01.06.2005, Kino Arsenal

Eine entlegene Insel im Pazifik als Ort schrecklicher Experimente: Ein hervorragend spielender Charles Laughton (Simon hat hier eine sehr schöne Beobachtung festgehalten, die es ziemlich genau auf den Punkt trifft) gibt den Dr. Moreau, der im „House of Pain“, einem Schreckenskabinett von OP, das den Mengele bereits erahnen lässt, mit plastisch-chirurgischen Eingriffen die Tiere sukzessive zum Menschen macht. Doch ist der Eingriff nicht allein biologischer Natur: Auf wundersame Weise erlangen diese Bastarde der Evolution auch Intelligenz und Artikulationsvermögen, wenn auch beides im eingeschränkten Maße. In den umliegenden Dschungeln hausen bereits die Ape Men in Siedlungen nach indigener Art, sie sind wild anzusehende, von der Kamera im vollen Bewusstsein des grellen Effekts inszenierte Kreaturen, die sich im steten Widerstreit zwischen animalischer Natur und zivilisatorischem Befriedungsprozess befinden. An ihrer Spitze: Ein zunächst nur an seinem bewusst eingesetzten Akzent erkennbarer (und in den Credits übergangener) Béla Lugosi, der seine Schicksalsgenossen wiederholt zu Kultur und Ethik aufruft, zum Ende hin aber, wenn die Wesen den Aufstand gegen ihren Herren wagen, als Rädelsführer auftritt.

Dieses Laborexperiment unter natürlichen Umständen mit den Mechanismen der Evolution wird durch den Aufritt eines Fremden jäh erschüttert. Parker ist ein Schiffbrüchiger, den es unter etwas verzwickten Umständen, für deren Schilderung die Exposition sich zunächst lange Zeit nimmt, auf die Insel verschlägt. Doch Moreau wittert seine große Chance: Sein ganzer Stolz ist Luta, eine bereits ansehnlich vollendete Pantherfrau, die er mit Parker konfrontiert, um zu sehen, ob ihre Menschwerdung bereits dahingelangt sei, dass sich auch leidenschaftliche und nicht zuletzt sexuelle Gelüste zur frisch beigetretenen Spezies einstellen. Und es gelingt: Zwar bleibt der adrette und leider Gottes eben auch verlobte Parker auf Distanz – die Kopulation und der erhoffte Nachwuchs stellen sich nicht ein –, doch ist das bemitleidenswerte Wesen dem jungen Mann vom ersten Anblick an hoffnungslos verfallen. Unterdessen trifft auch Parkers Verlobte samt Rettungsteam auf der Insel ein. Doch Moreaus Pläne erweisen sich als flexibel ...

Island of Lost Souls ist ein in mancher Hinsicht vielleicht krude, aber höchst effektiv inszenierter Film. Wie so oft im Horror- und Gruselkino ist auch hier der hermetisch geschlossene Eindruck nachrangig, es zählen vor allem jene Momentinseln, die den Zuschauer regelrecht anspringen. Momente der empfundenen Leere mögen dabei nur Wegbereiter für die Qualität des Bruchs mit der im klassischen Kino auf innere Geschlossenheit abzielenden Diegese darstellen. In seinem vielzitierten Aufsatz „Kino der Attraktionen“ hat der Filmwissenschaftler Tom Gunning diese Geschlossenheit als konstituierenden Aspekt des klassisch-narrativen Films hervorgehoben. In Island of Lost Souls wird diese in schöner Regelmäßigkeit und mit viel Gewinn durchbrochen: Seien es Dialoge zwischen Moreau und Parker, die in härtester Form des Schuss-/Gegenschussverfahrens – in zwei direkte Gegenüberstellungen mit dem direkten Blick in die Kamera – aufgelöst werden, oder aber das „Erstürmen der Kamera“ durch die Ape Men am Ende des Films: In schöner Regelmäßigkeit begeht der Film den Übergriffe auf den Zuschauer, der oft genug ob der direkten Ausrichtung der Bilder gegen ihn selbst sich in den Sessel drückt. Das Grobe der schrecklichen Fratzen wird dabei durch die konsequent schattierende Ausleuchtung hervorgehoben – mag Island oft grobschlächtig wirken (vor allem auch aufgrund zahlreicher unterschlagener Geräusche der Diegese; man war seinerzeit noch nah am Stummfilm), so erweist sich doch gerade in dieser formalen Gestaltung das vielleicht nicht intellektuell motivierte, aber intuitive Gespür für Effizienz.

Wie viele andere Horrorfilme jener Zeit ist auch Island natürlich nahe ans Melodram geschmiegt. Die These vom Gruselkino als Simulationsraum für das Eintreten des "Anderen" ins Gefüge, das aus rein ideologischen Gründen aus jenem wieder zu bannen sei, ist zumindest für das frühe klassische Horrorkino in dieser rigorosen Form nicht haltbar. Wie in Freaks, wie in Frankenstein, ein bisschen auch wie in King Kong gilt auch hier die solidarische Empathie vorrangig den Ausgestoßenen, geradewegs romantische Wehmut löst die Mensch gewordene Pantherfrau aus, die an ihren Zurückweisungen zugrunde geht und am Ende das Selbstopfer wagt, nicht nur um dem Geliebten die Flucht zu ermöglichen, sondern auch, um ihrer eigenen Tragödie zu entkommen. Gerade auch im überdeutlich inszenierten Kontrast der ausgestellten Kolonialherren-Zivilisiertheit des Dr. Moreau zu den anthropomorphisierten Kreaturen eröffnet der Film ein weites Feld an weiterführenden Diskursen, die nicht allein auf das Gruselkino beschränkt bleiben. Die Allegorie zu kommunistischen Erhebungen, zumal in jenen politisch unsicheren Tagen, drängt sich förmlich auf und wird von den Dialogen entschieden grundiert. Ein Plädoyer ist Island of Lost Souls dennoch nicht, im Gegenteil positioniert er sich zwar resignativ, doch auch nicht konservativ. Sein Ausblick ist düster, die schlechte Kopie des Films, die hier gezeigt wurde, unterstrich dies noch im Optischen.

imdb


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