Thema: Hoerkino
Heute mal wieder bemerkt, wie unheimlich wichtig die Düsseldorfer Band Neu! eigentlich für die Geschichte des Pop war und noch immer ist. Ahead of its time, sozusagen. Aufgefallen ist mir das, als ich letzte Nacht die Website der Seatller Post-Rocker Kinski nach runterladbaren MP3s durchforstete (und im übrigen auch auf den Geschmack gekommen bin, empfohlen wird Semaphore). Klar, die Produktion ist fetter, wo Neu! teils auf feine Gitarrenklänge - das meiste, was sich bei Neu! im schwebenden Ambient auflöst, sind normale E-Gitarren! - setzt, herrscht bei Kinski die warme, erdige Röhre, aber die teils minimalen repetitiven Beats, die endlos weiterzugehen scheinen, die ähnlich im Endlosen versunkenen Gitarren - das ist nicht neu, es ist Neu! (was für ein vermutlich ebenso endlos oft gerissener Kalauer!). Und wären Sonic Youth oder aber, am anderen Ende des Spektrums der Musik, dort, wo man sich beinahe schon wieder begegnet, Stereolab ohne Neu! denkbar gewesen? Ich denke nicht (wobei dei Frage aber natürlich auch schwer beantwortbar ist, sind doch wesentliche Elemente der Krautrocker, zumal seit Grunge gehypt und ebenso schnell wieder verdrängt wurde, längst schon anonym). Und wie häufig begegnete man nicht schon auf Indie-Platten liebgewonnenen Riffs später dann auf einer Neu!-LP, die schon mindestens 20 Jahre mehr auf dem Buckel hatte!

Wo Kraftwerk, bei denen Rother und Dinger ebenfalls in frühen Tagen musizierten, anhand ihres faszinierten Spiels mit dem Geräusch das gewissermaßen auditive Pendant zu den Lichtspielereien des deutschen Expressionismus schufen, wo Can, zu denen ich nie Zugang fand, allzu speckigen Rock spielen, Faust den drögen Soundtrack zu drögen Plena und Diskussionsrunden liefern und Tangerine Dream die Esoterik von Bewusstseinserweiterung musikalisch fortzusetzen scheinen, sind mir Neu!, in dieser Phase hiesigen Rock und Pops, mit ihren schwebenden Melodien, ihrer gleichzeitigen Zersetzung und somit aber auch Fortschreibung von Pop, ihren nie im Hippie-Sinne esoterisch verwertbaren Ambient- und Tapeloop-Spielereien, doch die Liebsten. Es sind dies die besten aller Platten, die mit der Zeit reifen, Nuancen entwickeln und, schlicht und ergreifend, Wegbegleiter werden, auch wenn sie jahrelang nicht angerührt werden (nur um dann ungleich begeisterter wiederentdeckt zu werden). Neu! machen auch bis auf weiteres ihrem Namen alle Ehre - gelinde gesagt: erstaunlich!

Hier ein sehr schöner Artikel zur Re-Issue der drei LPs aus der Jungle World.



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