vater und Sohn lässt man ganze Heere gegeneinander antreten. Wahrlich ausladend vollgestopft mit Dekors und Tand und Schmuck, mit melodramatischen Dialogen und großen Gefühlen, sieht man ihm seine hohen Produktionskosten in jeder Einstellung deutlich an. Es mag zum einen wirklich an der unvorteilhaften Projektion liegen, dass dieses "Mehr" an Aufwand sich nicht im Gefühl niederschlägt. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass der Film in der Tat sehr skizzenhaft strukturiert ist - zugegeben, das ist in anderen Bollywoodfilmen, meines Wissens, nicht viel anders - und dass das viele Fleisch, das der Struktur aufgelegt wird, über das eben doch sehr gemächliche Tempo, mit der die Anordnung durchschritten wird, nur wenig hinwegtäuschen kann. Sicher keineswegs ein schlechter oder langweiliger Film. Aber insgesamt eben doch eher aus musealischen Gründen interessant.
imdb
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