Kubricks verlorener Film, sein größter Flop, vielleicht seine schlimmste Niederlage. Ein Film den ich wieder einmal nur von einem alten, mit Drop-Outs übersähten Videoband kenne. Das Zeughaus Kino, sowieso ein Ort der eher an studentische Filmclubs erinnert, war bei diesem Screening hoffnungslos überfüllt. Ich hatte mir bereits im Vorfeld eine Karte gesichert und konnte mir deshalb nach der Shining Vorführung eine Pause gönnen um draußen entspannt eine zu schmauchen. Dachte ich. Als ich freudig mit dem Ticket wedelnd an den Unglücklichen ohne Karten vorbeitänzelte, wurde mir beschieden, dass mehr Karten verkauft wurden als der Laden Sitze hat. Ich würde stehen müssen, genau wie er selbst und eine handvoll anderer Looser, meinte der kleinwüchsige Abreißer. Auf die Wiedergabe des darauf folgenden Dialogs will ich verzichten. Ich saß, lag, fläzte die nächsten gut drei Stunden ganz vorne links und hatte dabei einen überraschend guten Blick auf die Leinwand. Nach jeder vollen Stunden holte ich mir einen Drink aus dem Automaten im Foyer, sozusagen als Wiedergutmachung für die erlittenen Qualen – und was soll ich sagen: es hat sich gelohnt.

Barry Lyndon ist ein Ungetüm von Film, der detailversessene Versuch eine vergangene Zeit wiederaufleben zu lassen, mit einem immensen Aufwand an Ausstattung, Kostüm und Lichtgestaltung. Legendär die speziell für den Film überarbeiteten NASA-Objektive, die das Drehen bei Kerzenlicht ohne Kunstlichtquelle ermöglichten. Ryan O´Neal spielt Redman Barry, einen irischen Opportunisten, der sich nach einer längeren Odyssee über Europas Schlachtfelder endlich in eine adelige Familie einheiratet um am Ende wieder alles zu verlieren.

Barry Lyndon wirkt wie ein Film der den Bildern keine Luft zum Atmen läßt. Gerade zu Beginn fand ich das schwer zu ertragen. Jede Einstellung ist bis zum Erbrechen durchkomponiert. Kubrick arbeitet mit Motiven, die man aus der religiös motivierten Malerei der entsprechenden Epoche verbindet. Ohne das nachgeprüft zu haben, war das zumindest mein Eindruck. Entscheidend ist die Wechselwirkung zwischen diesem klaustrophobischen Effekt und der inhaltlichen Thematik. Wie nähert man sich einer Zeit an, in der direkte Kommunikation praktisch unmöglich war, in der man sich einander lediglich über ritualisierte Abläufe begegnen konnte. Das verstehe ich und das mag auch seinen Reiz haben. Zum Beispiel in der Inszenierung der Schauspieler. Aber schon alleine um diesen Ansatz stärker herauszuarbeiten, hätte man doch das Konzept hier und da aufbrechen können, dem Zuschauer zuliebe, so wie wenn man nach einem Arbeitstag am Computer einen wenig Frischluft braucht. Dazu kommt der scharfe Humor Kubricks, der nichts und niemanden ausspart, meist treffsicher, manchmal jedoch zur Misanthropie neigend. Das alles soll nicht heißen, dass mir der Film nicht gefallen hätte, dass es nicht ganz vieles zu sagen gäbe, was ganz wunderbar gewesen ist.



° ° °




kommentare dazu:



knoerer, Montag, 7. März 2005, 09:43
So wie ich ihn erinnere - und ich habe ihn vor einigen Jahren auch mal im Kino gesehen, unter etwas weniger anstrengenden Bedingungen -, ist das für mich Kubricks bester Film. (Wobei ich Kubrick allerdings insgesamt nicht so besonders schätze.) Es ist vor allem eine grandiose Thackeray-Verfilmung - der bitter kalte Witz der Vorlage bekommt den kalten Gemälden im natürlichen Licht bestens. Mira Nair hat das bei "Vanity Fair" gerade ganz anders, konventioneller und auch viel wärmer angestellt.

Aber eigentlich kommentiere ich nur, um Kontakt aufzunehmen, wg. Katzensushi (ich hatte da eine Mail geschrieben...).


knoerer, Montag, 7. März 2005, 10:27
Ah, jetzt war es der andere Thomas (etwas spät gemerkt). Aber das trifft sich gut: Wie wäre es denn mit einem Kastanienallee-Sushi oder dergleichen?



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