Gerade beim unmotivierten Rufsurfen auf der Wikipedia gefunden:
Im Jahr 2003 wurde "epd Film" (gemeinsam mit dem "film dienst") mit dem "Preis der deutschen Filmkritik" ausgezeichnet. Zusammengenommen, so die Begründung der Jury, stellten die Hefte eine Art deutsche Entsprechung zu den französischen "Cahiers du Cinema" dar.
Das sind so Momente, in denen man denkt: "Okay, jetz is alles nur noch Wurscht."

(und an was ich ja eigentlich gar nicht denken mag: Wieviele Autoren beider Zeitschriften sind eigentlich Mitglied beim Verband der deutschen Filmkritik? Der ja immerhin besagten Preis verleiht. Mir schwant gerade - und läge ich richtig, dann wäre obige Formulierung ja vollkommen grotesk - , hier wurde vor allem sich selbst ausgezeichnet.)


° ° °




kommentare dazu:



knoerer, Mittwoch, 17. August 2005, 17:03
Für wahrscheinlicher - und schlimmer - halte ich die Möglichkeit, dass die das wirklich glauben. Dass die nicht den mindesten Maßstab haben für das Schreiben über Film, das Nachdenken über Film, für intellektuelles, sprachliches Niveau, Anschlüsse an, Zugänge zu Welt und Kino überhaupt. (Es gibt schon, gelegentlich, lesenswerte Texte hier und da. Dass sie aber erstens selten und deshalb reine Glückssache sind, das macht den himmelweiten Unterschied. Man muss auch nur mal die Leserbriefe in der epd lesen. Das glaubt man nicht.)


thgroh, Mittwoch, 17. August 2005, 18:15
Ja, beide Publikationen sind gewiss nicht zur Gänze untragbar. Aber vor allem im Falle der EpdFilm (die ich, wie den Film-Dienst, nur noch gelegentlich in der AGB durchblättere, aus eben diesen Gründen...) will es schon was heißen, dass mir mittlerweile der einst verhasste Film-Dienst doch schon (etwas) sympathischer ist. Da hat man sich, leider, in letzter Zeit ziemlich darauf kapriziert, eine "meinungsstarke Info-Postille" zu publizieren, und gerade eben das macht in der Tat den großen Unterschied zu den vorgeblichen Brüdern im Geiste aus Paris aus. Richtig empörend fand ich da die "Mathilde"-Ausgabe, in der sich die ganze Krux des einst monatlich gekauften Blattes abzeichnet: Ulrich Gregor darf in wenigen Absätzen vom Tokyo-Ex berichten, und man merkt förmlich, wie weh dieser geringe Platz, der ihm vorbehalten ist, beim Schreiben tut, dass da unendlich viel von einem neuen Festival, von einem wiederentdeckten japanischen Regisseur (Uchida) berichtet werden könnte. Aber mehr als pflichterfüllende Postkarte ist nicht, dafür darf ein paar Seiten vorher Georg Seeßlen auf vielen, vielen Seiten in Essayform das üblich Selbe über einen stinklangweiligen Kunstgewerbe-Quatschfilm wie Mathilde zu Papier bringen, den sich ohnehin nun wirklich jeder Hinz und Kunz aus der Leserschaft ansehen wird. Dies empfand ich dann doch als kleinen Skandal.


stefan hoeltgen, Dienstag, 23. August 2005, 09:52
Es ist immer dasselbe Problem
Anspruch versus Finanzierbarkeit. Das sollte man bei aller Kritik mal bedenken. Die in der Vergangenheit bei beiden Zeitschriften durchgeführten Relaunches hatten immer diese Gratwanderung zentral im Visir.

Was nützt denn eine tolle cineastische Zeitschrift wie "Steadycam", die im großen Maßstab nicht finanzierbar ist und das breite Publikum nicht erreicht? Der einzige Ausweg für das hier eingeforderte anspruchsvolle Schreiben wäre, es im Netz zu praktizieren. Im Netz kann man alles schreiben und ist kaum ökonomischen Zwängen unterworfen - aber hat eben auch keine Messlatte wie "Absatzzahlen", an der man erkennen kann, ob das Projekt denn auch wirklich angenommen wird. (PIs sagen GAR NICHTS, außer, wie oft ein Artikel aufgerufen wurde. Schönes Beispeil: Neuerdings kann ich sehen, wie oft unsere F.LM-Kritik zu "Inside Deep Throat" über das Google-Suchwort "Porno" aufgerufen wurde. Traurig!)

Ich finde sowohl den filmdienst als auch epd (und nicht nur, weil ich für die schreibe und mich hier mitkritisiert fühle) sehr gut, weil sie versuchen, diese Gratwanderung zu vollbringen und sich strikt "Info-Postille"nhaftigkeit (ein völlig überzogener Vorwurf, der eher auf Zeitschriften wie "Widescreen" oder "Cinema" zutrifft) verweigern. Überhaupt: Wenn die deutschsprachigen Kinogänger Filme auf einem Niveau rezipieren, dass die "Cinema" zur auflagenstärksten Filmpublikation macht, dann sind die beiden konfessionellen Zeitschriften geradezu ein Fels in der Brandung.

Dass eine wirklich anspruchsvolle cineastische Publikation in Deutschland nie lange durchhalten konnte oder es nie zu wirklich bedeutender Auflagenstärke gebracht hat, sollte eher zu denken geben.

Der Vorwurf klingt mir also insgesamt etwas zu "weltfremd" und die Spekulation um die Auszeichnung in Korrelation zur Verbandsmitgliedschaft ein wenig zu verschwörungstheoretisch. Es wäre besser, so etwas würde durch Fakten belegt anstatt es als unbewiesene Spekulation zu veröffentlichen (journalistiscche Grundregel!). Damit ist der Filmpublizistik nämlich auch nicht besonders gedient.

P.S. "Dass die nicht den mindesten Maßstab haben für das Schreiben über Film, das Nachdenken über Film, für intellektuelles, sprachliches Niveau, Anschlüsse an, Zugänge zu Welt und Kino überhaupt." ... Das ist/kling so arrogant, dass sich jeder Kommentar dazu erübrigt. :-(


knoerer, Donnerstag, 25. August 2005, 19:15
Nun, so ganz scheint sich der Kommentar nicht erübrigt zu haben. Ich bleibe - wie erwähnt und nicht zu unterschlagen: cum grano salis - auch dabei. Wenn ich den "Film Comment" und die "Cahiers du Cinéma" als Maßstab nehme (und warum nicht, es sind die führenden filmpublizistischen Projekte), dann sind und bleiben die "epd film" und der "filmdienst" Nullitäten, intellektuell, sprachlich, in der Lust an der Erkundung des Kinos und das heißt eben auch: in der Lust, zur Kenntnis zu nehmen, was jenseits des katastrophal engen Horizonts dessen liegt, was hierzulande so durch die Mainstream-Filmwahrnehmungen schwappt. (Wiederum: Mit Ausnahmen, und natürlich gehört der Bereich, für den Du da stehst, auch dazu.) Dass ich das nur in immer derselben Schärfe wiederhole, das kannst Du arrogant nennen, ich würde aber darauf hinweisen, dass es einer Mischung aus Wut und Frustration entspringt.

Sachlich einzuwenden bleibt, dass die "Filmkritik", die als Entsprechung in Deutschland zu begreifen wäre, doch mehrere Jahrzehnte durchgehalten hat. Es war offenkundig mal möglich, bis Anfang der 80er Jahre, innerhalb des Diskurses zum Film in Deutschland Anschluss an die Welt zu haben - und zwar im Rahmen eines Zeitschriftenprojekts, dem nicht ausnahmsweise gute Texte mal unterlaufen, sondern - ein Unterschied ums Ganze - höchstens mal schlechte.

Und es ist auch möglich, eine Zeitschrift wie "Texte zur Kunst" auf die Beine zu stellen und dort stehen zu lassen, gegen die man manches sagen kann, nicht aber grundsätzlich, dass sie im wesentlichen überflüssig sei. Darf man annehmen, dass das im Filmbereich von vornherein ausgeschlossen ist? Und wenn ja: Wieso? Und wenn ja: Muss man den Bewertungsmaßstab nach diesem Armtuszeugnis für ein mutmaßliches Publikum ausrichten?

Übrigens waren allein die Editorials der "epd" (eine Zeitschrift, die ich mit bis nach Brandenburg vernehmbarem Zähneknirschen mehr als ein Jahrzehnt lang abonniert hatte, bis Anfang dieses Jahres) von dem Zeitpunkt an, an dem es sie gab, von einer derart entlarvenden Geistesarmut, dass mir die Lust aufs Weiterlesen schon auf Seite 1 vergangen ist.

In gewisser Weise ist das Beharren auf der höchstmöglichen Qualität natürlich "weltfremd". Natürlich sind die "Cahiers" und der "Film Comment" subventionierte bzw. halb bankrotte Unternehmungen. Aber doch: anerkannt, das Maß der Dinge. Nur: die von den Kirchen gestützten deutschen "Pendants" sind auch subventioniert - nur leider eben schlecht, schlecht, schlecht. Und für mich wird immer nur umgekehrt ein Argument daraus: Wer so blöd sein will, wie er glaubt, dass das Publikum ist (oder, ist mir egal, wie das Publikum dann halt in der großen Zahl wirklich ist), der muss so ein Projekt nicht machen. Mag ja sein, dass sich diese Zeitschriften und ihr Publikum gegenseitig verdienen. Aber kann das heißen, dass man "realpolitisch" anerkennt, dass die Dinge in ihrer Betrüblichkeit hinzunehmen sind?

Und könnte es nicht sein, dass eine Filmzeitschrift, die intellektuell Ernst zu nehmen wäre, dann doch ein anderes Publikum findet, eines, das sich nicht nur für Filme interessiert (und also für gar nichts), sondern eben auch für Theorie und Kunst und Video und Performance Arts etc. etc. und die Übergänge und Anschlüsse? Das muss nicht akademisch sein, aber es müsste halt den state of the art kennen und dann vermitteln wollen.

Genau darin wäre es dann anders als Netzsachen. (Völlig anders auch als ich meine Netzsachen begreife, das nur nebenbei.) So ein gewisser Eros der Vermittlung, das heißt die Annahme, dass das, was man als Spezialist erkundet und denkt, ein nicht in derselben Weise spezialisierte Publikum, das groß genug ist, auch interessiert, wenn man es nur so darstellt, dass dieses Publikum den Punkt sieht, um den es geht.

Aber lass uns das gerne weiter diskutieren, ich muss jetzt nur schnell ins Videodrom...



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