Meine Erinnerungen an „The Shining“ sind zwiespältig. Als 16-jähriger habe ich den Roman in meiner Stephen King-Phase verschlungen, ein paar Jahre später den Film auf Video gesehen. Ich weiß noch wie überrascht ich war, beinahe verstört vom quälend langsamen Rhythmus, der für das Horrorfilmgenre nicht unbedingt selbstverständlich ist. Von der distanzierten Haltung zur Hauptfigur des Romans, Jack Torrance, dem alkoholkranken Schriftsteller. Ich war enttäuscht und fühlte mich verraten.

Jetzt also das Wiedersehen im Kino, endlich auch in englischer Sprache. Und wieder ist mein Eindruck ein zwiespältiger. Zunächst, die Wirkung des Films verträgt sich so gar nicht mit meinen Erinnerungen. Die langen Plansequenzen, wenn der kleine Danny etwa auf seinem Dreirad durch die Gänge rollt, finde ich spannend, die Langeweile, die sich bei mir „damals“ einstellte, nicht mehr nachvollziehbar. Hauptfigur ist nicht Jack Torrance sondern das Hotel selbst, das Fortschreiten der Handlung folgt einer unbestechlichen Ökonomie, konsequent dabei die strukturierenden Zeitangaben auf Schwarzblende. Radikal und wegweisend ist der Umgang mit dem Genre. Allein die zweite Einstellung, wenn man Jacks VW-Käfer aus der Vogelperspektive beobachtet, wie er seinem Weg durch einen dichten Wald folgt, bis hin zum Hotel weit oben in den Bergen, das findet sich seitdem, so scheint es, in jedem dritten Horrorfilm. Das Bezug setzen, zwischen Innenwelt der Figuren zur Außenwelt, das bestimmt das Design vieler Szenen. Die Kamera ist zunächst ganz nah beim Hotelkoch wenn der Mann aus seinem Winterdomizil in Miami aufbricht um ins verschneite Colorado zu fliegen. Erst wenn sich der Blick allmählich öffnet, können wir die Figur einordnen. Genauso funktioniert das mit Dannys Begabung, Dinge zu sehen, die geschehen sind, vielleicht geschehen werden.

In der vielleicht stärksten Szene des Films, wenn Jack mit seiner Axt in Shelleys Zimmer eindringen will, begreift man das außergewöhnliche an Kubrick. Die Inszenierung betrachtet scheinbar emotionslos eine familiäre Tragödie. Wenn die Tür zu zerbersten droht, ist das wie eine Vergewaltigung, nicht nur in physischer Hinsicht. Das erschreckende daran ist die Methode mit der Kubrick offensichtlich gewillt war, den gewünschten Effekt zu erzielen, wie er seine Hauptdarstellerin monatelang attackiert hat, bis sie die tiefe Verunsicherung glaubhaft verkörpern konnte um die es letztlich geht. Schon ganz zu Beginn wird angedeutet, dass Jack seinen Sohn vor Jahren misshandelt. Der Zerfall der Familie steht für mich deshalb im Mittelpunkt dieser Arbeit, und von dieser Perspektive aus betrachtet erhalten viele Szenen eine komplett andere Aussagekraft. Ich habe „The Shining“ als ungeheuer brutal empfunden, weniger als Film denn als Vorgang, der einen Blick gestattet in menschliche Abgründe, ohne Empathie und Hoffnung. Ein Meisterwerk, dem ich mich nicht noch einmal aussetzen möchte.



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