Thema: hofbauerkongress
08. Januar 14 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
Der "Videoknüppel" zählt zu den eigenen "Genres" des Hofbauer-Kongresses: Darunter fallen Filme aus dem Tiefstpreissegment der VHS-Zeiten, edler Filmsud also, der den offiziellen Sprung zur DVD oder anderen Heimmedien (abseits der Arbeit aufopferungsvoller Idealisten, die solche Filme unter furchtloser Missachtung gesetzlicher Bestimmungen digitalisieren und ihnen damit die Hoffnung auf ein Nachleben bescheren) wohl niemals schaffen wird (zumindest nicht in der präferieren deutschen Synchro-Version mit ihren ganzen eigenen Untiefen). Es versteht sich, dass der "Videoknüppel" eine ganz besondere Herausforderung darstellt: Die Produktionswerte sind äußerst niedrig, die Synchronisationen bis an die Sch(m)erzgrenze lachhaft und die fleckige Bildqualität räudiger VHS-Kassetten, die seinerzeit nun ganz gewiss nicht aus Liebe zum Produkt auf den Markt gebracht wurden, ohne weiteres eine Zumutung. Es versteht sich fernerhin, dass der "Videoknüppel" das Privileg der Morgenröte genießt, sodass neben der ästhetischen auch eine körperliche Belastungsprobe zu durchstehen ist.
Aber was stört dies alles den neugierigen Cinephilen bei seinen Safaris durchs Unterholz der Filmgeschichte, wenn es dabei so ein herzig grobes Sportfilm-Märchen wie diesen Frauenwrestling-Film zu entdecken gibt? Vorderhand orientiert sich American Angels: Baptism of Blood am üblichen Narrativ des Underdogs, der (bzw. die) nach diversen Momenten der Ertüchtigung und (vorläufigen) Niederlagen nicht nur die Liebe findet, sondern auch triumphal in die heiligen Hallen des Profisports vordringt. Doch wo das Qualitätskino diese Geschichte selbst noch in den immer hyperbolischer werdenden Rocky-Filmen unter Wahrung des guten und dezenten Geschmacks erzählt, bestellt American Angels: Baptism of Blood von vornherein jene ästhetischen Felder, die ein cinephiles juste milieu eines Blickes gar nicht erst würdigen würde. Schon die ersten Bilder des Vorspanns feiern alles, was abgeschmackt, kitschig, auf jeden Fall nicht ernsthaft vorweisbar ist und erheben es in den Rang einer ganz eigenen Kino-Pathosformel:
Im Grunde genommen zeigt der Film eine kümmerliche Welt: Der Frauenwrestler-Impresario ist mit seiner billigen Glitzerjacke und seiner übertriebenen Showmanship-Attitüde das Pendant zum Marktschreier der schäbigsten Bude auf dem Kirmesplatz. Bei dem zum großen Ereignis aufgebauten Duell am Ende sind auf den schmalen Publikumsrängen mehr Plätze frei als besetzt. Wenn in dunklen Seitengassen erklärt wird, dass eine der Wrestlerinnen Probleme mit dem kriminellen Milieu hat, dann sieht das Set so aus, als käme gleich Oskar aus der Sesamstraße aus einer Mülltonne hervorgesprungen.
Und der Film lässt nichts unversucht, seine existenzialistisch verbrämten Konflikte durch allerlei Schabernack zu unterwandern: Wenn bereits genannter Impresario eine auf Schmiercatchen in zwielichtigen Etablissements spezialisierte Wrestlerin - die "Lästige Lisa" (Jan MacKenzie, der heimliche Schwarm des ganzen Kongress) - in ihrer Garderobe dazu bewegen will, sich doch bei ihm zwecks Professionalisierung ihrer Karriere zu melden, dann schaut er ihr - die sich gerade unter der Dusche zum Boden beugt - als erstes in den entgegengestreckten Arsch samt Möse, während sie beim Blick durch ihre Beine einen Schreikrampf kriegt. Selbstverständlich werden beide im späteren Verlauf dann auch von solchen Erlebnissen ganz abgesehen miteinander intim - natürlich auf dem Boden des Wrestling-Rings, unter dem, wie sich Lisa erst am nächsten Tag offenbart, ein (verschmitzt grinsender) Kleinwüchsiger lebt, der so etwas wie die gute Seele des Films darstellt.
Und dennoch: Wie in diesen Film das große Pathos, die ekstatische Wirklichkeit des B-Movies schießt, das ist ganz große Kino-, respektive Videopoesie. Alles an diesem Film so entgrenz grotesk in Szene gesetzt wie der Körper von Lisas erster Gegnerin beim Probe-Wrestlen:
Sicher hat das auch mit der eh immer schon B-Movie-affinen Ästhetik des Wrestlings zu tun, wie Lukas schon richtig schreibt. Dennoch entwickelt das für mich in einem konkret filmischen Zusammenhang, losgelöst von der aufgestachelten Live-Atmosphäre der TV-Übertragungen, die mich im Kabelfernsehen der 90er erstmals auf Wrestling aufmerksam machten, nochmal einen ganz eigenen Reiz - vielleicht auch deshalb, weil die große Geste, die exzessive Fetischisierung des Unsubtilen nochmal dadurch gebrochen wird, dass die Form der Billigproduktion dem Tonfall kaum standhält.
Vor allem aber gefiel mir auch der Anschluss an neuartigere Retrophänomene wie Hypnagogic Pop, Vaporwave etc. (für einen Einstieg: Adam Harper arbeitet sich in seinem Blog und seinen Essays sehr ausführlich daran ab), die obsolete und im Grunde längst verschwundene Ästhetiken von auf persönlichen Ausdruck gerade nicht setzenden, sondern ganz im Gegenteil herausragend "billig" und unpersönlich gestaltete Unterhaltungsformen insbesondere auch im Hinblick auf eine Materialästhetik aufgreifen und zu neuen Werken amalgamisieren und sich dabei in die Glücksversprechungen einer im Grunde genommen betrügerischen, zumindest aber hochgradig illegitimen Ästhetik hineinträumen. Als die obligatorische Trainingsmontage in American Angels: Baptism of Blood einsetzte und dazu ein triumphal quiekender Schrott-Synthsound loslegte, wünschte ich mir jedenfalls spontan eine Coverversion von Oneohtrix Point Never.
Mehr bei Lukas - Oliver
Aber was stört dies alles den neugierigen Cinephilen bei seinen Safaris durchs Unterholz der Filmgeschichte, wenn es dabei so ein herzig grobes Sportfilm-Märchen wie diesen Frauenwrestling-Film zu entdecken gibt? Vorderhand orientiert sich American Angels: Baptism of Blood am üblichen Narrativ des Underdogs, der (bzw. die) nach diversen Momenten der Ertüchtigung und (vorläufigen) Niederlagen nicht nur die Liebe findet, sondern auch triumphal in die heiligen Hallen des Profisports vordringt. Doch wo das Qualitätskino diese Geschichte selbst noch in den immer hyperbolischer werdenden Rocky-Filmen unter Wahrung des guten und dezenten Geschmacks erzählt, bestellt American Angels: Baptism of Blood von vornherein jene ästhetischen Felder, die ein cinephiles juste milieu eines Blickes gar nicht erst würdigen würde. Schon die ersten Bilder des Vorspanns feiern alles, was abgeschmackt, kitschig, auf jeden Fall nicht ernsthaft vorweisbar ist und erheben es in den Rang einer ganz eigenen Kino-Pathosformel:
Im Grunde genommen zeigt der Film eine kümmerliche Welt: Der Frauenwrestler-Impresario ist mit seiner billigen Glitzerjacke und seiner übertriebenen Showmanship-Attitüde das Pendant zum Marktschreier der schäbigsten Bude auf dem Kirmesplatz. Bei dem zum großen Ereignis aufgebauten Duell am Ende sind auf den schmalen Publikumsrängen mehr Plätze frei als besetzt. Wenn in dunklen Seitengassen erklärt wird, dass eine der Wrestlerinnen Probleme mit dem kriminellen Milieu hat, dann sieht das Set so aus, als käme gleich Oskar aus der Sesamstraße aus einer Mülltonne hervorgesprungen.
Und der Film lässt nichts unversucht, seine existenzialistisch verbrämten Konflikte durch allerlei Schabernack zu unterwandern: Wenn bereits genannter Impresario eine auf Schmiercatchen in zwielichtigen Etablissements spezialisierte Wrestlerin - die "Lästige Lisa" (Jan MacKenzie, der heimliche Schwarm des ganzen Kongress) - in ihrer Garderobe dazu bewegen will, sich doch bei ihm zwecks Professionalisierung ihrer Karriere zu melden, dann schaut er ihr - die sich gerade unter der Dusche zum Boden beugt - als erstes in den entgegengestreckten Arsch samt Möse, während sie beim Blick durch ihre Beine einen Schreikrampf kriegt. Selbstverständlich werden beide im späteren Verlauf dann auch von solchen Erlebnissen ganz abgesehen miteinander intim - natürlich auf dem Boden des Wrestling-Rings, unter dem, wie sich Lisa erst am nächsten Tag offenbart, ein (verschmitzt grinsender) Kleinwüchsiger lebt, der so etwas wie die gute Seele des Films darstellt.
Und dennoch: Wie in diesen Film das große Pathos, die ekstatische Wirklichkeit des B-Movies schießt, das ist ganz große Kino-, respektive Videopoesie. Alles an diesem Film so entgrenz grotesk in Szene gesetzt wie der Körper von Lisas erster Gegnerin beim Probe-Wrestlen:
Sicher hat das auch mit der eh immer schon B-Movie-affinen Ästhetik des Wrestlings zu tun, wie Lukas schon richtig schreibt. Dennoch entwickelt das für mich in einem konkret filmischen Zusammenhang, losgelöst von der aufgestachelten Live-Atmosphäre der TV-Übertragungen, die mich im Kabelfernsehen der 90er erstmals auf Wrestling aufmerksam machten, nochmal einen ganz eigenen Reiz - vielleicht auch deshalb, weil die große Geste, die exzessive Fetischisierung des Unsubtilen nochmal dadurch gebrochen wird, dass die Form der Billigproduktion dem Tonfall kaum standhält.
Vor allem aber gefiel mir auch der Anschluss an neuartigere Retrophänomene wie Hypnagogic Pop, Vaporwave etc. (für einen Einstieg: Adam Harper arbeitet sich in seinem Blog und seinen Essays sehr ausführlich daran ab), die obsolete und im Grunde längst verschwundene Ästhetiken von auf persönlichen Ausdruck gerade nicht setzenden, sondern ganz im Gegenteil herausragend "billig" und unpersönlich gestaltete Unterhaltungsformen insbesondere auch im Hinblick auf eine Materialästhetik aufgreifen und zu neuen Werken amalgamisieren und sich dabei in die Glücksversprechungen einer im Grunde genommen betrügerischen, zumindest aber hochgradig illegitimen Ästhetik hineinträumen. Als die obligatorische Trainingsmontage in American Angels: Baptism of Blood einsetzte und dazu ein triumphal quiekender Schrott-Synthsound loslegte, wünschte ich mir jedenfalls spontan eine Coverversion von Oneohtrix Point Never.
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