gesehen im Heimkino

1955 war die Welt samt Weltall noch in Ordnung. Der Sputnik-Schock, ausgelöst durch die erfolgte erstmalige Begehung des Weltalls seitens der Sowjetunion, die eine beispielhafte Paranoiawelle in den USA bedingte, lag noch zwei Jahre in der Zukunft und ließ sich noch lange nicht erahnen. Ganz im Gegenteil, Eisenhower gab sich öffentlich noch bester Dinge, dass der erste Satellit im All bereits in absehbarer Zeit Signale in den Westen senden würde. Eine nationale Verfasstheit und ihre Disposition im Wandel, die sich am seinerzeit vor allem im B-Kino sehr populären Science-Fiction-Film ideal nachvollziehen lässt. In Conquest of Space, 1955 entstanden, der ansonsten alle üblichen Erkennungsmerkmale eines Weltallfilms der 50er Jahre mit sich führt (für das farbenfrohe Technicolor konzipierte Plastikbauten im Space Age Look, naive Spezialeffekte und übliche Gruppenkonstitution; kurzum: alles, was diesen knarzigen Filmzusammenhang so herrlich macht), in diesem Film also ist der Weltraum noch ein friedlicher Ort, in dem keine Pappmaché-Wesenheiten auf Unbill aus sind. Die Tiefe des Alls hält noch keine Schrecken – unschwer als Codierung von Sputnik und seinen Implikationen zu erkennen - verborgen, vielmehr stellt sich die Frage, wie und ob der Raum zu kolonisieren sei. Das im Genrefilm grundsätzlich notwendige, ja diesen als solchen geradewegs konstituierende Spannungsverhältnis, aus dem die Narration Dynamik erzielt, findet sich hier noch im Inneren begründet: Fragen der soldatischen wie ethischen Moral vor dem Betritt der unbekannten Tiefe bestimmen maßgeblich die Ereignisse und bilden so die Parabel auf eine Nation, die selbst noch im Zweifel ist, was vom Weltall zu erwarten sei.

Ort des Geschehens ist, zunächst, eine erdnahe Raumstation (die – wenn auch nicht effektästhetisch, so doch zumindest rein konzeptuell – das spätere Space Wheel bei Kubrick vorweg nimmt), auf der eine große Schar Techniker und Wissenschaftler den ersten Flug zum Mond vorbereitet. Damit ist man augenscheinlich schon eine ganze Weile beschäftigt, wie die ersten Szenen - nach pathetischer Vorrede aus dem Off - zeigen: Allerorten herrscht Unlust und Heimweh, ein zwar gestrenger, aber väterlich auftretender General (dessen Sohn in der Tat ebenfalls in der Crew tätig ist und sich prominent mit Zweifeln am Projekt hervortut) mahnt zum Durchhalten und hält die Truppe zusammen. Im Mittelpunkt steht eine Auswahlmannschaft von sechs Mann unterschiedlichster Facon, die seit bereits einem Jahr ein besonderes Training samt zermürbender Pillendiät absolviert. Etwas Abwechslung kommt in den Alltag, als das Ziel der Mission eine Modifikation erfährt: Nun nicht mehr der Trabant der Erde, sondern ihr nächster Nachbar, der Mars, sei in den nächsten Tagen anzuvisieren. Der General stellt ein kleines Team aus seiner Elite-Mannschaft zusammen und lässt das fertiggestellte Raumschiff samt neuen Koordinaten besteigen. Doch die vielen Tage auf dem Weg zum Mars gehen nicht ohne Spuren an dem General vorüber. Dieser blättert in der Bibel, gibt sich geläutert, bleibt im Endeffekt aber doch nur radikalisiert: Die Erde sei des Menschen von Gott zugewiesener Platz im All, das Unternehmen sei Aufbegehr wider den Allmächtigen. Auf dem Mars angekommen, spitzt sich die Lage für die Crew zu: Während draußen die Astronauten damit beschäftigt sind, den Mars als spätere Weizenkammer der Erde urbar zu machen, wagt der fanatisierte General die Sabotage...

Eine vielfältig zusammengesetzte Crew zwischen Zweifel an dem Projekt und Euphorie, mit an Bord der Kalauer schwingende Spaßprolet ohne nennenswerte Sensibilität und Bildung sowie der sorgfältig arbeitende Wissenschaftler-Typus nebst nibelungentreuem Anhänger des Generals, religiöser Fanatismus und pionierartiger Idealismus inklusive: Unschwer ist die Crew als diskursives Spiegelbild der us-amerikanischen Gesellschaft an der Schwelle zum Weltraumzeitalter zu erkennen. Dies macht Conquest of Space in erster Linie als historisches Dokument interessant. Oder vielleicht noch etwas genauer: Als Dokument für die „Diskursphilie“, die das us-amerikanische Kino seit je her und bis heute prägt. Der Freund plastikbunter Genrefilme hat dabei ein wenig das Nachsehen: Stimmt der schöne Technicolor-Vorspann samt pathetischer „Die Welt am Rande ihrer Grenzen!“-Vorrede noch atmosphärisch ein, bestimmen vor allem angestaubte Dialoglastigkeit das weitere Geschehen, das eher an einen Pfadfinderausflug erinnert.

Hie und da gibt es ein paar schöne Außenansichten der Plastikraumschiffe zu sehen, die sich, auf Technicolor gefilmt, sehr schön machen. Aufregend geraten ist die Begegnung mit einem rötlich glühenden Asteroiden; eine Zwischenepisode auf dem langen Weg zum Mars. Auch der rote Planet ist nett, will meinen: sehr künstlich gestaltet und erfreut das solcher Obskuritäten niemals satte Auge. Ansonsten überwiegt, letzten Endes eher zum Nachteil des Filmes, übliche Professionalität in der Inszenierung eines eher kleinen Science-Fiction-Films jener Tage. Weitaus spannender für heutige Interessen sind da die merkwürdigen, ja grobschlächtig gemachten Filme, die das Auge – damals wie heute – mit Farbenfreude und Austattungslaune in Ekstase versetzen wollen.

Nachtrag: Der in Scope gedrehte Filme wurde in einer Fullscreen-Fassung geschaut, vielleicht ging auch deshalb ein wenig Wirkung verloren.

Conquest of Space ist vielleicht einfach nur am falschen Zeitpunkt der Historie entstanden, um vollends zu überzeugen.


° ° °




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