Thema: Filmtagebuch
27. November 03 | Autor: immo | 0 Kommentare | Kommentieren

In dieser mehrere Bücher verschmelzenden Adaption geht es Weir nun vor allem um die ökonomischen Bedingungen, unter denen die kriegerische Seefahrt wohl stattgefunden hat, wie schon die ersten Inserts verdeutlichen: Im frühen 19. Jahrhundert ist der Ozean ein Schlachtfeld, die Surprise ist ein Schiff mit 28 Kanonen und 197 Seelen, dann der schlichte Auftrag der britischen Krone: Erlegt die französische Acheron. Harte Fakten, stichpunktartige Hintergrundinformationen, keine langwierige biografische, historische oder schlicht narrative Exposition, die einer Epik dienlich wäre. Dafür aber Detailaufnahmen im dichten Nebel, schmieriger Schmutz und Hunderte von dicker Tau die das Bild vom Deck zerschneiden und den Überblick erschweren. Kapitän Aubrey (Russell Crowe) liegt auf der Lauer - hat man da was gesehen, da draußen im Nebel? Als es dort zu blitzen beginnt, ist es eigentlich schon zu spät: Mit jedem Einschlag der Kanonenkugeln zerbirst massives Holz in Myriaden kleinster Spreißel, eine atemberaubende Soundkulisse verstärkt den Eindruck totaler Zerstörung. Chaos bricht aus, der Bauch des Schiffs: bestenfalls ein Sarg. Die subjektive Kameraführung erhöht die Authentizität drastisch: Jeder Blitz am Bug des gegnerischen Schiffs zieht unweigerlich die innere Anspannung des Zuschauers nach sich - das Gefühl der physischen Bedrohung, auch diesseits der Leinwand, ist perfekt.

An Bord entwickelt sich nämlich ein Konflikt zwischen dem Kapitän und dem Schiffsarzt Maturin (Paul Bettany), der einzige an Bord, zu dem ein offen freundschaftliches Verhältnis zu bestehen scheint. Und dieser Konflikt ist nicht ohne Reiz: Wo Aubrey treu dem Befehl der Krone Folge leisten will, drängt es Maturin ganz in der Tradition Darwins nach Forschungsarbeiten an der exotischen Fauna dieser Breiten. Man hätte diesem Konflikt wohl mit Leichtigkeit bestimmenden Charakter für die Erzählung verleihen können, hat sich aber, zum Glück, anders entschieden: Vielmehr entwachsen diesem Konflikt letztendlich nur die entscheidenden Denkanstöße für die eigentliche Mission, die erst durch die Überwindung der Unabrückbarkeit des jeweiligen Standpunkts überhaupt angegangen werden kann. Obwohl dieser königliche Auftrag stellenweise komplett in den Hintergrund tritt, verbindet das brillante Drehbuch am Ende doch alle Episoden, Details und Charakterentwicklungen zu einem schlüssigen und mitreißend inszenierten Finale.
Weir ist ein echter Glücksgriff gelungen: Ohne sich in Retrogefilde zu verirren, verbindet er alte Traditionen des großen Erzählkinos mit modernster Ausstattungskunst und Inszenierungstechnik und beweist dergestalt, dass Krisen wie die derzeitige des Mainstreamkinos ohne weiteres auch als Chance begriffen werden dürfen. Ein Sequel wird nicht nur durch den finalen Kniff in der Spielhandlung bereits angedeutet, auch der Titel selbst stellt schon ein solche zumindest als Option in den Raum. Selten wohl hat man sich während eines Abspanns stärker gewünscht, bereits in einem entsprechenden Double Feature zu sitzen.
Ab 27.11. im Verleih der Fox im Kino.
>> Master and Commander - Bis ans Ende der Welt (Master and Commander - The Far Side of the World, USA 2003)
>> Regie: Peter Weir
>> Darsteller: Russell Crowe, Peter Bettany, James D'Arcy,
Edward Woodall, Chris Larkin, Max Pirkis, u.a.;
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