im Heimkino gesehen

Das Leben in diesem Kaff, irgendwo in Venezuela, nicht lange nach dem zweiten Weltkrieg, ist soviel wert wie ein bisschen Schweiß und Fliegendreck. Die auf der Suche nach Geld und Freiheit hier elend gestrandeten paar Existenzen aus Europa sind den Bewohnern selbst schon lästig wie die Fliegen. Hier ist der Ort, an dem das Gewebe der alten Träume erbarmungslos enttarnt wird: Ein bisschen schaler Restalk auf dem Boden eines schmierigen Glases und der Kredit in der Schenke ist auch schon längst aufgebraucht. Es sei denn, man ist neu hier und trägt Anzug, dann kommen die Stiefellecker und Honigschmierer aus allen Löchern, vielleicht springt ja was dabei heraus. Der erste Fleck auf dem guten Stück Kleidung schließlich lässt auch den Neuen schnell als einen von ihresgleichen erkennbar werden, Gescheiterte, Gefallene allesamt. Hier kommst Du nicht raus, es fehlt am Geld und die Weiber sind auch schon lästig geworden, nur zum Schlagen noch gut. Ein Hundeleben, auf allen vieren kommt sie anfangs angekrochen.

Doch dann brennen die Ölquellen. 500 Kilometer weit weg. Der Plan der Hochmächtigen: Wedelt mit 2000 Dollar, schickt ein paar Lumpen los und lasst sie das Nitroglycerin hinbringen, um die nötige Sprengung vornehmen zu lassen. Nur ein Mörder kommt auf eine solche Idee, und Mörder gibt's hier an jeder Ecke. Doch kein Traum ist so sehr zu Ende geträumt, keine pflastiger Boden hart genug beim Aufprall, um nicht doch noch die Elenden Schlange an der eigenen Schlachtbank stehen zu lassen. 2000 Dollar oder tot - die Wahl fällt leicht in diesem Loch. Zwei LKWs sind bald beladen, vier Wahnsinnige leichter Hand gefunden, man schlägt sich schließlich um einen Posten in diesem Himmelfahrtskommando und bald jeder beschwört, Zeit seines Lebens nichts anderes als Lastkraftwagenfahrer gewesen zu sein. Nur die eigene Großmutter zu verkaufen fiele noch leichter.

Es folgen, nach langer Milieuschilderung, aufreibende, existenzielle Momente. Der vielleicht großartigste: Der alte Mann, der sich reingeschlichen hat, vorher noch der große Aufschneider in der Bar, bekommt es mit der Angst zu tun, die den bereits Gesetzten eigen ist. Als man sich entschließt, einen ungünstigen Felsbrocken zu sprengen und zu diesem Zweck die beiden Wägen etwas abseits postiert, wird diesen Todesmutigen der Wahnsinn der Tat erst bewusst, als die Lunte längst schon Funken versprüht: Was wenn ein Brocken die empfindliche Ladung trifft? Drei sind in Deckung, doch der alte war noch am Wagen und auf ihre Rufe, er solle da weg, reagiert er wie einer, der die Hosen elend gestrichen hat: Er rennt nicht weg, er zittert, zittert am ganzen Leib, so sehr, dass er im Türrahmen mit beiden Händen sich festkrallen muss. Ringsherum um ihn: Die Brocken im Bann der Gravitation. Ein atemloser Moment, der Mensch im Aggregatzustand seiner Gehetztheit: Zur Freiheit verurteilt, den Tod inklusive.

Oder der Moment, als der Alte entschläft, in den Armen des Jüngeren, der nicht müde geworden ist, ihn einen feigen Hund zu nennen. Eine eigentümliche Zärtlichkeit, rührend, aber nicht rührselig, überwältigt nun diesen. Die Feuersbrunst der Quellen heißt sie willkommen, das Ziel ist erreicht, der Alte tot. Ich musste an den Moment in Camus' Die Pest denken, als die beiden Freunde nachts ins Wasser springen und nur der Mond ist über ihnen und für eine kurze Parzelle Zeit scheint alles gut, auch wenn die Melancholie doch nie ganz verloren geht.

Am Ende ist gewiss alles umsonst gewesen. Ein schlechter Scherz, Ironie des Schicksals, ein Augenschlag später alles vorbei, im Taumel des Jubels. 2000 Dollar, ein verflucht billiger Tod. Sie werden es wert sein, ins Gras gebissen zu haben.

imdb ~ senses of cinema


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