05.05.2003, Pressevorführung

Der etwas bodenständigere Zwilling von George Clooneys Regiedebut: auch hier ein TV-Star, den die Geltungssucht in die Medien treibt, den vor allem aber die Libido umtreibt, auch hier ein retro-chices Ästhetikdestillat der 60er und 70er. Allein, in Auto Focus geht's ein wenig ernsthafter zu als beim "The Showbiz Must Go On"-Kollegen. Bob Crane steht hier im Mittelpunkt, den man hierzulande wohl vor allem als Hogan aus Ein Käfig voller Helden, dieser bisweilen recht witzigen Klamotte im Nazi-Gefangenenlager, kennt, und wie er - Schrader bleibt sich treu - einsam in der Masse ist, mit den Konventionen seiner Zeit nicht umzugehen weiß, an diesen zusehends zu ersticken droht. Am Ende ist er tot: ermordet, 1978, der Schuldige wurde nie gefasst.

Crane ist, wenn auch zunächst noch biederer Familienpappa, sexsüchtig. Mit seinem überaus zwielichtigen Kumpan John Carpenter (nein, nicht etwa zu verwechseln mit...), der Cranes Celebrity-Status bereitwillig nutzt, um ebenfalls zum Zuge zu kommen, dreht er Homemade-Pornos, denn Carpenter ist Technikaficionado und Bastel-Ass, hat zudem einen hohen Posten in der Entwicklung bei Sony und kommt an alle Goodies und Prototypen: Video tritt seinen Weg an, die Welt zu erobern! Die Pornobänder stapeln sich, zusammen (aber ganz klar: nicht gegenseitig) holt man sich vor dem Bildschirm einen runter, redet über den Fick auf dem Bildschirm, weiß schon den Namen der Frau gar nicht mehr: Sex, Lügen, Video. Doch Crane zerbricht an seinen Obsessionen, mit denen er, trotz zweier Scheidungen, noch immer recht naiv umgeht: "Ich liebe Titten! Große, kleine, hängende, straffe - Titten sind was Schönes!", verkündet er aus dem Off und klingt dabei wie ein Kind, das mit leuchtenden Augen von seinen Lieblingsschokoriegeln erzählt. Dem kurzen Ruhm von Hogan's Heroes folgt der lange Absturz, das lange Siechtum, die biederen 70er, die political correctness.

Ein Film über den Wandel, den das davon betroffene Individuum nicht fassen, lediglich fassungslos beobachten kann. Ein Film über den Zeitgeist der Mode also, über die Mode des Zeitgeists. Die Interieurs ändern sich, die Kleidungen ändern sich, die Frisuren ändern sich, Vorstellungen vom gesellschaftlichen und privaten Miteinander ändern sich. Ja, sogar die Technik zur Bildfabrikation, die ändert sich, ebenso wie die Archivierung: die blanken Bandrollen der ersten Videotage werden, geradezu beiläufig, eines Tages von den noch globigen Vorreitern der heutigen Videokassetten abgelöst. In grellen Farben kommen die 60er daher, wie in einem hippen Club in Berlin Mitte sieht das alles aus, die 70er dann schon etwas reduzierter, wenn wir dann am Tiefstpunkt angelangt sind, wechselt gar das Aufnahmemedium: Crane ist - buchstäblich - gefangen im Videobild, grobkörnig, verwackelt, amateurhaft, blass: Video killed the tv-star!

Schrader wagt es nicht, über Crane zu urteilen. Klar, das ist schon ein Arschloch, so irgendwie. Egozentriert, geltungssüchtig, gegenüber anderen geradezu sorglos hedonistisch. Doch Crane ist auch ein Mensch, der für seine Veranlagung augenscheinlich nichts kann, für den "Sex vollkommen normal" ist, so normal gar, dass er sein Fotoalbum, darinnen Aufnahmen zahlloser geschobener Nummern der letzten Jahre, bereitwillig jedem zeigt, der sie gar nicht sehen will. Einer also, der mit den bürgerlichen Vorstellungen von Monogamie und Sexualität nichts anzufangen weiß, letzten Endes gerade an der Allmacht dieser Moralvorstellungen im Leben scheitert. Disney wagt es jedenfalls nicht mehr, mit diesem Mann einen Film zu drehen. Nicht, nachdem "diese Fotos" in der Boulevardpresse aufgetaucht sind.

Auto Focus ist sicherlich kein Meisterwerk, auch ob er als großer Klassiker in die Annalen der Filmgeschichte eingehen wird, ist zumindest fraglich. Sorgfältig inszeniertes Qualitätskino, dem man die vielen Jahre seines Urhebers im Geschäft, damit einhergehend dessen Reife hinsichtlich der Wahl und des pointierten Einsatzes filmischer Mittel, in jeder Einstellung ansieht, stellt er aber in jedem Falle dar.


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