Thema: literatur
Dicht gedrängt stehen wir in der U-Bahn, eine weitaus Glücklichere sitzt unweit von mir, auf ihrem Schoß eine dicke, aufgeschlagene Schwarte. Das kann nur Schätzings Schwarm sein, denke ich mir, weil dieser Roman, so schien es zumindest die letzten Monate, der einzige ist, der in Berliner U-Bahnen noch gelesen wird. Kaum gedacht, klappte die Leserin auch schon ihr Buch zu, wir waren in eine Station eingefahren und hier wollte sie aussteigen. Und von selbst versteht sich, dass mich in diesem Moment der bekannte schwarz-blaue Einband anlächelte. Wusst' ich's doch.
Gelesen habe ich Schätzings Schwarte freilich nicht, wohl aber mir aus der Bibliothek das zehnteilige, von Schätzing selbst betreute Hörspiel besorgt und angehört. Hübsche Spannungsunterhaltung, über weite Strecken sogar fesselnd. Und viel Gedanken hat er sich gemacht, von den Recherchen ganz zu schweigen. Etwas geärgert haben mich die letzten zwei CDs, das war mir dann doch zuviel naturwissenschaftlicher Positivismus; von den fünf Jahren Biologie-Recherche hätte er vielleicht auch ein halbes Jahr abknapsen und sich kulturwissenschaftlichen und philosophischen Überlegungen widmen können. Dann wäre das Projekt noch ein bisschen runder (und unter Umständen vielleicht auch ein bisschen weniger "deutsch") geworden.
Gelesen habe ich Schätzings Schwarte freilich nicht, wohl aber mir aus der Bibliothek das zehnteilige, von Schätzing selbst betreute Hörspiel besorgt und angehört. Hübsche Spannungsunterhaltung, über weite Strecken sogar fesselnd. Und viel Gedanken hat er sich gemacht, von den Recherchen ganz zu schweigen. Etwas geärgert haben mich die letzten zwei CDs, das war mir dann doch zuviel naturwissenschaftlicher Positivismus; von den fünf Jahren Biologie-Recherche hätte er vielleicht auch ein halbes Jahr abknapsen und sich kulturwissenschaftlichen und philosophischen Überlegungen widmen können. Dann wäre das Projekt noch ein bisschen runder (und unter Umständen vielleicht auch ein bisschen weniger "deutsch") geworden.
° ° °
kommentare dazu:
roland,
Sonntag, 30. April 2006, 02:03
Also: ich hab das ja genauso gemacht,also nur das hörspiel gehört, bzw. angefangen, so nach ca. 3 stunden fand ich das dann doch nur doof. dialoge, ganz schrecklich. neeenee.
thgroh,
Sonntag, 30. April 2006, 16:11
Ja, die Dialoge sind ziemlich Mist und allenfalls gehobenes Groschenheft-Niveau. Aber der ganze Roman ist ja, meiner Meinung nach, nicht viel mehr als ein üblicher Unterhaltungsthriller, der allerdings durch enorme Recherche aufgewertet wurde. Von daher war ich bei Charakterzeichung und literarischer Qualität in den Dialogen durchaus bereit, ein wenig Nachsicht zu üben. ;)
(aber prinzipiell schon richtig, klar)
(aber prinzipiell schon richtig, klar)
lucas,
Sonntag, 30. April 2006, 03:45
Wunderbar geschrieben, wurde spontan daran erinnert, dass Schätzings Schwarm schonmal mit mir in der U2 "mitgefahren" ist. Kann mich eigentlich spontan auch nicht an ein anderes Buch erinnern, das ich in letzter Zeit in U-Bahnen gesehen hab. Doch Harry Potter! Wie dem auch sei, super Beitrag!
» Lucas
» Lucas
soralis,
Sonntag, 30. April 2006, 17:09
Nachdem ich 2003 noch schnell an der FU einen Text zur Schwarmintelligenz publizieren konnte, erregte Schätzings der Schwarm noch in der Irrenanstalt 2004 mein Interesse. Doch es wäre zu früh gewesen, stattdessen beschäftigte ich mich mit Hölderlins Hyperion und Goethes Faust. Man hat viel Zeit in der Zelle.
Zum Tsunami habe ich meine eigene künstlerische Arbeit in Form eines Seidentuchs abgeliefert. Right in Time noch am 24. Dezember 2003 begonnen und heute als Trophäe bei mir an der Wand hängend.
Gelesen habe ich ihn dann erst im sicheren Buchheim 2006.
Und ich hab ihn verschlungen. Gutes Kopfkino mit antimilitaristischen Seitenschlägen.
Und die Yrr hatten meine volle Sympathie. Ich werd das Gefühl nicht los, dass die Menschen sich einwenig zu wichtig nehmen.
So nebenbei bin ich zum Schluss gekommen, dass meine Berliner Existenz 1999-2003 selbst einwenig Yrr war. Und nach wie vor bedrückt mich die Frage, wie ich mein damaliges Dasein konkret in Worte und Sätze fassen kann.
Ein Satz jedenfalls hat mich gefesselt, eine Psychose schafft ihre eigene Realität.
Zum Tsunami habe ich meine eigene künstlerische Arbeit in Form eines Seidentuchs abgeliefert. Right in Time noch am 24. Dezember 2003 begonnen und heute als Trophäe bei mir an der Wand hängend.
Gelesen habe ich ihn dann erst im sicheren Buchheim 2006.
Und ich hab ihn verschlungen. Gutes Kopfkino mit antimilitaristischen Seitenschlägen.
Und die Yrr hatten meine volle Sympathie. Ich werd das Gefühl nicht los, dass die Menschen sich einwenig zu wichtig nehmen.
So nebenbei bin ich zum Schluss gekommen, dass meine Berliner Existenz 1999-2003 selbst einwenig Yrr war. Und nach wie vor bedrückt mich die Frage, wie ich mein damaliges Dasein konkret in Worte und Sätze fassen kann.
Ein Satz jedenfalls hat mich gefesselt, eine Psychose schafft ihre eigene Realität.
soralis,
Sonntag, 30. April 2006, 19:41
PS
Das Ende fand ich einweng fad. "Verschmelzen", so einfach lässt sich eine jahrmillionenalte Intelligenz nicht zum Stillstand bringen.
Sie hätten gewonnen. Ich hätte das harte Ende formuliert.
Sie hätten gewonnen. Ich hätte das harte Ende formuliert.
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