Thema: Filmtagebuch
17. September 14 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
(zuerst erschienen im Standard, in der taz als gekürzte Fassung)
Ava Lord (Eva Green), eine Frau, für die gemordet wird. Eine Femme fatale, nicht wie sie im Buche - etwa bei Chandler oder Hammett - steht, sondern wie sie Frank Miller erst 1993 in seinem postmodernen Comic Sin City in nostalgischer Erinnerung an einstige Roman- und Filmlektüren ersonnen hat und nun gemein- sam mit Regisseur Robert Rodriguez im postmodernen Kino auf die große Leinwand bringt: einerseits handelndes Subjekt der Geschichte, das Männer für ihre Zwecke reihenweise um den Finger zu wickeln versteht, andererseits fetischisiertes Objekt des Films, an dessen Reizen die Kamera so untertänig wie übergriffig hängt.
Die Verkörperung von blankem Sex - mit blitzend bösen Augen, verführerisch gedämpftem Spiel, über weite Strecken des Films so verlockend wie gefährlich nackt. Weit weg also von ihren verhüllten, ihre Versprechungen nur andeutenden filmhistorischen Ahninnen und damit die überdeutliche Konkretion einer Venusfalle, für die jeder Mann seine Existenz umgehend aufs Spiel setzt. Kein Wunder, dass diese Frau von diesem Film, einem einzigen Konvolut aus Männerneurosen, am Ende für ihre Verlockungen bestraft werden muss.
Neun Jahre nach ihrem ersten, vielbeachteten Sin-City-Film legen Miller und Rodriguez nun ein Quasi-Prequel vor. Nicht nur bietet das die Möglichkeit, in Teil eins zwar aus dem Leben geschiedene, aber beliebte Figuren wie etwa den kantigen Marv (Mickey Rourke) wiederauftreten zu lassen, auch ansonsten gibt es "more of the same": versiffte Spelunken, Schlägereien, Huren, Psychos, miese Absteigen, korrupte Bullen, viel urbanen Gossenschmier, markige Sprüche aus dem Archiv des verwahrlosten Rock-'n'-Roll-Existenzialismus.
Eine - Stichwort: Pulp Fiction - verschachtelt episodisch erzählte Fantasie zwischen Sexheft und Pulproman, deren obsessive Reizpunkte das Team bewusst schwarz-weiß grell, überzeichnet, übergroß in Szene setzt. Mit dieser parodistisch-hyperbolischen Methode wird deren neurotischer Kern, wenn auch unfreiwillig, freigelegt.
Technisch gibt es einige Fortschritte zu verzeichnen. Vor allem das 3-D-Format steht Sin City 2 als zwischenzeitig hinzugekommenes Gestaltungsgimmick gut an. Das lindert das große ästhetische Problem des ersten Teils, mit dem auch dieser Film zuweilen etwas kämpft, ein wenig: Frank Millers oft ganzseitige und von viel, sehr viel Text begleitete Panels erzielten in der Comicvorlage eine Radikalität innerhalb des Mediums, zu der Robert Rodriguez in seinen sklavischen, um Bewegung ergänzten Bildnachstellungen keine adäquate filmische Entsprechung fand.
Der Raumeffekt verleiht der lustvoll verkommen imaginierten Stadt mit all ihren reizvollen und weniger reizvollen Fetischen nun eine angenehm überwältigende Wucht, die den zentrifugal davonstrebenden Drastiken einiges an manischer Dringlichkeit gibt. Zur masochistischen Tendenz dieser wie im Speedrausch heruntergerasselten Pulp-Geschichten passen diese Prügel für das Publikum so weit ganz gut.
Dennoch macht sich bald Übersättigung bemerkbar. Man fühlt sich wie nach einer hemmungslosen Fastfood-Orgie: durchaus zufrieden, aber eben auch pappsatt. Und man fürchtet die fiesen Pickel, die solchen Exzessen gnadenlos folgen.
Ava Lord (Eva Green), eine Frau, für die gemordet wird. Eine Femme fatale, nicht wie sie im Buche - etwa bei Chandler oder Hammett - steht, sondern wie sie Frank Miller erst 1993 in seinem postmodernen Comic Sin City in nostalgischer Erinnerung an einstige Roman- und Filmlektüren ersonnen hat und nun gemein- sam mit Regisseur Robert Rodriguez im postmodernen Kino auf die große Leinwand bringt: einerseits handelndes Subjekt der Geschichte, das Männer für ihre Zwecke reihenweise um den Finger zu wickeln versteht, andererseits fetischisiertes Objekt des Films, an dessen Reizen die Kamera so untertänig wie übergriffig hängt.
Die Verkörperung von blankem Sex - mit blitzend bösen Augen, verführerisch gedämpftem Spiel, über weite Strecken des Films so verlockend wie gefährlich nackt. Weit weg also von ihren verhüllten, ihre Versprechungen nur andeutenden filmhistorischen Ahninnen und damit die überdeutliche Konkretion einer Venusfalle, für die jeder Mann seine Existenz umgehend aufs Spiel setzt. Kein Wunder, dass diese Frau von diesem Film, einem einzigen Konvolut aus Männerneurosen, am Ende für ihre Verlockungen bestraft werden muss.
Neun Jahre nach ihrem ersten, vielbeachteten Sin-City-Film legen Miller und Rodriguez nun ein Quasi-Prequel vor. Nicht nur bietet das die Möglichkeit, in Teil eins zwar aus dem Leben geschiedene, aber beliebte Figuren wie etwa den kantigen Marv (Mickey Rourke) wiederauftreten zu lassen, auch ansonsten gibt es "more of the same": versiffte Spelunken, Schlägereien, Huren, Psychos, miese Absteigen, korrupte Bullen, viel urbanen Gossenschmier, markige Sprüche aus dem Archiv des verwahrlosten Rock-'n'-Roll-Existenzialismus.
Eine - Stichwort: Pulp Fiction - verschachtelt episodisch erzählte Fantasie zwischen Sexheft und Pulproman, deren obsessive Reizpunkte das Team bewusst schwarz-weiß grell, überzeichnet, übergroß in Szene setzt. Mit dieser parodistisch-hyperbolischen Methode wird deren neurotischer Kern, wenn auch unfreiwillig, freigelegt.
Technisch gibt es einige Fortschritte zu verzeichnen. Vor allem das 3-D-Format steht Sin City 2 als zwischenzeitig hinzugekommenes Gestaltungsgimmick gut an. Das lindert das große ästhetische Problem des ersten Teils, mit dem auch dieser Film zuweilen etwas kämpft, ein wenig: Frank Millers oft ganzseitige und von viel, sehr viel Text begleitete Panels erzielten in der Comicvorlage eine Radikalität innerhalb des Mediums, zu der Robert Rodriguez in seinen sklavischen, um Bewegung ergänzten Bildnachstellungen keine adäquate filmische Entsprechung fand.
Der Raumeffekt verleiht der lustvoll verkommen imaginierten Stadt mit all ihren reizvollen und weniger reizvollen Fetischen nun eine angenehm überwältigende Wucht, die den zentrifugal davonstrebenden Drastiken einiges an manischer Dringlichkeit gibt. Zur masochistischen Tendenz dieser wie im Speedrausch heruntergerasselten Pulp-Geschichten passen diese Prügel für das Publikum so weit ganz gut.
Dennoch macht sich bald Übersättigung bemerkbar. Man fühlt sich wie nach einer hemmungslosen Fastfood-Orgie: durchaus zufrieden, aber eben auch pappsatt. Und man fürchtet die fiesen Pickel, die solchen Exzessen gnadenlos folgen.
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